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Pakistan ohne Hoffnung

Von Karl Grobe

Zwei Terrorakte haben die Aussichten für eine friedliche Entwicklung in Pakistan vernichtet. Sie zerstören die wesentlichen Grundlagen, auf denen eine zivile Gesellschaft hätte aufgebaut werden können. Benazir Bhutto wurde Opfer eines Attentats bei einer Wahlveranstaltung in Rawalpindi. Zuvor war der Chef der islamistischen Partei PML-N, Nawaz Sharif, beschossen worden. Er blieb unverletzt und zögerte nicht, die Präsidenten-Partei PML-Q zu bezichtigen, den regierungstreuen Ableger der Pakistan Muslim League. Bewiesen ist das nicht. Dass in zehn Tagen tatsächlich Wahlen abgehalten werden können, ist mehr als unwahrscheinlich. Unwahrscheinlich aber auch, dass eine Erneuerung der Militärdiktatur so etwas wie Sicherheit, Stabilität und Zähmung der extremistischen Kräfte zuwege bringen könnte. Letztere sind die Profiteure der Mordanschläge, wahrscheinlich auch deren Urheber.

Der Hintergrund des Mord-Attentats gegen Benazir Bhutto ist noch nicht aufgeklärt. Wer die Gegner und wer die zu allem entschlossenen Feinde der bekanntesten Politikerin Pakistans sind, weiß man jedoch. Die Führerin der Pakistanischen Volkspartei (PPP), der weltlichen, demokratischen und im Lande am stärksten verankerten politischen Organisation, war allen verhasst, die einen ausschließlich religiös definierten Staat wollten.

Die Schatten auf dem politischen Leben der Benazir Bhutto können gleichwohl nicht verschwiegen werden. Der Ruch der Hochkorruption hat ihren beiden Amtszeiten als Regierungschefin angehaftet; der Bereicherung des eigenen Umfelds wie der PPP-Funktionäre hat sie nicht widerstanden. Dennoch hatte sie die Sympathien und die Unterstützung der verarmenden Bauern und Städter und des laizistischen Mittelstands. Sie hatte Feinde im Militär und dem mächtigen Geheimdienst, zumindest in deren islamistischen Flügeln. Sie hatte Gegner in den zivilen Apparaten der Regierung und Verwaltung, die um ihre Pfründe nach einem Wahlsieg der PPP hätten fürchten müssen. Gewaltbereit, mordbereit unter diesen waren jene radikalen Islamisten, denen die in Kaschmir und in den Nordwest-Grenzgebieten aktiven bewaffneten Banden anhängen, die Förderer und Absolventen jener Koranschulen, in denen weniger die Religion als die nihilistische Gewalt gelehrt werden.

Mit selbsternannten Aktivisten dieser Art muss zunehmend gerechnet werden. Die Militäraktion gegen die Rote Moschee im Sommer hat die Fanatiker erst recht radikalisiert. Deren Aufstieg, der unter den Militärdiktaturen des Zia ul-Haq und - nach demokratischem Zwischenspiel - des heutigen Machthabers Pervez Musharraf bis zum September 2001 staatlich gefördert wurde, hatte die Eskalation des Terrors zur Folge. Sie kann sich fortsetzen. Die plausible Alternative ist die Erneuerung der Militärdiktatur. Doch nicht die ganze Armee steht hinter Musharraf, zumal er seit vier Wochen nicht mehr Armeechef ist. Wie in den Streitkräften halten sich im Geheimdienst islamistische Kräfte, die ihm seine Wendung ins US-Lager nicht verziehen haben; und in der Zivilgesellschaft der Intellektuellen, Juristen, Journalisten, ja auch der Händler hat er kaum Freunde.

Unsichere Zeiten stehen also bevor. Nicht nur für die 165 Millionen Pakistanis. Im Nachbarstaat Indien - und nicht nur dort - muss man darüber besorgt sein, wer Pakistans Atomwaffen unter seine Kontrolle bringt. Darüber haben sich auch die USA, Musharrafs letzte Förderer, Gedanken machen müssen. Die Idee, das nukleare Arsenal per Handstreich unter US-Kontrolle zu bringen, ist eher eine Fantasiegeburt als eine Überlegung mit Realitätsgehalt.

Sicherlich hegen auch in Indien manche eine ähnliche Illusion. Andere, Ultras nationalistischer Art, mögen jetzt eine Gelegenheit erkennen, offene Rechnungen, etwa in Kaschmir, zu begleichen. Erst recht dann, wenn die terroristische Gewalt derjenigen zunimmt, die in gewissen Moscheen den Terror statt des Korans predigen und die Religion hinabziehen in den Dreck krimineller Aktivitäten. Mit Aufrufen gegen den Terror halten die Nachbarstaaten ebenso wenig zurück wie die europäischen Mittelmächte und die einzige Supermacht. Das ist wohlfeil. Den politischen Machern in Washington ist wahrscheinlich nie bewusst geworden, dass ihre unkritische Förderung des militarisierten Systems in Islamabad einem Ritt auf dem Tiger gleichkam. Der Schaden, den dieser anrichten wird, lässt sich noch nicht ermessen.

 

Quelle: Frankfurter Rundschau   vom 28.12.2007. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Karl Grobe.

Veröffentlicht am

28. Dezember 2007

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