Anachronistisches Grundgesetz
Ähnliche Auffassungen vertreten auch die von Wagener betreuten Studierenden in ihren Seminararbeiten. Mit der Implementierung des Grundgesetzes hätten die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs die "Eindämmung Deutschlands" und die "Prävention nationaler Gewaltausübung" beabsichtigt, heißt es hier - ein Vorgang, der als "anachronistisch" ad acta gelegt wird: "Deutschland benötigt heute ein Gesetz, welches dem Kabinett bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr den Handlungsspielraum gibt, den es braucht, um schnell und umfassend auf neue Konfliktsituationen und Bedrohungsszenarien reagieren zu können." Um den Anforderungen einer umfassenden "Krisenintervention" gerecht zu werden, seien die deutschen Streitkräfte grundlegend zu "reformieren", erklärt eine studentische Arbeitsgruppe unter Leitung Wageners. Sie gibt gleichzeitig die Stoßrichtung der angemahnten Reform vor - "weg von einer zur Landesverteidigung aufgestellten, hin zu einer mobilen Armee, die für Einsätze in der ganzen Welt gewappnet ist".Martin Wagener (Hg.): Auslandseinsätze der Bundeswehr. Trier 2003.
Stützpunkte weltweit
Wie Wageners Seminarteilnehmer weiter schreiben, benötige die Bundeswehr zudem die "Fähigkeit zur Machtprojektion im Zielgebiet". Nachdem die "auszuschaltenden Ziele sicher identifiziert und lokalisiert" seien, müsse die Truppe soweit in deren Nähe gelangen, "dass eine wirksame Bekämpfung erfolgen kann". Dieses Ziel jedoch könne letztlich nur erreicht werden, wenn es Deutschland gelinge, Streitkräfte dauerhaft rund um den Globus zu stationieren: "Um im Falle einer sich zuspitzenden Krise sofort agieren zu können, wäre (…) die Schaffung eines Netzes von Abstützpunkten in allen sicherheitspolitisch relevanten Regionen der Welt ratsam, zumal Deutschland bisher nicht über Flugzeugträger verfügt, die solche Stützpunkte wenigstens teilweise kompensieren könnten."Martin Wagener (Hg.): Auslandseinsätze der Bundeswehr. Trier 2003.
Deutschland autonom
Offensiv reden Wageners Seminarteilnehmer der politisch-militärischen Expansion Deutschlands das Wort - in klarer Abgrenzung und Konkurrenz zu den USA. So fordern sie insbesondere, "Abhängigkeiten" von der "operativen Aufklärungstechnik" der "verbündeten Alliierten" - "allen voran der Vereinigten Staaten von Amerika" - zu "umgehen". Neben dem Aufklärungssystem SAR-Lupe müsse auch das zivile europäische GPS-Navigationssystem GALILEO militärisch genutzt werden, heißt es - mit dem Ziel, "den Grad der autonomen Handlungsfähigkeit zu erhöhen". Wie die studentische Arbeitsgruppe weiter ausführt, sei "ein Stück technischer Autarkie gegenüber den USA" nicht zuletzt deshalb "positiv zu bewerten", da nicht absehbar sei, "wie sehr (…) der Bundesrepublik im Ernstfall jeweils vertraut wird".Martin Wagener (Hg.): Auslandseinsätze der Bundeswehr. Trier 2003.
Medienkrieg
Wagener, der zur Zeit vor allem Kriegsszenarien für den ostasiatischen Raum entwickelt - in Kooperation mit der Bundesakademie für Sicherheitspolitik .Siehe dazu Der nächste heiße Krieg . -, ist nicht der einzige Lehrbeauftragte der Universität Trier, der die geschilderten Auffassungen vertritt. Analog zu seiner Rechtfertigung für Massaker an der afghanischen Zivilbevölkerung fordert Wageners Kollegin Cornelia Frank die Entwicklung von Methoden und Instrumenten, um die "Opfersensibilität" der deutschen Gesellschaft zu verringern.Niklas Schörnig/Cornelia Frank: Opfersensibilität westlicher Demokratien (Online-Editorial); www.readersipo.de . Bevor Frank zur Wissenschaftlichen Mitarbeiterin am Trierer Lehrstuhl für Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen avancierte, fungierte sie etliche Jahre als Wissenschaftliche Redakteurin des von der Bundeswehr herausgegebenen "Readers Sicherheitspolitik". Den deutschen Streitkräften zufolge besteht das Ziel des "Readers" darin, einen "Medienkrieg um die öffentliche Meinung" zu führen. Siehe dazu Zivil-militärischer Medienkrieg . Die von Trierer Wissenschaftlern vertretenen Ansichten legen nahe, dass die deutschen Universitäten mittlerweile gezielt in diesen "Medienkrieg" einbezogen werden.
Quelle: www.german-foreign-policy.com vom 26.05.2011.