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Burma: Weltweite Heuchelei

Von Satya Sagar, 01.10.2007 - ZNet

Während das burmesische Militär brutal gegen den Volksaufstand vorgeht - gegen seine Bürger, die Demokratie fordern -, stellt sich Vielen die Frage, was tut die Welt.

Der bisherige Trend zeigt, dass die Antwort recht simpel ist: nichts.

Sie unternimmt nichts, was über die üblichen Verurteilungen und den frommen Appell, “einen friedlichen Dialog” zu führen, hinausginge oder über die auf internationalen Foren bekundete Position, das burmesische Volk unterstützen zu wollen.

Nichts wird getan - außer der Entsendung eines UN-Gesandten, der eine ‘lahme Ente’ ist, die mit den paranoiden burmesischen Generälen verhandeln soll. Worüber verhandeln? Über die Beerdigung der unschuldigen Opfer, die auf Ranguns Straßen wie Hasen niedergemäht wurden?

Schließlich ist es nicht so, dass keine Handlungsmöglichkeiten existierten. Wie wäre es für den Anfang mit der Entziehung des Sitzes in den Vereinten Nationen, den das illegitime militärische Regime Burmas noch immer innehat? Stattdessen sollte der Sitz an die gewählte burmesische (Exil-)Regierung übergehen. Und warum sollte Burma weiterhin Mitglied von ASEAN (Assoziation der Südostasiatischen Nationen) oder von ASEM (Asiatisch-Europäisches Treffen) sein?

Wie wäre es mit Sanktionen gegen ausländische Firmen, die in Burma Geschäfte machen? Das beträfe Dutzende westliche Unternehmen - ganz zu schweigen von asiatischen. Warum sollten große Ölkonzerne wie Chevron (USA), Petronas (Malaysia), Daewoo International Corp (Südkorea) oder French Total (Frankreich) weiter in Burma aktiv sein können, ohne für ihre Unterstützung einer der schrecklichsten Diktaturen der Welt bestraft zu werden?

Die Antworten auf diese elementaren Fragen sind nicht weniger elementar. Schließlich geht es in Burma um riesige Naturressourcen und um signifikante Investitionsmöglichkeiten. Welche Regierung dieser Welt gibt wirklich etwas auf die eingepferchten Bürger Burmas, die verzweifelt gegen ein quasi faschistisches Regime ankämpfen, das zwar offen ist für ausländisches Kapital, aber engstirnig gegenüber dem eigenen Volk?

Nach dem (aktuellen) Blutbad in Burma appellierte Frankreichs neuer Präsident, Nicholas ‘Napoleon’ Sarkozy, großspurig an die französischen Konzerne, ihre Operationen in Burma einzufrieren. Kurz darauf stellte sein Außenminister Bernard Kouchner jedoch klar, der französische Ölriese French Total (das größte in Burma operierende europäische Unternehmen) werde sich nicht aus Burma zurückziehen. Man befürchte, durch die “Chinesen ersetzt zu werden”.

Der britische Premierminister Gordon Brown äußerte sich ebenfalls “empört” über das verurteilenswerte Vorgehen der burmesischen Regierung. Über die britischen Firmen, die fröhlich in Burma investieren, schweigt er. Zwischen 1988 und 2004 haben Firmen von britischem Boden aus über 1,2 Milliarden Pfund in Burma investiert. Großbritannien ist damit der zweitgrößte Investor in diesem angeblich isolierten Land. Die Sonne des Britischen Empire ging unter und scheint auf ihrem Rückzug das Gewissen der (britischen) Politiker tiefgefrostet zu haben.

Auch die japanische Regierung setzte ein monumentales Zeichen der Heuchelei. Sie vergoss Krokodilstränen, weil der japanische Journalist Kenji Nagai von einem burmesischen Soldaten kaltblütig erschossen wurde, als er eine Demonstrantengruppe auf der Flucht fotografierte und dabei zu Boden stürzte. Die Regierung in Tokio nahm allen Mut zusammen und verlangte “eine Erklärung”. Die Antwort war ein “Ups… tut uns leid” vonseiten des burmesischen Außenministers. Insgeheim dürfte er sich wohl gesagt haben: “Leichtes Spiel, Moroni San”.

In der Frage, ob dem mörderischen burmesischen Regime die Hilfen entzogen werden sollen, stellt die japanische Regierung klar: “Es ist noch zu früh” für eine solche Entscheidung. Wahrscheinlich wartet man höflich ab, bis das burmesische Regime eine gesamte japanische Pressebelegschaft ermordet, bevor reagiert wird. Wenn Burmesen sterben, bleibt dies ohnehin folgenlos.

Am vorhersehbarsten war natürlich die rhetorische Reaktion von US-Präsident George Bush. Er kündigte eine Reihe von Sanktionen gegen die burmesische Militärführung an und ergänzte unglaublicherweise: “Ich dränge die burmesischen Soldaten und Polizisten, keine Gewalt gegen ihre eigenen Mitbürger einzusetzen”.

Moment mal, wurden diese Soldaten und Polizisten nicht dazu ausgebildet, auf ihre Mitbürger zu schießen? Werden sie nicht dafür bezahlt? Was wollte Bush sagen? Wie üblich weiß das nur Bush selber - und sein Schöpfer, von dem er behauptet, er erhalte direkte Instruktionen von ihm.

Doch selbst wenn er sie besser gewählt hätte, wären Bushs Worte unglaubwürdig. Sie kommen aus dem Munde eines Kriegstreibers, der verantwortlich ist für massenhaftes Töten im Irak und in Afghanistan. Durch die Regierung Bush wurden internationale Menschenrechtsnormen vernichtet. Dadurch hat sich diese Regierung selbst das Recht genommen, andere zu belehren - selbst wenn es sich um ein derartig heruntergekommenes Regime wie die burmesische Junta handelt. Eine traurige Situation.

Aber was ist mit Burmas alten Freunden - Thailand, Singapur und Malaysia? In einer überraschenden Verurteilung ihres ASEAN-Mitglieds Burma äußerten sie “Ekel” über die Anwendung tödlicher Gewalt gegen unschuldige Zivilisten. Ihre Erklärung ist zweifellos begrüßenswert, allerdings kommt sie zwei Jahrzehnte zu spät, um irgendetwas zu erreichen.

Burmas Militärherrscher haben ASEANs zweifelhafte Politik des “konstruktiven Engagements” dazu benutzt, um ihr Regime im Innern zu festigen und sich außenpolitisch wieder Anerkennung zu verschaffen. Anfang der 90er Jahre, als die burmesischen Generäle fast schon am Boden lagen, war es ASEAN, das ihnen Sicherheit und freundschaftliche Unterstützung angeboten hat. Die Organisation schalt jene, die Demokratie für Burma forderten - diese Leute hätten keine Ahnung von “asiatischen Werten”.

Bleiben noch China und Indien - zwei gigantische Nachbarn Burmas, die die Junta seit langem mit Investitionen, Hilfen und Rüstungsverkäufen überhäufen. Die Welt erwartet, dass beide Länder ihren “Einfluss” auf die Generäle geltend machen.

Chinas aktive Unterstützung für das burmesische Regime kommt nicht überraschend - auf dem Hintergrund der eigenen Unterdrückung demokratischer Bewegungen und der Schüsse auf Demonstranten des zivilen Widerstands im eigenen Land. Ich glaube nicht, dass die Chinesen ernsthaft befürchten, die burmesische Demokratiebewegung könnte in China ein zweites Tiananmen auslösen - zumindest nicht kurzfristig und nicht solange der Konsumboom die chinesische Bevölkerung hypnotisiert hält.

Die Chinesen sind sehr pragmatisch und denken daran, wie sie ihre Investitionen in Burma absichern können. Vielleicht werden sie eines Tages die Ersten sein, die die burmesische Junta (aktiv) stürzen - wenn sie das Gefühl bekommen, die steigende Flut des demokratischen Protestes könnte obsiegen. Die künftige chinesische Haltung zu Burma wird sicher wirken wie ein Yo-yo, das auf und ab tanzt - immer abhängig davon, welche Katze (die schwarze oder die weiße), gerade die Mäuse fängt.

Von allen Ländern dieser Welt vertritt Indien die schändlichste Haltung gegenüber Burma. Einst war Indien das Land Mahatma Gandhis. Heute sind dort Politiker an der Macht, deren Moral selbst einen Schlangenöl-Händler verrückt machen würde. Indien nutzt jede Gelegenheit, um sich als die “größte Demokratie der Welt” zu bezeichnen und verschweigt, dass es sich um eine Demokratie der ‘untersten Kategorie’ handelt - wie jeder sehen kann.

Warum sonst entsandte die indische Regierung Ende September ihren Ölminister, Murali Deora, um einen Erdgasexplorationsvertrag mit der burmesischen Militärjunta zu unterzeichnen? Zu diesem Zeitpunkt plante das Regime ja bereits den Mord an seinen eigenen Bürgern.

In den vergangenen Jahren hat Indien das burmesische Militär mit Waffen und Militärtraining unterstützt - als ob dieses Militär mit seinen Kugeln das Volk nicht schon präzise genug träfe. Und es gab weitere nette Abkommen.

Das war keineswegs immer so. Zuzeiten des indischen Premierministers Nehru befand sich die indische Burma-Politik in ihrer “idealistischen” Phase. Burmas Premier, U Nu, war ein enger Freund Nehrus. Ihre Politik war geprägt von wechselseitigem Vertrauen und Kooperation. 1962 wurde U Nu durch einen Militärcoup gestürzt. Die indische Regierung - und die Nachfolgeregierungen - waren prinzipiell gegen diese Diktatur.

1988, auf dem Höhepunkt der Pro-Demokratie-Bewegung in Burma, bezeichnete das All India Radio in seinem Burma-Programm General Newin und seine Leute gar als “Hunde” (was natürlich eine große Beleidigung für Letztere war). 1992 kam in Indien die Regierung von R.V. Narasimha Rao an die Macht. Seither ist es Indien, das mit dem Schwanz wedelt.

Die “pragmatische” Phase der indischen Burma-Politik begann Anfang der 90er Jahre und dauert bis heute an. Die (moralischen) Prinzipien wurden über Bord geworfen, man tat alles, um die strategischen und wirtschaftlichen Interessen Indiens voranzutreiben. Eine weitere Entschuldigung für die Anbiederung an die burmesische Militärjunta ist der angebliche “chinesische Einfluss” in Burma, dem man etwas entgegensetzen müsse.

In all den Jahren gab es wenig Beweise, dass dieser “amoralische Pragmatismus” den indischen Interessen längerfristig mehr nutzen wird als der “sich durchwurstelnde Idealismus” der Vergangenheit. Sieht man sich die Sache genauer an, so zeigt die aktuelle indische Politik vielmehr, dass die Realpolitik nichts weiter ist als Lack. Der einzige Gewinner ist das burmesische Regime selbst.

Nehmen wir zum Beispiel den Mythos, Indien stelle ein Gegengewicht zu China dar. Indische Verteidigungsanalysten behaupten, China habe in den letzten beiden Jahrzehnten in Burma einen wichtigen Fuß in die Tür gesetzt. Es habe in Burma militärische Einrichtungen installiert, die gegen Indien gerichtet seien und übe beträchtlichen Einfluss auf das burmesische Regime und dessen strategisches Denken aus. Der Aufstand der Burmesen 1988 habe Staaten wie China oder Pakistan erst die Möglichkeit verschafft, den burmesischen Generälen näher zu rücken.

Für Verteidigungsanalysten - nicht nur indische - mit ihrem verzerrten Blickwinkel, ist die Welt ein geopolitisches Schachspiel. Dabei vergessen sie, dass die Entscheidung der damaligen indischen Regierung, die Pro-Demokratie-Bewegung zu unterstützen, keineswegs ein ignoranter “Fehler” war. In dieser offiziellen Haltung spiegelte sich die eindeutige Haltung der indischen Bürger, das burmesische Volk zu unterstützen.

Der zweite Mythos, der das indische Außenministerium anspornt, sich den burmesischen Generälen anzudienen -, ist folgendes Argument: Mit burmesischer Hilfe könnte Indien den Waffen- und Drogenschmuggel, der die Aufstände im indischen Nordosten anheizt, massiv reduzieren. Das setzte allerdings voraus, dass die burmesische Junta sowohl willens als auch in der Lage ist, die Aktivitäten der burmesischen Drogenschmuggler entlang der Grenze sowie militanter indisch-ethnischer Gruppierungen zu kontrollieren. Was den Drogenschmuggel aus Burma angeht, so gibt es in der Tat Grund zur Besorgnis: Gruppen, die dem burmesischen Regime nahe stehen, profitieren in direkter Weise von diesem Handel.

Mit ihrer aktuellen Politik hat die indische Regierung keines ihrer strategischen Ziele bezüglich Burmas erreicht. Stattdessen hat sich Indien der burmesischen Pro-Demokratie-Bewegung und Millionen von Burma-Unterstützern auf der Welt entfremdet. Es gibt Teile der indischen Bevölkerung, denen die Politik ihrer Regierung gegenüber Burma egal ist oder die nicht Bescheid wissen. Ihr Schweigen ist aber noch lange keine Zustimmung.

Indien ist nicht deshalb eine Demokratie, weil unsere elitären Politiker, Bürokraten und “Verteidigungsanalysten” es in ihrer Gutmütigkeit so wollen, sondern trotz dieser Leute. Ein weiterer Grund ist die starke Abneigung des indischen Volkes gegen jede Art von Diktatur. Höchste Zeit, dass die indische Regierung die Gefühle ihrer Wähler respektiert und aufhört, den Begriff “Nationalinteressen” zu missbrauchen, um die burmesischen Militärdiktatoren zu unterstützen.

Was das burmesische Volk angeht, so zeigt die (bewusste) Unfähigkeit der Welt, sich mit den brutalen burmesischen Herrschern auseinanderzusetzen, dass die Burmesen letztendlich auf ihre eigene Kraft angewiesen sein werden, um Demokratie zu erreichen.

Die Menschen in der Welt werden sie natürlich unterstützen, so gut sie können. Auf der anderen Seite ist es unrealistisch, zu erwarten, dass die Regierungen auf der Welt mithelfen werden, das burmesische Militärregime zu stürzen. Dies zu erwarten, wäre so unrealistisch wie die Hoffnung, das Regime werde von alleine zurücktreten. Der Kampf muss weitergeführt werden, es gibt keine Alternative.

Quelle: Quelle: ZNet Deutschland   vom 16.10.2007. Orginalartikel: Global Hypocrisy on Burma . Übersetzt von: Andrea Noll.

Veröffentlicht am

19. Oktober 2007

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