“Kampf um Energie-Ressourcen? Verteilungsgerechtigkeit statt Militärkonzepte!”Von Ullrich Hahn - Statement zur Eröffnung der Jahrestagung des Versöhnungsbundes 2007 1. Der Titel unserer Tagung ("Kampf um Energie-Ressourcen? - Verteilungsgerechtigkeit statt Militärkonzepte!") beschreibt bereits die Situation, wie wir sie vorfinden: Eine ungerechte Verteilung der Ressourcen, aufrechterhalten u. a. durch weltweite militärische Einsätze, die dazu dienen, Rohstoffquellen und Handelswege für die reichen Industriestaaten abzusichern zu Gunsten eines Lebensstils, der auf Dauer auch zur Katastrophe des Weltklimas führt, unter der dann wiederum diejenigen am meisten leiden müssen, die noch am wenigsten zu dieser Entwicklung beigetragen haben. 2. In unserem Tagungsthema bündeln sich damit, wie bei kaum einem anderen Thema, alle Anliegen des konziliaren Prozesses um Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Beim "Kampf um Energie-Ressourcen" wird deutlich, dass wir keines dieser 3 Ziele für sich allein erreichen werden: Kein Frieden nur für die Reichen, keine Bewahrung der Umwelt ohne Gerechtigkeit usw. - sie gehören jeweils zusammen. 3. Bei näherem Hinsehen können wir die gesamte weltpolitische Situation auch als vielschichtige Gewalt in all ihren Ausdrucksformen wahrnehmen: Die direkte Gewalt des Militärs und der so genannten Sicherheitskräfte, seien es fremde oder eigene, sind zumeist nur sichtbarer Ausdruck der dahinter bestehenden strukturellen Gewalt in Form von Ausbeutung, Unterdrückung und dem Entzug von Lebensmöglichkeiten, einer Gewalt, die sich gegen Mitmenschen richtet, aber auch Gewalt in Form einer Gleichgültigkeit gegenüber der Natur und damit verbunden gegenüber künftigen Generationen. 4. Die Praxis der Gewalt und der dahinter stehende Geist sind wohl kaum oder nur partiell durch technische Lösungen, z.B. die Weiterentwicklung erneuerbarer Energien, zu überwinden. Die in unserem Thema zu behandelnden Probleme hängen gerade auch mit der neuzeitlichen Vorstellung zusammen, dass alles machbar sei, so wie in der Technik also auch in Wirtschaft und Gesellschaft. Wenn wir annehmen, dass sich die Probleme der Energie-Ressourcen und deren gerechte und friedliche Verteilung alleine durch einen technischen Wechsel der Energiequellen lösen ließen, blieben wir diesem Geist der Machbarkeit verhaftet, der sowohl die Erde als auch die menschlichen Beziehungen als ein Werkstück ansieht, das man nur richtig bearbeiten muss, um ein für alle Mal Ruhe zu haben. 5. Die notwendige Antwort auf die vielschichtigen Gewaltverhältnisse, die mit Energieerzeugung, -verteilung und -verbrauch verbunden sind, liegt vor allem in einer Verhaltensänderung, dem Gewaltverzicht. Gewaltverzicht meint eine bewusste Entscheidung etwas zu lassen, was im Bereich menschlicher Möglichkeiten, der Machbarkeit, liegt:
Gewaltverzicht in Bezug auf unser Thema hat deshalb sehr viel mit der Steckdose, der Einkaufstüte und dem benutzten Verkehrsmittel zu tun. 6. Verzicht auf Gewalt und auf die Früchte der Gewalt ist zunächst nur ein Lassen, kostet selbst noch keine Anstrengung, verschafft sogar Freiheit und Zeit (Sokrates: "Wie viele Dinge gibt es doch, die ich alle nicht brauche"). Auch wenn er in einem bloßen Unterlassen besteht, ist der Gewaltverzicht aber weder passiv noch unwirksam: Hildegard Goss-Mayr hat in ihren Seminaren über aktive Gewaltfreiheit oft das Bild eines Dreiecks gebraucht, das auf der Spitze steht und eine ungerechte, verkehrte Gesellschaft darstellen soll. Das Dreieck auf der Spitze würde von alleine auf eine Seite fallen, wenn es nicht gestützt würde, und für eine ganze Reihe dieser Stützen des Unrechts sind wir selbst verantwortlich. Die Methoden so genannter "aktiver Gewaltfreiheit", gewaltfreie Aktionen, gewaltfreie Kampagnen, sind das Handwerkszeug, welches wir - selbst bei hoher Aktivität - nur gelegentlich einsetzen. Solches Tun ist Begebenheit, Gewaltverzicht aber ist Zustand. 7. Gewaltverzicht bekommt seine Schärfe erst, wenn er unbedingt gilt. Einen bedingten Gewaltverzicht praktizieren auch alle Regierungen und Militärs: Gewalt erst dann, wenn es nötig ist, und nur dann, wenn ihr Einsatz Erfolg verspricht, ansonsten keine Gewalt. Unbedingter Gewaltverzicht meint etwas anderes als nur den "Vorrang" gewaltloser Methoden. Es geht nicht um ein Mehr oder Weniger, nicht um ein zeitliches Vorher oder Nachher, sondern um ein Entweder-oder. Gewaltverzicht ist einseitig, nicht wegen irgendwelcher guter Ziele, sondern weil ich das Unrecht, das mit dem Mittel der Gewalt verbunden ist, lassen will. Das gilt auch für die strukturelle Gewalt: Wo ich das Unrecht erkenne, heißt Gewaltverzicht, mich auch nicht indirekt daran zu beteiligen. Wo Ausbeutung von Menschen und Zerstörung der Natur erkennbar werden, heißt es auf die damit angebotenen Vorteile zu verzichten. Wo wir dies Schritt für Schritt lernen, sind damit noch nicht automatisch Frieden, Gerechtigkeit und Klimaschutz hergestellt. Aber mit dem Lassen von Gewalt und Unrecht wird ein Raum geöffnet für einen anderen Umgang mit den anderen und der Natur, für den Dialog und auch für eine technische Phantasie, die eine Zukunft für Alle möglich machen. Ullrich Hahn ist Vorsitzender des Internationalen Versöhnungsbund - Deutscher Zweig . Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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