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Die “Normalität” des Kriegsgeschehens: Zahl der Kriege konstant geblieben

Das Kriegsgeschehen des Jahres 2004: Allgemeine Trends

Nach Untersuchungen der Hamburger Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) wurden im Jahr 2004 weltweit 42 Kriege und bewaffnete Konflikte geführt. Gegenüber dem Vorjahr hat sich diese Zahl damit nicht verändert. 1 Allerdings wurden sieben kriegerische Konflikte beendet und ebenso viele neu begonnen.

Beendet wurden die beiden Kriege in Liberia und der Zentralafrikanischen Republik. Gleiches gilt für die bewaffneten Konflikte in Kongo-Brazzaville und Mazedonien, auf den Salomonen und Sri Lanka sowie zwischen Indien und Pakistan. Neue kriegerische Konflikte waren in Jemen, im kurdischen Teil der Türkei, im Süden Thailands, in Haiti, in Äthiopien, in der georgischen Region Südossetien und zwischen muslimischen und christlichen Milizen in Nigeria zu verzeichnen.

Die von organisierten Kämpfen am stärksten betroffenen Weltregionen sind zwar nach wie vor Asien und Afrika mit 15 bzw. 13 kriegerischen Konflikten. Mit 11 Kriegen und bewaffneten Konflikten weist aber auch der Vordere und Mittlere Orient eine große Anzahl kriegerischer Auseinandersetzungen auf. In Lateinamerika waren drei kriegerische Konflikte zu verzeichnen. Damit bestätigt sich auch im Jahr 2004 die regionale Ungleichverteilung des weltweiten Kriegsgeschehens: Weit über 90 Prozent aller Kriege seit 1945 fanden in der “Dritten Welt” statt.

Dabei spielen der Kampf um die Macht im Staat und Sezessionsbestrebungen die
Hauptrolle. Diese innerstaatlichen Kriege dominieren das Kriegsgeschehen der letzten 50 Jahre. Zwischenstaatliche Auseinandersetzungen wie zuletzt der Irakkrieg und der bewaffnete Konflikt zwischen Indien und Pakistan dagegen bilden die Ausnahme.

Das Kriegsgeschehen des Jahres 2004: Überblick

Wie im Vorjahr hat sich die öffentliche Aufmerksamkeit auch im zuende gehenden Jahr vor allem auf den Krieg im Irak konzentriert. Die von vielen vorausgesagte Eskalation nach dem Ende der Hauptkampfhandlungen zwischen März und Mai 2003 hat sich im Jahr 2004 fortgesetzt. Dabei kämpfte eine Vielzahl von bewaffneten Gruppierungen gegen die Besatzungstruppen unter Führung der USA bzw. gegen die von diesen eingesetzte irakische Übergangsregierung.

Die gravierendste humanitäre Krise weltweit wies 2004 die sudanesische Region Darfur auf. Der dortige Krieg hatte zu Beginn des Jahres 2003 begonnen. International wurde vor allem diskutiert, inwieweit die Ermordungen und Vertreibungen der Bevölkerung in Darfur einen Völkermord darstellen. Umgekehrt proportional zu diesem schwerwiegenden Vorwurf steht das Vorgehen der internationalen Gemeinschaft, die sich bisher nicht auf ein Waffenembargo gegen die Kriegsparteien einigen konnte.

Zwei Kriege konnten im Jahr 2003 beendet werden. In der Zentralafrikanischen
Republik wurden die Kämpfe durch einen militärischen Sieg der Rebellen unter General François Bozizé im März 2003 beendet. In Liberia dagegen führten neben militärischen Erfolgen der beiden Rebellenbewegungen LURD und MODEL auch massiver diplomatischer Druck zu Rücktritt und Exil von Präsident Charles Taylor im August 2003. Seither wird eine Übergangsregierung von einer fast 15.000 Mann umfassenden UN-Blauhelmmission unterstützt. Bei den fünf 2003 beendeten bewaffneten Konflikten in Kongo-Brazzaville, Mazedonien, auf den Salomonen und Sri Lanka sowie zwischen Indien und Pakistan handelte es sich um frühere Kriege, bei denen Zahl und Intensität der Kampfhandlungen bereits in den Vorjahren schrittweise zurückgegangen waren und die im Jahr 2004 nicht mehr als Krieg oder bewaffneter Konflikt einzustufen waren.

Neben dem Krieg im sudanesischen Darfur wurden in Afrika noch 12 weitere
kriegerische Konflikte ausgetragen. Neu waren dabei Unruhen und bewaffnete
Auseinandersetzungen in der äthiopischen Gambela-Region in den ersten Monaten des Jahres zu verzeichnen. Von den anderen Schauplätzen kriegerischer Auseinandersetzungen im östlichen Afrika (Somalia und Uganda) und dem an den Sudan grenzenden Tschad waren zwar positive Entwicklungen, bislang aber keine entscheidenden Veränderungen zu berichten.

Auch die Konflikte im zentralen und südlichen Afrika (Kongo-Kinshasa, Burundi und Angola) wiesen im Wesentlichen keine Unterschiede zu den Vorjahren auf, wobei die Folgen des Eindringens ruandischer Truppen in den Kongo Anfang Dezember noch nicht absehbar sind. In der Côte d’Ivoire herrschte über weite Teile des Jahres ein “eingefrorener” Kriegszustand, der im Herbst nochmals für wenige Tage zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Regierungsseite und den französischen Überwachungstruppen führte. Im übrigen Westafrika wurde der bewaffnete Konflikt im Senegal fortgeführt und die Lage in Nigeria erwies sich einmal mehr als instabil, indem sich - zusätzlich zum andauernden Konflikt im Niger-Delta - nach über einjähriger Pause - erneut muslimische und christliche Milizen bekämpften.

Von den 15 kriegerischen Konflikten in Asien wurden allein sechs in Indien
ausgetragen. Der Kaschmirkrieg im Nordwesten Indiens ist von diesen ohne Zweifel der bekannteste. Aber auch im Osten des Landes kämpfen verschiedene Rebellengruppen für eine Sezession vom Zentralstaat. Die größte Dynamik wies 2004 der so genannte Naxaliten-Konflikt auf, in dem mehrere “maoistische” Rebellengruppen für eine Veränderung des politischen Systems kämpfen. Diese Gruppen konnten ihr Operationsgebiet 2004 deutlich vergrößern. Im benachbarten Königreich Nepal wurden intensive Kampfhandlungen zwischen den ebenfalls “maoistischen” Aufständischen und der Regierung geführt.

Neu zu verzeichnen waren im Jahr 2004 Anschläge muslimischer Rebellen im Süden Thailands. Im Verlauf des Konflikts wurde vereinzelt auch von Kampfhandlungen mit thailändischen Sicherheitskräften berichtet. Unverändert fortgesetzt wurden die bewaffneten Auseinandersetzungen auf den Philippinen und in Indonesien, in Myanmar (Birma) und Laos sowie zwischen militanten Sunniten und Schiiten in Pakistan.

Der Vordere und Mittlere Orient wies dieses Jahr mit drei neuen Konflikten die größte zahlenmäßige Veränderung im weltweiten Kriegsgeschehen auf: In Jemen fanden von Mitte Juni bis Mitte September intensive Kämpfe zwischen einer islamistischen Gruppe und Regierungstruppen statt. Im Südosten der Türkei wurde die kurdische Gruppierung Kongra-Gel aktiv, nachdem der Krieg des türkischen Staates mit der Vorläuferorganisation PKK 2001 beendet worden war. In Georgien wurden neben dem Dauerkrisenherd Abchasien auch aus Südossetien über Kampfhandlungen berichtet.

Im Palästina-Konflikt standen trotz weiterhin verübter Selbstmordanschläge und
militärischen Übergriffen Israels politische Ereignisse im Vordergrund des öffentlichen Interesses. Für den weiteren Verlauf des Konfliktes bleibt insbesondere abzuwarten, wie groß die Zäsur auf palästinensischer Seite durch den Tod von Jassir Arafat ist.

Ohne jegliche Aussicht auf eine Lösung erwies sich auch 2004 der Konflikt zwischen tschetschenischen Rebellen und der russischen Armee. In Afghanistan haben die Kampfhandlungen im Vergleich zu den Vorjahren weiter zugenommen. Wenig Veränderung gab es dagegen bei den bewaffneten Auseinandersetzungen in Algerien und Libanon.

Mit Haiti war in Süd- und Mittelamerika war erstmals seit Jahren wieder ein neuer kriegerischer Konflikt zu verzeichnen. Dieser führte zu Beginn des Jahres 2004 zum Exil des Präsidenten Bertrand Aristide. Ohne wesentliche Veränderungen blieben die Auseinandersetzungen in Kolumbien zwischen zwei “linksgerichteten” Rebellengruppierungen und der Regierung.

Quelle: Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung , Universität Hamburg, Pressemitteilung vom 13.12.2004.

Anmerkung:

1 AKUF-Kriegsdefinition: “Krieg” definiert die AKUF in Anlehnung an den ungarischen Friedensforscher István Kende (1917-1988) als einen “gewaltsamen Massenkonflikt, der alle folgenden Merkmale ausweist: (a) an den Kämpfen sind zwei oder mehr bewaffnete Streitkräfte beteiligt, bei denen es sich mindestens auf einer Seite um reguläre Streitkräfte (Militär, paramilitärische Verbände, Polizeieinheiten) der Regierung handelt; (b) auf beiden Seiten muss ein Mindestmaß an zentralgelenkter Organisation der Kriegführenden und des Kampfes gegeben sein, selbst wenn dies nicht mehr bedeutet als organisierte bewaffnete Verteidigung oder planmäßige Überfälle (Guerillaoperationen, Partisanenkrieg usw.); © die bewaffneten Operationen ereignen sich mit einer gewissen Kontinuität und nicht nur als gelegentliche, spontane Zusammenstöße, d.h. beide Seiten operieren nach einer planmäßigen Strategie, gleichgültig ob die Kämpfe auf dem Gebiet eines oder mehrerer Gesellschaften stattfinden und wie lange sie dauern.” Kriege gelten als beendet, soweit Kampfhandlungen dauerhaft, d.h. für mindestens ein Jahr, eingestellt bzw. nur unterhalb der Schwelle der AKUF-Kriegsdefinition fortgesetzt werden.

Bei einem “bewaffneten Konflikt” handelt es sich um gewaltsame Auseinandersetzungen, bei denen die Kriterien der Kriegsdefinition nicht in vollem Umfang erfüllt sind.

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Hinweis:

  • Mit anderen Definitionen von “Krieg”, “Konflikt”, etc. kommt das “Konfliktbarometer 2004” des Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung zu abweichenden Ergebnissen gegenüber AKUF. Einig sind sich die Wissenschaftler beider Institutionen darin, dass die Gesamtzahl der kriegerischen Konflikte gleich geblieben sei.

Veröffentlicht am

16. Dezember 2004

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