Afghanistan - der andere KriegVon Cindy Sheehan - 05.08.2007 - ZNet / CommonDreams.org Neulich saß ich hinter der Bühne von Union Square. Eine junge Frau mit einem Kameramann im Schlepptau kam auf mich zu. Sie wollte mir “eine Frage” stellen. Wenn mich jemand fragt, ob er/sie mir eine Frage stellen darf, bleibt es meistens nicht bei “einer” Frage. Die junge Frau sah aus, als wäre sie 14. “Natürlich”, sagte ich. Bevor sie mir ihre Frage stellte, sagte sie mit Tränen in den Augen: “Ich bin Soldatin, ich habe in Afghanistan gedient. Was haben Sie den Truppen dort zu sagen?” Ich weiß nicht, was mich auf die Idee brachte, diese Soldatin sei nicht “für den Krieg”. Sie trug Jeans und ein unbeschriftetes, gestreiftes Kragen-Shirt. Weder sie noch ihr Kameramann trugen irgendwelche Antikriegs-Symbole. Ich denke, es waren ihre Tränen, die ihre Antikriegshaltung verrieten. Ich war mir jedoch nicht sicher. Für gewisse Gruppen und Personen ist es zu einer Lebensmission geworden, mich zu belästigen. Mein Herz ist immer bei unseren Soldaten - ganz gleich, was jene Leute denken, die “für Mord, Zerstörung und Bush sind”. Mein Sohn war Soldat. Er hatte keinen Killerinstinkt und fürchtete, im Irak töten zu müssen. Doch er war ein guter Soldat. Er liebte seine Armeegemeinschaft - und hat dies bewiesen, indem er starb, um einige seiner Kameraden zu retten. Ich glaube, die meisten Soldaten im Irak und in Afghanistan sind dort, um ihre “Kumpels” zu unterstützen. Ein junger Soldat schrieb mir einmal: “Ich habe Ihren Sohn nicht gekannt, aber ich war in derselben kleinen Operationsbasis (FOB (Forward Operation Base)). Ich erinnere mich an seinen Namen und an sein Gesicht. Ich war Infanterist. Er muss wohl bei der 182sten gewesen sein, denn ich kenne ihn von keiner der anderen Infanterieeinheiten her. Viele Leute fragen uns, warum wir umsonst sterben. UMSONST - nichts ist weiter von der Wahrheit entfernt. Wir kämpfen und sterben nicht für einen Mann (Bush). Wir kämpfen und sterben auch nicht für eine Sache oder eine Korporation. Wir kämpfen und sterben füreinander, nicht mehr. Ich würde es nicht dulden, dass jemand in meiner Gegenwart sagt, Ihr Sohn sei für nichts gestorben. Er starb für mich, für seine Brüder und Schwestern in Waffen. Das ist der Grund, warum wir alle kämpfen und sterben”. Für mich ist diese Kameradschaft und Liebe nachvollziehbar. Es gibt eine Reihe von Menschen, für die ich bereit wäre, zu sterben. Und hätte ich die Wahl gehabt, ich wäre, ohne eine Sekunde zu zögern, an Caseys Stelle gestorben. Für wen ich kein Verständnis aufbringe, ist der feige Oberkommandeur (Bush) und sein Vizekriegsherr (Cheney), die unsere tapferen Truppen losschicken, um füreinander zu sterben. Auch die Truppen wissen, dass sie keineswegs für eine “noble Sache” sterben. Alles, was existiert, ist der Kitt, der sie zusammenhält. Ich habe mich mit Hunderten von Veteranen getroffen, die an diesem Fehler im Irak/Afghanistan beteiligt waren. Das geht zurück bis zu den Veteranen des Fehlers Koreakrieg. Sie alle sagen, sie hätten das Gleiche für Casey getan. Als die junge Veteranin mit ihrer Kamera neulich auf Union Square an mich herantrat, konnte ich ihr nur von Herzen antworten: “Oh, Liebes. Es muss so aussehen, als ob die Friedensbewegung in den USA unsere Soldaten in Afghanistan und das afghanische Volk vergessen hätte. Ich weiß, dass ich diesen Konflikt zu wenig zur Sprache bringe, obwohl ich denke, dass auch er ein moralischer Fehler ist. Ich weiß, dass unsere Soldaten dort sterben oder zu Schaden kommen. Die Medien berichten zu wenig über die Vorgänge im Irak, um Afghanistan kümmern sie sich noch weniger. Die Friedensbewegung ist sich jedoch uneins über Afghanistan. Viele Leute halten Afghanistan für einen ‘guten Krieg’. Diese Ansicht teile ich nicht. Ich verspreche Ihnen, ich werde der Aufdeckung des Kriegsverbrechens Afghanistan mehr Aufmerksamkeit widmen”. Dann umarmte ich sie und flüsterte ihr ins Ohr: “Auch eure Kumpels haben Aufmerksamkeit und Ehrung verdient. Es tut mir so leid, dass Sie das alles durchmachen mussten”. Sie antwortete: “Ich werde das an meine Freunde in Afghanistan weitergeben. Ich möchte Ihnen nur sagen, dass wir alle hinter Ihnen stehen.” Dieser kurze Austausch hat mich tief beeindruckt. Ich werde mein Versprechen gegenüber der jungen Frau erfüllen. Warum marschierte Amerika samt einer kriminellen internationalen Koalition in Afghanistan ein? Ging es um die strategische Verlegung von Öl-Pipelines? Ging es darum, einen Mann, der früher in der Ölbranche tätig war (Karsai), als Marionettenpräsidenten unter US-Kontrolle einzusetzen? Ging es um Osama bin Laden, der sich eventuell in Afghanistan aufhielt (Viele erheben den Vorwurf, man habe ihn nach Tora Bora entkommen lassen)? Wir wissen, es ist Fakt, dass Osama früher von den USA bewaffnet, trainiert und unterstützt wurde. Damals gehörte er den Mudschaheddin an, die gegen die UdSSR kämpften. Dies führte zum Kollaps der Sowjetunion und deren wildem Militarismus. Wir wissen auch, dass “Osama bin schon Vergessen” noch immer auf freiem Fuß ist. Beim ersten Einmarsch in Afghanistan starben mehr unschuldige Zivilisten als am 11. September. Es ist auch eine Tatsache, dass die Profite, die aus der Schlafmohnproduktion (in Afghanistan) gewonnen werden, auf einem historischen Höchststand sind. Die Taliban zwingen die Opiumbauern, Bestechungsgelder an sie zu zahlen. Damit finanzieren die Taliban ihren Aufstand gegen die USA. Als Afghanistan noch unter Taliban-Kontrolle stand, war der Anbau von Schlafmohn illegal, die Strafen harsch. Heute sind die Frauen immer noch unterdrückt. Viel wurde in Afghanistan nicht erreicht - außer Kriegsprofiten und einer Cocacola-Abfüllanlage. Laut www.icasualties.org starben bislang 421 amerikanische Soldaten in Afghanistan, 6213 wurden verwundet. Einer der Toten ist John Torres. Offensichtlich wurde er von einem Kameraden ermordet, weil John den aktiven Drogenhandel in seiner Basis aufdeckte. Auch die genauen Umstände des Todes von Pat TillmanAnmerkung der Übersetzerin: Pat Tillman, ein erfolgreicher US-Football-Spieler, meldete sich nach dem 11. September 2001 freiwillig zur Armee und starb 2004 in Afghanistan durch die eigenen Truppen - “in friendly fire”. Die genauen Umstände seines Todes sind bis heute unbekannt, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Pat_Tillman . wurden von höchsten Kreisen um BushCo verschleiert. Die Wahrheit und die genauen Umstände dieses Verbrechens werden wir wohl nie erfahren. Beide Vorfälle zeigen, dass nicht jeder, der in einem Krieg kämpft, ein fürsorglicher Kumpel ist. Manche haben vielleicht die Grundeinstellung bezahlter Söldner. Aber die meisten unserer Soldaten sind mutige Leute, die versuchen, unter unvorstellbaren Bedingungen zu überleben. Ich möchte öffentlich für die Ehre unserer jungen Leute eintreten, deren Leben die Kriegsmaschinerie in Afghanistan weggestohlen hat. Aus tiefstem Herzen kondoliere ich ihren Familien. Nicht einmal BushCos ‘Imperium des Bösen’ kann das erzwungene Opfer unserer Kinder schmälern oder korrumpieren. Unsere Truppen, die in Afghanistan stationiert sind, sollten wissen, dass die amerikanische Friedensbewegung sie unterstützt, damit sie wieder nach Hause kommen.Anmerkung: Für alle, die sich nach meiner Kandidatur gegen Nancy Pelosi erkundigen: Die formale Bekanntgabe meiner Kandidatur muss - aus logistischen Gründen - auf den 9. August verschoben werden. Die Seite www.CindyForCongress.org wird demnächst online gehen.
Quelle: ZNet Deutschland vom 07.08.2007. Orginalartikel: The Other War . Übersetzt von: Andrea Noll FußnotenVeröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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