Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Peter Grohmann: Rede zum Tag des Flüchtlings beim Stuttgarter AK Asyl

Liebe Bürgerinnen und Bürger, Freunde, Verfolgte, liebe Menschen -

Hunderttausende waren es, die vor 200 Jahren
dieses Land verlassen mussten - sie kamen aus den
Dörfern des Schwarzwalds und von den Hungeräckern
auf der Schwäbischen Alb -
deutsche Wirtschaftsflüchtlinge, die in alle Welt zogen,
weil sie nichts mehr zu essen hatten,
und aufgenommen wurden weit jenseits ihrer Grenzen.

Hunderttausende waren es auch,
die vor den eigenen Landsleuten fliehen mussten,
vor den Deutschen, vor den Nazis, zwischen 1933 und 1945.

Sie wurden aufgenommen weit jenseits ihrer Grenzen
und in der Nachbarschaft, in der Tschechoslowakei
und der Sowjetunion, in den Vereinigten Staaten und in der
Schweiz, in der Türkei, in Schweden, in China …

Deutsche Asylanten.
Mit dem Leben davongekommen.

Ich grüße Sie von der Initiative Gedenkort Hotel Silber -
der ehemaligen Gestapozentrale in Stuttgart,
wo ein Denkort entstehen soll - an eben der Stelle,
an der Andersdenkende gefoltert und geschlagen,
verhört oder totgemacht wurde.

Ich grüße Sie von den Initiatoren der "Spur der Erinnerung" ,
die wir vom 13.-16. Oktober 2009 von Grafeneck nach
Stuttgart führen werden - von Grafeneck, wo mehr als
10.000 behinderte Menschen ermordet wurden - zum
Innenministerium, dem Ort der Planer, der Täter.

Ich grüße Sie von den AnStiftern -
für Zivilcourage, gegen Gewalt und Vergessen!

Wir wissen: Es ist eine Frage der Zeit.

Natürlich wird noch lange dauern, bis sich Zebra und Löwe küssen.
Aber es ist eine Frage der Zeit.

Es ist eine Frage der Zeit.
Dann werden die Menschen darüber nachdenken,
was sie ihren Nachgeborenen hinterlassen haben -
und sie werden sich überlegen müssen,
wo es eine sichere Zukunft für ihre Kinder gibt.

Irgendwann einmal, und das ist bald, wird sich zeigen,
dass es sich nicht lohnt,
Menschen ohne Ausbildung, ohne Arbeit zu lassen.

Das gilt für alle, für die, die in den Vorstädten hausen,
das gilt für alle, die in den Hinterhöfen hausen,
das gilt für jene, die in Unterkünften
um eine Herdplatte oder ein Waschbecken streiten müssen
Und es gilt vor allem für die Kinder,
die Jugendlichen - für alle.

Irgendwann einmal, und das ist bald, wird sich zeigen,
dass es sich nicht lohnt,
den Menschen nicht nur die Heimat zu stehlen,
sondern auch die Identität.

Das gilt für alle, für die, die am Mittelmeer stranden,
die in Lampedusa ankommen oder umkommen,
die in Rom oder Budapest oder Weilimdorf
gejagt und verfolgt werden,
verfolgt täglich mit Blicken, weil sie besser
aussehen als die blassen Nachbarn.

Das gilt für alle, die sich in den Bahnhöfen verkriechen,
die den Tunnel nach England erreichen wollen,
für alle, die in Calais in die Hände der Polizei fallen.

Das Klima, das heute und morgen vor die Hunde geht,
das haben w i r verändert,
wir, die reichen Herren, Menschen, aber Herrenmenschen,
wir Kolonisatoren,
wir, die die Hottentotten geschlachtet haben,
die Völker des alten Amerika ausgerottet haben
mit dem Segen unserer Kirchen und Kaiser.

Wenn der Regen nicht mehr fällt,
Woche um Woche und Monat um Monat und Jahr um Jahr,
wird die Erde ohne Wasser sein.
Nichts mehr wird wachsen, kein Grashalm,
und die Tiere werden den Sand der Wüsten bedecken.

Wir, die Reichen aus dem Norden,
sind der Verantwortlichen: Es ist unser gutes Leben,
unser Wohlstand, der Eure Oasen austrocknet.

Es sind unsere Mauern, die Afrika stehen und Euch aufhalten,
wenn ihr hungert.

Was ich sage, gilt für alle, die ohne Papiere sind,
aber voller Hoffnung auf das Überleben.

Wenn wir unsere eigene Jugend in den Schulen
verkümmern lassen, in verrotteten Klassenzimmern
für die Unterklassen, ist es eine Frage der Zeit,
bis sie ihre Schulen anzünden
und die schönen Autos ihrer Eltern zerstören.

Unsere schönen Autos,
eben erworben aus der Abwrackprämie.

Irgendwann einmal werden wir glauben,
was wir sehen:
Dass eure Wälder abgeholzt sind,
dass euer Vieh verdurstet,
dass eure Eismeere schmelzen,
dass eure Wüsten wachsen.
dass eure Meere leer gefischt sind,
dass eure Kohlengruben ausgeräumt sind,
dass eure Bodenschätze längst geplündert sind
dass eure Wasser versickern
wie die so genannte Entwicklungshilfe.

Irgendwann einmal werden wir sehen,
dass die Mauern,
die wir in Nordafrika gezogen haben,
um die Flüchtlinge aufzuhalten,
immer noch zu viel niedrig sind,
und dass der Stacheldraht kein Hindernis mehr ist.
für die Hungernden.

Es ist eine Frage der Zeit,
bis die Menschen die Freiheitsrechte wieder entdecken,
die sie sich einst
gegen die Sklavenhaltergesellschaften
erkämpft haben.

Es ist eine Frage der Zeit,
bis die vollen Speicher von den Hungernden
gestürmt werden.

Das solltet ihr bedenken, ihr,
die die Bodenschätze der Welt plündern,
die die Meere leer fischen
die die Umwelt zerstören und dann Angst vor der Moschee haben.

Ihr aber,
die die Heimat verloren haben
und das Hab und Gut,
die kriechen ins Land der Deutschen,
die um Asyl betteln,

ihr, die Geflohenen und Gefolterten,
ihr mit den echten und den falschen Namen,
ihr Flüchtlinge und im Land geduldete,
die ihre Haut gerettet haben,
ihr wisst, wie schwer es ist,
gut Freund zu sein in der Fremde.

Vom Hindukusch bis in den Appenin,
von den Küsten Thailands bis zu den Gestanden
der Südländer,
aus dem Inneren der Türkei und Persiens,
aus dem Irak und dem Iran
aus Asien und Afrika

ihr kennt die großen Konzerne der weißen Männer,
die Vermögen der Bankräuber
sie haben euch in die Flucht geschlagen.

Sie haben euer Wasser gekauft für ein paar Glasperlen,
eure Äcker, Felder, Euer Saatgut,
Euer Wissen
wie weiland Columbus das Gold.

Sie heißen
Monsanto und Bayer und Weltwährungsfonds,
sie heißen deutsche Bank und Nestle.

Entwicklung ist zum neuen Heiligtum geworden.
Dafür werden Menschen, Flüsse, Regenwälder geopfert
oder jene Anbaumethoden,
die die Menschen dort 4.000 Jahre lang ernährt haben.
Was Entwicklung aufhält, muss weg.
Weg mit Moral, Ethik, Traditionen
- das ist die Ideologie des totalen Marktes, sagt Wolfgang Frommlet.

Unsere Hilfe für Euch ist bescheiden.
Wir kämpfen für das Recht, Mensch zu sein.
Und das fällt schwer.

Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität - darauf bauen wir.

Das eine ist nicht ohne das andere möglich.
Ohne Solidarität keine Gerechtigkeit,
ohne Gerechtigkeit kein Frieden.

Es sind einfache und freundliche Botschaften,
es sind unsere Botschaften.

Wir wissen, dass es auch Ihre, Eure Botschaften sind.

Deshalb kämpfen wir,
damit die Menschen begreifen,
was es heißen könnte, Mensch zu sein.

Und dass wir diesen einen Satz begreifen:

Die Erde gehört allen.

Eine gerechtere Welt ist möglich.
Dafür wünsche ich Ihnen Glück, Fantasie und Lebensmut.

Veröffentlicht am

27. September 2009

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