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Bulldozer zerquetschen die Träume der Kinder Gazas und bauen seine Märtyrer auf

Anka Schneider versendet einen möglichst täglichen Rundbrief mit Berichten aus Palästina, meist von Augenzeugen, entweder von Aktiven der International Solidarity Movement (ISM) oder Israelis, die sich für die Palästinenser engagieren. Sie kommen entweder von der ISM oder von Dorothy Naor, von der Frauenorganisation New Profile, die sich gegen die Militarisierung Israels wendet.

Dorothy Naor schreibt am 31.05.2004:

Heute war ich in den besetzten Gebieten, wo ich ein paar Leute auf eine Tour der Dörfer und dem “Zaun” und “Mauer” im Bezirk Salfit. Wir begannen etwas später als ich es normalerweise auf solchen Ausflügen tue, weil die Leute die mitkamen aus Jerusalem anreisten.

Wenn ich Menschen auf diesen “Touren” mitnehme, weiß ich wo wir hinfahren, nicht aber alles, was wir vorfinden werden.

Heute geschahen einige unerwartete Dinge, die nicht alle erfreulich waren. Eines, das es nicht war, war die Geschichte eines jungen Mannes mit zwei gebrochenen Armen, gebrochen von vier Grenzpolizisten.

Vor zwei Wochen wollte er in “Israel” Arbeit suchen, ohne einen Passierschein, und wurde auf einer Siedlungsstraße geschnappt, die eine Abzweigung zu einer Grenzstelle hat. Die Grenzpolizei schnappte den jungen Mann dort wo die zwei Wege sich trennen, an einem Kreisverkehr oben auf dem Berg, und fingen praktisch sofort an, ihn zu schlagen.

Als er sie fragte, warum sie das täten, antworteten sie ihm, sie würden ihm schon beibringen, wie man mit Grenzpolizisten spricht, und schleppten ihn auf ein abgelegenes Feld in der Siedlung. Dort schlugen sie seinen ganzen Körper mit Stöcken und Gewehren. Er musste am Kopf genäht werden. Sein Auge war zugeschwollen, aber sonst nicht geschädigt. Ein Arm ist an einer Stelle gebrochen, der andere an zwei. Nachdem er 1/2 Stunde fast bewusstlos lag, hat ihn ein Palästinenser auf einem Karren mitgenommen zur Klinik in Bidia, wo er versorgt wurde. Sie entdeckten aber nicht das Ausmaß des Schadens an den Armen. So mussten sie diese Woche wieder gebrochen und geschient werden.

Ich erzähle diese Details, weil sie, wie der untenstehende Bericht, zeigen, wie wenig Moral noch unter der Grenzpolizei und der IDF zu finden sind, da sie immer tiefer runterrutschen auf dem sprichwörtlich glatten Hang der Moral.


Die Jungen werden Obdachlos, weil Israel seine Pufferzone erweitert.

Bulldozer zerquetschen die Träume der Kinder Gazas und bauen seine Märtyrer auf

Von Lindsey Hilsum in Gaza

Ahmed war nur 12, doch er wollte ein “Militanter” werden. Ein dünner Knabe der leicht lacht und der sich bei maskierten Männern in den labyrinthischen Gassen des Rafah Flüchtlingslagers aufhielt und versuchte, sie zu beeindrucken mit einem metallenen Rohr, das er wie eine von der Schulter abzuschießenden Rakete trug.

Er und seine Freund Mohammed spielten Schießereien und gingen dann auf die Straße um es in Wirklichkeit zu tun, bauten selbstgemachte Handgranaten aus Nägeln, Schwefel, Zucker und Kohle, um sie auf israelische Soldaten und Siedler zu werfen.

Najla, 16, ihr rundes Gesicht von einem weißen Tuch umrahmt, studierte eifrig und träumte davon, Rechtsanwältin zu werden, “damit ich den Menschen Gerechtigkeit geben kann”.

Sechs ihrer jungen Verwandten sind während ihres Lebens getötet worden, als die israelischen Truppen immer wieder durch Gaza trieben. “Sie starben alle traurig”, sagte sie.

Das war im vergangen Jahr, als Ahmed und Najla gezeigt wurden in dem Dokumentarfilm Tod in Gaza, der vorige Woche auf Kanal 4 lief, über Kinder unter der israelischen Besatzung. In den letzten Wochen, während Israel seine größte Operation in Rafah seit Jahrzehnten eröffnete, haben beide Kinder ein neues Trauma erlebt, indem sie obdachlos wurden.

Während Premier Sharon versucht, seinen Plan für einen stufenweisen Rückzug aus den 21 jüdischen Siedlungen in Gaza durchzusetzen, schickte er erst die IDF nach Rafah, um militante Palästinenser zu fangen und Schmugglertunnel zu finden und die Pufferzone zu verbreiten an der ägyptischen Grenze, die Israel auch kontrollieren wird, wenn sie sich aus den Siedlungen zurückgezogen hat.

Ajmed und Najla sind unter den etwa 2000 Palästinensern, die ihr Zuhause während Israels “Operation Regenbogen” verloren haben. UN-Beamte sagen, die IDF habe 167 Häuser in diesem Monat demoliert.

Ahmeds Familie schläft nun in einer Schule, Najla ist bei ihrem Onkel. Alles in ihren jüngsten Erfahrungen bestätigt die Propagandabotschaften von Hamas und Islamischer Dschihad, die Gruppen, die Selbstmordattentäter nach Israel sendet. “Die Juden lieben Zerstörung und das Töten von Menschen”, sagte Najla.

Im Film war Ahmed unzertrennlich von seinem Freund Mohammed, aber jetzt sind sie getrennt. “Ich weiß nicht, wo Mohammeds Familie hinging. Ihr Haus wurde zerstört. Sie könnten nach Brazil Camp oder Sultan gegangen sein, wo ihre Verwandten sind”, sagte Ahmed, auf den Trümmern des Block O sitzend, die Gegend wo er früher wohnte.

Ahmed scheint wenig an materiellem Besitz zu hängen. “Es gab vieles, das ich nicht rausholen konnte”, sagte er, und beschrieb wie die Bulldozer in sein Haus mitten in der Nacht kamen. “Mein Videospiel, meine Bücher, meine Hefte, meine Fotos”.

Seine Sorge gilt seiner Familie. Ich musste kämpfen darum, meine Brüder rauszuholen. Wir gingen um Mitternacht ins Bett. Sie schliefen fest und ich musste sie wecken.

Ahmed hat die Sprache der Militanten aufgenommen. Alle Palästinenser, die sterben, sind Schahid (Märtyrer), aller Israelis sind Yehuda (Juden), alle Juden sind Feinde.

In dieser Kultur des Todes rennen Kinder, um Körperstücke zu sammeln, wenn Israel die Militanten bei Raketenangriffen ermorden. Jungen drängen sich um die Leiche bei den täglichen Beerdigungen, 12-jährige streben danach, für Palästina zu sterben.

Zwei von Ahmeds Freunden sind “Märtyrer” geworden - einer direkt vor ihm, als sie Steine auf einen Panzer warfen.

Die zertrümmerten Straßen von Rafah sind bedeckt mit schlechten Plakaten von jungen Männern und Jungen mit Waffen, die neben der goldenen Kuppel der alAqsa-Moschee in Jerusalem stehen - “Märtyrer”. Graffiti verkünden mörderische Triumphe: “Die al-Aqsa Märtyrerbrigade feiert die Bombe in al-Quds. Wir haben sieben Juden getötet”.

Amnesty International berichtet, palästinensische Militanten hätten im vergangenen Jahr 21 israelische Kinder getötet, während israelische Truppen mehr als 100 junge Palästinenser getötet haben. Ärzte in Rafah berichten dass 12 Kinder in der “Operation Regenbogen” getötet wurden.

Ahmed sagt, er arbeitet nicht mehr als Späher für die Militanten, sie sind aber nach wie vor seine Helden. Während des Filmens befreundete er sich mit dem Regisseur, James Miller. Aber am 2. Mai vergangen Jahres, als der Fernsehmann aus Najla’s Haus heraustrat, wurde Miller in den Kopf getroffen von einem israelischen Soldat.

Ein Jahr später sagt Ahmed. “Ich denke viel an James. Er kam her, um uns zu verteidigen. Er filmte mich auf der Straße beim Fußballspiel. Nach Millers Tod beschloss Ahmed, dass er, lieber als Militant zu werden, ein Kameramann werden möchte, wenn er erwachsen ist. Jetzt ist er sich nicht mehr sicher.

Nachdem ich all diesen Schaden gesehen habe, weiß ich nicht, was ich werden soll. Vielleicht Arzt. Aber ich sage mir immer wieder, ich könnte morgen getötet werden. Alle Brüder wollen Märtyrer werden.”

Najla will zur Zeit auch Märtyrin werden, manchmal trägt sie nicht nur ein Kopftuch, sondern ein schwarzes Tuch, das nur Schlitze für ihre hellbraunen Augen lässt.

Ihre Familie hat ihr Heim verlassen, als sie Gerüchte hörte, dass die Bulldozer unterwegs seien - und kam am nächsten Tag wieder, um es in Trümmern zu finden. Zunächst schliefen sie in einem Zelt in den Olivenhainen des Onkels, aber als “Operation Regenbogen” immer weiter gingen, begannen israelische Panzer und Bulldozer die Olivenbäume abzureißen, so zogen sie ins Haus.

Ein Panzer steht nun gegenüber und andere bewegen sich drohend die Straße auf und ab. Najla macht sich Sorgen, dass das Haus ihres Onkels als nächstes demoliert wird. Sie hat ihre Schulbücher verloren, kann sich schlecht konzentrieren und hat drei Prüfungen verpasst, aber sie träumt immer noch davon, Anwältin zu werden.

Es ist wegen der Dinge, die die Juden tun”, sagt sie. Sie lügen im Fernsehen, weil sie sagen, dass Widerstandskämpfer auf sie schießen, wo es keine Widerstandskämpfer gibt. Sie zerstören Häuser und tun, als gäbe es Tunnel, aber es gibt keine Tunnel. Sie töten Kinder. Sie sagen nie die Wahrheit.

Es gibt wenig, was man gegen Najlas Gefühle sagen kann. Die Zerstörung ihres Hauses lässt sie erneut trauern um ihre Cousins/Cousinen, die in einer Reihe von Vorfällen mit israelischen Soldaten zu Tode kamen. “Mir fehlt der Hof vor dem Haus, wo ich früher mit den Cousinen gespielt habe”, sagt sie. Ich bin da immer gerne hingegangen, weil es mir die Erinnerung an sie brachte. Wir lebten zusammen, aber sie wurden Märtyrer.”

Wie Ahmed gebraucht sie die Sprache der Militanten. “Ich möchte Märtyrerin werden”, sagt sie. “Dies ist kein Leben und sie haben uns die Kindheit gestohlen. Die Juden haben Hass in unsere Herzen gepflanzt seitdem ich klein war. Wofür kann man leben? Unsere Häuser sind zerstört, sie haben uns das Land genommen. Sie haben alles genommen, was schön war in unserem Leben. Welchen Sinn hat es, zu leben?”

Israelische Hubschrauberraketen trafen heute ein Motorrad in Gaza City und töteten drei Menschen, darunter ein hoher Hamas Kommandant und sein Assistent, sagten Zeugen. Sieben andere wurden verletzt in dem Angriff im Zeitoun Distrikt.

Lindsey Hilsum ist internationaler Redakteur (-in?) von Channel 4 Nachrichten (BBC)

Quelle: Brief-aus-Israel vom 27.05.2004. Übersetzung des Artikels aus dem Englischen: Anka Schneider, leichte Bearbeitung von Michael Schmid.

Der Brief-aus-Israel ist ein möglichst täglicher Rundbrief von Anka Schneider mit Berichten aus Palästina, meist von Augenzeugen, entweder von Aktiven des International Solidarity Movement oder von Israelis, die sich für die Palästinenser engagieren. Die Berichte kommen entweder von der ISM oder von Dorothy Naor, von der Organisation New Profile , die sich gegen die Militarisierung Israels wendet. Wer die Berichte regelmäßig erhalten möchte, sende eine leere Email an: Brief-aus-Israel-subscribe@yahoogroups.de . Auf der Lebenshaus-Website veröffentlichen nicht alle, aber immer wieder einmal einzelne Berichte.

Veröffentlicht am

31. Mai 2004

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