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Guantanamo und die Pseudotribulale gegen ‘feindliche Kombatanten’: Macht sofort Schluss damit

Von Marjorie Cohn - Alternet / ZNet 09.06.2007

2002 nannte Donald Rumsfeld die Gefangenen von Guantanamo (Gitmo) “die Schlimmsten der Schlimmsten” - berühmte Worte. Der frühere US-Generalstabschef, General Richard B. Myers, warnte, “das sind sehr gefährliche Leute, die würden die Hydraulik im Hinterraum einer C-17 durchnagen, um sie zum Absturz zu bringen”. Mit Behauptungen dieser Art sollte die jahrelange Inhaftierung Hunderter Männer und Jungen, in kleinen Käfigen - wie Tiere - gerechtfertigt werden.

George W. Bush verlor keine Zeit und richtete Militärkommissionen ein, die die “Schlimmsten der Schlimmsten” als Kriegsverbrecher aburteilen sollten. Viereinhalb Jahre später entschied der Oberste Gerichtshof der USA im ‘Fall Hamdan gegen Rumsfeld’, solche Kommissionen stellten einen Verstoß gegen das amerikanische Militärrecht (Uniform Code of Military Justice) und gegen die Genfer Konvention dar. Daraufhin nahm Bush ein paar oberflächliche Korrekturen vor, möbelte das Ganze auf und drückte die neuen, verbesserten ‘Militärkommissionen’ im Herbst 2006 durch den (noch) republikanisch dominierten Kongress durch.

Bisher wurden erst drei Gefangene vor die neu eingerichteten Kommissionen gestellt. Eigentlich wäre zu erwarten gewesen, dass Bush & Co hochrangige Al-Kaida-Führer - wegen Kriegsverbrechen - vor diese Tribunale stellen. Aber bislang handelt es sich um keine hochrangigen Personen. Der erste Angeklagte war David Hicks, ein offensichtlich nicht sonderlich gefährlicher Mann. Das US-Militärgericht stimmte einem Vergleich zu, Hicks lediglich wegen “Fehlverhaltens” zu verurteilen und schob ihn nach Australien ab.

Der zweite Angeklagte ist der Jemenit Salem Ahmed Hamdan, Saddam Husseins ehemaliger Chauffeur. Der Oberste Gerichtshof hatte den Fall bereits verworfen (siehe oben). Letzten Montag fand Hamdans Termin vor einer Militärkommission statt. Es ging um Verschwörungsvorwürfe, und Hamdan habe den Terrorismus materiell unterstützt.

Der dritte Angeklagte heißt Omar Khadr. Er ist kanadischer Staatsbürger. Khadr stand am selben Tag vor Gericht wie Hamdan. Khadr war erst 15 Jahre alt, als er nach Guantánamo kam. Er musste mit Anklagen wegen Verschwörung, Mord, versuchten Mordes, Spionage und Unterstützung des Terrorismus rechnen.

Am Montag verwarfen zwei Militärrichter - unabhängig voneinander - aus formaljuristischen Gründen sowohl die Anklage gegen Hamdan als auch die gegen Omar Khadr.

Das ‘Gesetz über Militärkommissionen’ (The Military Commissions Act), das der Kongress 2006 verabschiedete, räumt derartigen Kommissionen das juristische Recht ein, über “ungesetzliche, feindliche Kombatanten aus dem Ausland” zu verhandeln. “Ungesetzliche feindliche Kombatanten” - laut Gesetz sind darunter entweder Personen zu verstehen, die sich an Feindseligkeiten beteiligt haben oder die Feindseligkeiten gegenüber den USA oder deren Verbündeten vorsätzlich und materiell unterstützten oder Personen, die vom CSRT (Combatant Status Review Tribunal (Tribunal zur Überprüfung des Kombatanten-Status einer Person) oder einer anderen Instanz mit entsprechender Befugnis in die Kategorie des ‘ungesetzlichen, feindlichen Kämpfers’ eingestuft wurden. Laut oben genanntem ‘Gesetz über Militärkommissionen’ sei die Festlegung des Status als “ungesetzlicher, feindlicher Kombatant” durch ein CSRT oder ein anderes zuständiges Tribunal bindend.

Aber es gibt keine “ungesetzlichen” feindlichen Kombatanten in Guantánamo. Es gibt dort nur Männer, die von einem CSRT in diese Kategorie gesteckt wurden. Das ‘Gesetz über Militärkommissionen’ sagt übrigens, dass “gesetzliche feindliche Kombatanten nicht in die Jurisdiktion” von Militärkommissionen fallen. In ihrer Hektik - nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs im Fall Hamdan - hatten Bushs Rechtsfüchse bei der Einrichtung der Militärkommissionen diesen Widerspruch wohl übersehen. Das ist der Grund, warum es jetzt zur Niederschlagung beider Anklagen (im Falle Hamdan und im Falle Khadr) kam.

Möglicherweise wird die Bush-Administration versuchen, das Problem auf juristischem Wege in den Griff zu bekommen und Khadr und Hamdan erneut vor Gericht stellen zu lassen. Aber unabhängig davon, ob Guantánamo-Insassen nun gesetzliche oder ungesetzliche feindliche Kombatanten sind, die Art und Weise, wie die Regierung Bush mit ihnen verfährt, stellt einen Verstoß gegen die Genfer Konvention dar. Gesetzliche feindliche Kämpfer sind durch die Genfer Konvention geschützt. Sie gelten als Kriegsgefangene. Ungesetzliche feindliche Kämpfer stehen unter dem Schutz von Artikel 3 der Genfer KonventionAnmerkung der Übersetzerin: Siehe hierzu http://de.wikipedia.org/wiki/Genfer_Konventionen ., der sie vor inhumaner Behandlung schützt.

Omar Khadr wurde in Afghanistan gefangengenommen und nach Guantámamo gebracht, als er 15 war. Sowohl in Afghanistan als auch in Guantánamo wurde er mehrfach gefoltert und inhumaner Behandlung unterzogen. Als er in der Bagram Airbase war, wurden ihm, trotz schwerer Schrapnellverletzungen an Kopf und Augen, lindernde Schmerzmittel verweigert. In Guantánamo wurden ihm Hände und Füße zusammengefesselt, er wurde am Boden fixiert und manchmal über Stunden allein liegengelassen. Einmal hatte er uriniert, und dadurch sich und den Fußboden mit Urin durchnässt. Daraufhin nahmen die US-Wärter seinen schmächtigen, kleinen Körper und wischten mit ihm den Fußboden auf. Khadr wurde auf den Kopf geschlagen, mit Hunden bedroht. Man drohte ihm mit Vergewaltigung und Amputationen von Körperteilen.

Khadr hat viel geweint. Er leidet unter Alpträumen, schwitzt und hyperventiliert. Er ist übernervös, hört Geräusche, die er nicht zuordnen kann. Als sein Anwalt ihn zum ersten Mal zu Gesicht bekam, 2004, dachte er: “Das ist doch nur ein kleines Kind”.

Warum wird mit Omar Khadr so umgesprungen? Khadr stammt aus einer Familie, die sich angeblich bei der Al Kaida engagiert hat. Die Anklagen gegen ihn gehen auf folgenden Vorfall zurück: Die Amerikaner schickten Afghanen in ein Gebäude, in dem sich Khadr und andere Personen aufhielten. Die Leute in dem Gebäude töteten die eindringenden Afghanen und eröffneten das Feuer auf die US-Soldaten. Daraufhin warfen die Amerikaner eine 500-Pfund-Bombe auf das Gebäude. Alle Menschen im Innern starben, nur Khadr überlebte. Khadr warf eine Handgranate, die einen Amerikaner tötete. Die Soldaten schossen auf ihn. Er wurde schwer verletzt und erblindete. Er flehte sie auf Englisch an, ihn doch zu töten. Sie brachten ihn nach Bagram und später nach Guantánamo.

Laut Donald Rehkopf Junior, Co-Vorsitzender des Nationalen Anwaltskomitee für Militärstrafsachen (National Association of Criminal Defense Lawyers Military Law Committee), “weigert sich die Regierung kontinuierlich, Anhörungen zu dem angeblichen Status (ungesetzlicher, feindlicher Kämpfer) zuzulassen. Schließlich handelte es sich bei vielen Gefangenen in Guantánamo nicht einmal um Kämpfer, ganz zu schweigen von “ungesetzlichen”. Khadr ist ein Sonderfall. Er kann mit Berechtigung “Notwehr” geltend machen. Wir haben sein Haus - das seiner Familie , in dem sie lebte -, angegriffen. Außerdem war er zum damaligen Zeitpunkt erst 15 Jahre alt.

Wäre Khadr amerikanischer Staatsbürger, er würde aufgrund seiner Jugend nicht vor ein Kriegsgericht gestellt. 2005 entschied der Oberste Gerichtshof, dass niemand, der bei Begehung einer Straftat unter 18 war, für diese Tat hingerichtet werden kann. In seiner Begründung sagt der Gerichtshof, jungen Menschen “mangelt es an Reife, und ihr Sinn für Verantwortung ist noch unterentwickelt”. Dies führe “oftmals zu spontanen, unüberlegten Handlungen und Entscheidungen”. Jugendliche, so der Gerichtshof, seien anfälliger und empfänglicher für negative Einflüsse, ihr Charakter sei noch nicht so geformt wie der eines Erwachsenen. “Vom moralischen Standpunkt”, schrieb Richter Kennedy zu der Mehrheitsentscheidung, die das Gericht fällte, “wäre es falsch, das Versagen von Minderjährigen mit dem eines Erwachsenen gleichzusetzen, denn es besteht eine größere Chance, dass sich das charakterliche Defizit bei Jugendlichen noch korrigieren lässt”. Die Entscheidung der Bush-Administration im Falle Omar Khadr ist ein Schlag ins Gesicht dieser Rechtssprechung.

Die Vereinigten Staaten werden Khadr und Hamdan möglicherweise erneut vor Gericht stellen lassen. Es bleibt ihnen eine Frist von mehreren Tagen, um Widerspruch einzulegen. Allerdings wurde bei den Militärkommissionen noch kein Berufungsgericht eingerichtet. Es ist daher unklar, bei welcher Stelle Widerspruch eingelegt werden kann.

Das Gesetz ‘Military Commissions Act’ verweigert grundlegende Schutzrechte, die in einem Prozess normal sind. Auch das Recht auf Anwendung des Habeas-Corpus-Acts wird verweigert. Es ist eine Schande. Noch eine weit größere Schande ist das InternierungslagerAnmerkung d. Übersetzerin: Im Original steht hier concentration camp, das die USA auf Guantánamo/Kuba betreiben. Das Gesetz muss weg und das Gefängnis in Guantánamo auf der Stelle geschlossen werden.

Marjorie Cohn ist Professorin an der Thomas Jefferson School of Law, Präsidentin der National Lawyers’ Guild und nationale Repräsentantin des Exekutivkomitees der ‘American Association of Jurists’. Ihr neues Buch erscheint im Juli: ‘Cowboy Republic: Six Ways the Bush Gang Has Defied the Law’.

Quelle: ZNet Deutschland   vom 29.06.2007. Übersetzt von: Andrea Noll. Orginalartikel:  “Gitmo and the Bogus ‘Enemy Combatants’ Trials Should Be Ceased Immediately” .

Fußnoten

Veröffentlicht am

02. Juli 2007

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