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In der Militärlogik

Von Thomas Gebauer - Kommentar

Das Scheitern der Militärmission in Afghanistan vor Augen hat sich in der deutschen Politik Ernüchterung breitgemacht. Erstmals werden Fehler eingestanden, erstmals zeigt sich eine Kultur der Niederlage: eine Voraussetzung, um aus dem Misserfolg wenigstens für künftige Situationen lernen zu können. Aber in die Hoffnung, dass das überfällige Umdenken wirklich stattfinden wird, mischen sich Zweifel, seitdem der Militäreinsatz in Mali begonnen hat.

Der Bundestag wird sich in der kommenden Woche abschließend mit dem Mali-Mandat befassen, dem das Kabinett am Dienstag zugestimmt hat. Dabei geht es, wie 2001 im Falle Afghanistans, um die Frage der Entsendung von Soldaten und von militärischem Gerät. Man müsse handeln, schon aus Solidarität mit Frankreich, so die Bundesregierung. Angesichts des islamistischen Terrors sei militärisches Intervenieren die Pflicht eines jeden Demokraten, setzt Bernard-Henri Lévy noch eins drauf. Der Applaus, mit dem die französischen Truppen in Mali im Januar empfangen wurden, scheint ihm recht zu geben.

Warlords an die Macht gebracht

Wer die Lehren aus Afghanistan zieht, weiß aber, wie schnell die Hoffnung der Bevölkerung auf Respekt und soziale Entwicklung enttäuscht werden kann. Aufschlussreich ist etwa der Stimmungswandel der afghanischen Partner von medico, die zunächst gegen die Intervention waren, dann mit Zuversicht die deutschen Soldaten begrüßten, um schließlich mit Entsetzen feststellen zu müssen, dass nur die alten und ein paar neue Warlords an die Macht gebracht wurden.

Die Gefahr, dass sich in Mali Gleiches wiederholt, ist deshalb so groß, weil das Engagement des Auslands erneut von militärischer Logik dominiert wird. Wieder dreht sich die Debatte allein um den Sinn militärischer Mittel, nicht aber um die sozialen Nöte der Bevölkerung. Auf fatale Weise droht der Militäreinsatz von dem abzulenken, was für eine nachhaltige Friedenssicherung getan werden müsste.

Malis Probleme sind nicht vom Himmel gefallen. Sie rühren aus Zeiten, als weder die heutigen Befürworter des Militäreinsatzes noch seine friedensbewegten Gegner von dem Land sonderlich Notiz genommen haben. Es ist noch gar nicht lange her, da herrschte im Umgang mit Mali "Business as usual", und dies im Wortsinne.

Zu den Gründen, die die Konflikte im Sahel eskalieren ließen, zählt die EU-Freihandelspolitik mit ihren destruktiven Folgen beispielsweise für die malische Baumwollproduktion. Auch der Ausverkauf der nationalen Ressourcen an ausländische Investoren ist zu nennen. Mali ist der drittgrößte Goldproduzent Afrikas, aber nur 8 Prozent der Erlöse kommen der eigenen Gesellschaft zugute. Vom Land Grabbing, das in ganz Afrika zum Problem geworden ist, profitiert in Mali etwa Libyen, das mit langjährigen Verträgen die fruchtbaren Agrarflächen entlang des Nigers gepachtet hat. All das haben die herrschenden Eliten Malis zum eigenen Vorteil befördert. Der Waffenhandel, die Einflussnahmen der europäischen Grenzschutzbehörde Frontex, die aus Saudi-Arabien finanzierten islamistischen Gruppen tun das Übrige. Probleme mithin, deren Lösung gewiss internationales Engagement verlangt, aber am wenigsten die Entsendung von Truppen.

Ausgleich zwischen Regionen

Gemeinsam fordern Akteure der malischen Zivilgesellschaft, darunter auch die Partner von medico, die sich um aus Europa Abgeschobene und die Rechte von Migranten kümmern, einen "nationalen Ratschlag", um zu einem Ausgleich zwischen den Regionen zu kommen. Eine Politik der Dezentralisierung ist notwendig, um dem Kernproblem der malischen Gesellschaft, dem Konflikt zwischen Zentrum und Peripherie, der letztlich auch hinter dem "Tuareg-Problem" steht, begegnen zu können.

Offenbar gehört es zum Elend internationaler Politik, dass sie erst im Moment der Krise reagiert, die sie zuvor selbst befördert hat. Um den daraus resultierenden Legitimationsdefiziten zu begegnen, üben sich Politiker allzu gern in der Pose zupackend Handelnder. Ein Quick Impact muss her, also ein unmittelbarer Erfolg, was sich nicht mit einer aufwändigen Analyse der Hintergründe verträgt und schon gar nicht mit den langfristigen Strategien entwicklungspolitischer Experten. Militärs sollen rasch richten, was zuvor politisch vermurkst wurde. Auf absurde Weise ist es dann sogar egal, wenn - wie nun im Falle von Mali - die Bundeswehr selbst vor einem militärischen Engagement warnt.

Globale Lösungen gefragt

Wer die Hoffnungen der Malierinnen und Malier nicht enttäuschen will, muss mehr zu bieten haben als militärische Ausbildungskontingente oder Transportflugzeuge. Dringend erforderlich ist beispielsweise ein Stopp der EU-Exportsubventionen, die seit Langem schon die Existenz afrikanischer Kleinbauern bedrohen. Politik, die sich ernsthaft der Sache des Friedens widmen will, muss für gerechte wirtschaftliche Austauschverhältnisse sorgen, ohne die ein wirtschaftlich schwaches Land wie Mali keine Chance auf eigenständige sozialökonomische Entwicklung hat.

Globale Lösungen sind gefragt, bei deren Erarbeitung dem UN-Wirtschafts-und Sozialrat (Ecosoc) eine zentrale und koordinierende Rolle zufallen könnte. Der wurde 1946 gleichbedeutend mit dem UN-Sicherheitsrat eingerichtet, um über die Anhebung des allgemeinen Lebensstandards dafür zu sorgen, dass der Sicherheitsrat am besten gar nicht erst bemüht werden müsste. Leider scheint der heutigen Politik der utopische Überschwang, der bei der Gründung der UN herrschte, abhandengekommen zu sein.

Politik, die auf nachhaltige Veränderungen setzt, braucht fraglos Zeit. Zeit, die womöglich über eine Legislaturperiode hinausreicht. Vor allem aber braucht sie öffentliches Engagement und dabei auch die maßgebliche Beteiligung der Malierinnen und Malier, die als politische Akteure ernst genommen werden wollen - als Menschen, die weder nur Opfer durchgeknallter Fundamentalisten sind noch einfach nur Fähnchen schwingende Claqueure einer Militärmission, die ihnen am Ende nichts bringen wird.

Thomas Gebauer ist Geschäftsführer von medico international

Quelle:  medico international . Der Kommentar von Thomas Gebauer ist ursprünglich in der taz vom 21.02.2013 erschienen.

Veröffentlicht am

26. Februar 2013

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