Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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UNICEF-Jahresbericht: Fast jedes zweite Kind auf der Welt ist arm

Nach neuesten Schätzungen des UN-Kinderhilfswerks UNICEF leben weltweit mehr als eine Milliarde Mädchen und Jungen in Armut. UNICEF weist in seinem Jahresbericht “Zur Situation der Kinder in der Welt 2005” darauf hin, dass nahezu jedem zweiten Kind grundlegende Dinge zum Überleben und zu seiner Entwicklung fehlen: sauberes Trinkwasser, ausreichende Nahrung, medizinische Hilfe, Schulunterricht oder ein Dach über dem Kopf. In zahlreichen Ländern verschärfen Staatszerfall, Bürgerkriege und AIDS die Armut noch und zerstören wichtige Errungenschaften für Kinder.

Laut dem Jahresbericht von UNICEF “Zur Situation der Kinder in der Welt 2005” sind 90 Millionen Kinder unter fünf Jahren stark mangelernährt, 270 Millionen haben nicht einmal die einfachste Gesundheitsvorsorge und rund 400 Millionen kein sauberes Trinkwasser. Mehr als 640 Millionen Kinder hätten kein richtiges Dach über dem Kopf und 121 Millionen im Grundschulalter besuchten keine Grundschule. Die materielle Armut behindere oft die geistige Entwicklung und das körperliche Wachstum. Kinder in Teilen Afrikas haben laut UNICEF heute eine geringere Lebenserwartung als ihre Eltern oder Großeltern.

Neben der allgemeinen Armut sind Kinder zunehmend Opfer von Kriegen, Bürgerkriegen und Terror. 16 der 20 ärmsten Länder in der Welt waren in den vergangenen Jahren Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen. Seit 1990 sind nach Schätzungen 1,6 Millionen Kinder in Kriegen getötet worden. Hunderttausende Kinder werden als Soldaten missbraucht, die meisten in Afrika und Asien. Junge Mädchen werden Opfer von Vergewaltigung, Verstümmelung, Missbrauch und Versklavung.

Dramatisch sind auch die Auswirkungen der Aids-Epidemie auf Kinder. Allein im südlichen Afrika ist laut UNICEF die Zahl der Aids-Waisen von 1990 bis 2003 von einer auf mehr als zwölf Millionen gestiegen. Bis zum Ende des Jahrzehnts rechnet das UN-Kinderhilfswerk mit 18 Millionen Aids-Waisen in der Region.

Die sozialen Unterschiede sind laut UNICEF in den vergangenen Jahren nicht nur zwischen Nord und Süd, sondern auch innerhalb der Staaten gewachsen. So profitierten große Teile der Bevölkerung Chinas und Indiens bisher kaum vom Wirtschaftswachstum. Auch in den Staaten Osteuropas und der ehemaligen Sowjetunion wächst laut UNICEF jedes dritte Kind in Armut auf.

Auch in den wohlhabenderen Ländern nimmt die relative Kinderarmut weiter zu. Dabei gilt als Bemessungsgrundlage der Anteil der Kinder, deren Familien mit weniger als der Hälfte des Durchschnittseinkommens auskommen müssen. In Deutschland stieg dieser Anteil laut UNICEF zwischen 1990 und 2000 von gut vier auf neun Prozent. Mehr als eine Million Jungen und Mädchen leben hierzulande von Sozialhilfe. Kinder aus armen Familien seien häufiger krank und hätten schlechtere Bildungschancen, stellt das Kinderhilfswerk fest.

Der stellvertretende UNICEF-Exekutivdirektor Kul Gautam appellierte zusammen mit den Musikern und UNICEF-Botschaftern Harry Belafonte und Lang Lang an die Regierungen, Kinder in den Mittelpunkt der Armutsbekämpfung zu rücken. Um die Lage der Kinder zu verbessern, seien 40 bis 70 Milliarden US-Dollar (45,3 bis 79,2 Milliarden Euro) im Jahr für Bildung, medizinische Versorgung und Aufklärung gegen die Aids-Ausbreitung nötig. Zum Vergleich: Die weltweiten Rüstungsausgaben im vergangenen Jahr betrugen 956 Milliarden Dollar (1,08 Billionen Euro).

Unter Hinweis auf den deutschen Wunsch nach einer stärkeren Rolle im UN-Sicherheitsrat forderte Gautam die Bundesregierung auf, sich weltweit für einen “Marshall-Plan für Kinder” einzusetzen nach dem Muster der internationalen Hilfe für den Wiederaufbau Deutschlands nach dem Krieg. Deutschland liegt mit fünf Millionen Euro Beitrag im Jahr nur an 16. Stelle der UNICEF-Geberländer.

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Wir dokumentieren hier Auszüge aus der Zusammenfassung des UNICEF-Jahresberichts “Zur Situation der Kinder in der Welt 2005”.

Die Welt hat ihre Kinder vergessen

Mehr als eine Milliarde Mädchen und Jungen auf der Welt leben in Armut. Ihnen fehlen grundlegende Dinge wie sauberes Trinkwasser oder ausreichende Nahrung, medizinische Versorgung, Schulunterricht oder ein Dach über dem Kopf. Dies bedeutet: Jedes zweite Kind in den Entwicklungsländern hat eine Kindheit, die diesen Namen nicht verdient. Armut gefährdet nicht nur die körperliche Entwicklung der Kinder. Sie macht sie auch schutzlos und beraubt sie elementarer Rechte. Für Millionen Heranwachsende gehören Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch zum Alltag. Die weltweite Aids-Epidemie und kriegerische Konflikte treffen gerade die ärmsten Kinder und Jugendlichen am härtesten.

Der UNICEF-Jahresbericht “Zur Situation der Kinder in der Welt 2005” zeigt, wie sich die Auswirkungen von Armut, Kriegen und Aids wechselseitig verstärken und in zahlreichen Ländern wichtige soziale Fortschritte für Kinder zunichte machen. UNICEF ruft mit seinem Jahresbericht zur Umsetzung der so genannten Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen auf. Dies würde die Lage der Kinder bereits entscheidend verbessern. Zwischen 40 bis 70 Milliarden US-Dollar pro Jahr wären nötig, um die Kinder- und Müttersterblichkeit drastisch zu reduzieren, allen Kindern einen Schulbesuch zu ermöglichen, die Wasserversorgung zu verbessern und die Ausbreitung von AIDS zu stoppen. Zum Vergleich: die weltweiten Rüstungsausgaben allein lagen im Jahr 2003 bei 956 Milliarden US-Dollar.

Zahlen und Fakten:

  • Schätzungsweise 90 Millionen Kinder unter fünf Jahren sind stark mangelernährt. Ihre gesamte körperliche und geistige Entwicklung wird dadurch beeinträchtigt.
  • Rund 400 Millionen Kinder haben kein sauberes Trinkwasser. Mehr als 500 Millionen Kindern stehen nicht einmal einfachste sanitäre Einrichtungen zur Verfügung.
  • Rund 270 Millionen Kinder haben keinerlei Zugang zu Gesundheitsfürsorge. Schätzungsweise 2,2 Millionen Kinder sterben jedes Jahr, weil sie nicht die notwendigen Schutzimpfungen erhalten.
  • Mehr als 121 Millionen Kinder im Grundschulalter gehen nicht zur Schule. Die meisten davon sind Mädchen.
  • Seit 1990 wurden 1,6 Millionen Kinder bei kriegerischen Auseinandersetzungen getötet. Mehr als 20 Millionen Kinder wurden aus ihrer Heimat vertrieben. In einem Krieg mit fünf Jahren Dauer steigt im Durchschnitt die Kindersterblichkeit um 13 Prozent an.
  • 15 Millionen Kinder haben einen oder beide Elternteile durch Aids verloren. Acht von zehn dieser Waisen leben in Afrika südlich der Sahara. Es gibt weltweit heute etwa genauso viele Aidswaisen wie Kinder in Deutschland.

Aufwachsen in Armut

Massive Armut ist heute die größte Bedrohung für das Überleben und die Entwicklung von Kindern. Arme Kinder in den Entwicklungsländern durchleben eine Kindheit voller Entbehrungen und Gefahren. Sie sind häufig schlecht ernährt und leiden an Krankheiten, gleichzeitig erhalten sie selten medizinische Hilfe. Sie leben in unzureichenden Wohnverhältnissen, gehen oft nicht zur Schule und müssen bereits in jungem Alter hart arbeiten. Viele werden wirtschaftlich und sexuell ausgebeutet. Mädchen aus armen Familien sind besonders benachteiligt. Aber auch in wohlhabenden Ländern beeinträchtigt relative Armut die Lebenschancen von immer mehr Kindern.

Geldmangel ist nur ein Aspekt von Kinderarmut. Um die schwierigen Lebensbedingungen armer Kinder besser zu verstehen, definiert UNICEF Kinderarmut als “massiven Mangel” in zentralen, für das Überleben und die Entwicklung wichtigen Bereichen: “Kinder, die in Armut leben, erfahren einen Mangel an materiellen, geistigen und emotionalen Ressourcen, die sie zum Überleben und zu ihrer Entwicklung benötigen, so dass sie ihre Rechte nicht wahrnehmen, ihr Potenzial nicht entfalten und nicht als gleichberechtigte Mitglieder an der Gesellschaft teilnehmen können.”

Diese Definition berücksichtigt, dass materielle, geistige und seelische Armut für Kinder miteinander verbunden sind. Materielle Armut - das Fehlen eines nahrhaften Frühstücks, der Zwang, schwer arbeiten zu müssen - behindert die geistige Entwicklung ebenso wie das körperliche Wachstum. Gleichzeitig kann auch ein Kind, das in relativem Wohlstand aufwächst, im Vergleich zu seinen Altersgenossen “arm” sein - zum Beispiel, wenn es nicht gefördert wird oder keine emotionale Zuwendung erfährt.

Mehr als eine Milliarde Kinder, also über die Hälfte aller Kinder in den Entwicklungsländern, leiden gemäß dieser Definition unter mindestens einer Form “massiven Mangels”. Rund 700 Millionen Kinder leiden sogar unter massiven Entbehrungen in gleich zwei oder drei Bereichen, die sich gegenseitig verstärken.

Nahrungsmangel: Über 16 Prozent der Kinder unter fünf Jahren in den Entwicklungsländern sind stark mangelernährt. Fast die Hälfte dieser 90 Millionen Kinder lebt in Südasien. Viele leiden an Blutarmut und sind häufig krank. Fast alle wurden bereits untergewichtig geboren. Falls sie je eine Schule besuchen, werden viele aufgrund der Entwicklungsstörungen durch Mangelernährung Lernschwierigkeiten haben. Diese Kinder werden wahrscheinlich ihr Leben lang zu den Ärmsten der Armen gehören.

Wassermangel: 400 Millionen Kinder haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. In Ländern wie Äthiopien, Ruanda oder Uganda haben vier von fünf Kindern entweder nur Oberflächenwasser zur Verfügung oder müssen länger als eine Viertelstunde laufen, um zu einer halbwegs sicheren Wasserquelle zu gelangen. Auf dem Land ist die Wassernot am größten. Verschmutztes Trinkwasser ist einer der Hauptgründe für Krankheiten. Wassermangel beeinträchtigt aber auch die Bildungschancen. Kinder, die jeden Tag weite Strecken laufen müssen, um Wasser zu holen, können in der Regel nicht zur Schule gehen.

Fehlende Sanitäreinrichtungen: Mehr als 500 Millionen Kinder haben nicht einmal einfache Latrinen oder Toiletten zur Verfügung. Gerade in ländlichen Regionen, wo oft nicht einmal das Grundwissen über tägliche Hygiene und den Zusammenhang mit Krankheiten bekannt ist, leiden die Kinder besonders. Ihre Überlebenschancen sind deutlich schlechter. Millionen Schulkinder sind durch Wurmerkrankungen chronisch in ihrer Lernfähigkeit beeinträchtigt.

Fehlende Gesundheitsversorgung: Rund 270 Millionen Kinder, also mehr als 14 Prozent aller Kinder in den Entwicklungsländern, haben keinen Zugang zu Gesundheitsdiensten. In Südasien und in Afrika südlich der Sahara erhält jedes vierte Kind nicht die sechs wichtigsten Impfungen und wird nicht behandelt, wenn es an Durchfall erkrankt.

Fehlende Unterkunft: Mehr als 640 Millionen Kinder haben kein richtiges Dach über dem Kopf. Wiederum ist die Lage in Afrika südlich der Sahara am schwierigsten. Aber auch in Südasien und im Nahen Osten sowie in Nordafrika fehlt es Familien an geeignetem Wohnraum.

Mangel an Bildung: Mehr als 121 Millionen Kinder im Grundschulalter gehen nicht zur Schule, Mädchen sind dabei besonders benachteiligt. Beispielsweise gehen in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara 32 Prozent der Mädchen nicht zur Schule - gegenüber 27 Prozent der Jungen. In Nordafrika werden auf dem Land 34 Prozent der Mädchen nicht eingeschult, gegenüber 12 Prozent der Jungen. In Südasien liegt dieses Verhältnis bei 25 zu 14 Prozent.

Informationsdefizite: Über 300 Millionen Kinder in den Entwicklungsländern haben keinen Zugang zu Informationen und damit zu Bildung im weiteren Sinn. Sie können weder fernsehen noch Radio hören, haben kein Telefon und keine Zeitungen zur Verfügung. Sie können sich weder über ihre Rechte informieren, noch sich gesellschaftlich engagieren.

Relative Kinderarmut in wohlhabenden Ländern:

Kinder in wohlhabenden Ländern leiden nicht unter den gleichen Entbehrungen wie ihre Altersgenossen in den Entwicklungsländern. Trotzdem leben auch hier immer mehr Kinder in relativer Armut. In elf von 15 OECD-Staaten, für die vergleichbare Daten vorliegen, ist der Anteil der Kinder in Familien mit weniger als der Hälfte des Durchschnittseinkommens im vergangenen Jahrzehnt beachtlich gestiegen. Zu Anfang dieses Jahrhunderts lag nur in Finnland, Norwegen und Schweden der Anteil der Kinder in relativer Armut unter fünf Prozent. Allein in Deutschland stieg zwischen 1990 und 2000 der Anteil relativ armer Kinder von 4,1 auf 9,0 Prozent. Heute leben in Deutschland über eine Million Jungen und Mädchen von Sozialhilfe. Viele von ihnen haben häufiger Schulprobleme als andere Kinder und schlechtere Chancen auf eine qualifizierte Ausbildung.

Kinder im Krieg

In 16 der 20 ärmsten Länder der Erde fanden in den vergangenen 15 Jahren kriegerische Auseinandersetzungen statt. Diese verschärften die Armut der Bevölkerung und beschleunigten die Ausbreitung von Aids. Zwischen 1990 und 2003 gab es 59 größere bewaffnete Konflikte. Die große Mehrzahl waren Bürgerkriege, nur vier fanden zwischen Staaten statt.

Der neuartige Charakter der heutigen Kriege, bei denen statt Armeen meist Milizen- und Rebellengruppen gegen andere bewaffnete Einheiten kämpfen, hat dazu geführt, dass heute 90 Prozent der Kriegsopfer Zivilisten sind. Seit 1990 wurden schätzungsweise 1,6 Millionen Kinder in Kriegen getötet. Minen, Blindgänger und nicht explodierte Streumunition gefährden auch nach Kriegsende die Bevölkerung. Allein in der irakischen Hauptstadt Bagdad gibt es über 800 mit Sprengstoffen verseuchte Gebiete.

Durch Kriegshandlungen und anschließende Plünderungen wird vielfach mit den Krankenhäusern, Kindergärten und Schulen im Kriegsgebiet die soziale und medizinische Infrastruktur zerstört. Und Kinder werden selbst zur Zielscheibe von Terroraktionen, wie die Geiselnahme in der Stadt Beslan in Nord-Ossetien im September 2004 zeigt. In Aceh, Indonesien, wurden während der Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen im Mai 2003 allein 460 Schulen bis auf die Grundmauern niedergebrannt.

Flucht und Vertreibung: Allein zwischen 1990 und 2000 wurden rund 20 Millionen Kinder aus ihrer Heimat vertrieben. Auf der Flucht werden Familien oft auseinander gerissen. Auf sich allein gestellt, sind Kinder schutzlos sexuellen Übergriffen ausgesetzt oder können leicht als Soldaten rekrutiert werden. Aber auch wenn die Familien zusammenbleiben, sind die Lebensbedingungen in vielen Flüchtlingslagern so schlecht, dass Eltern ihre Kinder nicht vor Mangelernährung und Krankheiten bewahren können. Viele Familien bleiben für Jahre oder Jahrzehnte im Exil. Manche Kinder verleben ihre ganze Kindheit in Lagern. Im Süden des Sudan und in Angola zum Beispiel haben ganze Generationen von Kindern nie ihre Heimat gesehen.

Missbrauch als Kindersoldaten: Weltweit werden Hunderttausende Kinder als Soldaten missbraucht, die meisten davon in Afrika und Asien. Trotz internationaler Ächtung kommt es weiter zu Rekrutierungen durch Milizen und Regierungsarmeen. Manche Kinder melden sich auch freiwillig, weil sie sich bei den Soldaten Schutz und Nahrung erhoffen. Häufig dienen sie als Köche, Dienstboten oder Kuriere. Mädchen werden sexuell ausgebeutet, sei es als “Kriegsbraut” eines Kommandanten oder durch mehrere Soldaten. Als Kämpfer sind Kinder für Kriegsherren attraktiv, weil sie sich leichter manipulieren und zum Töten zwingen lassen. Die massenhafte Verbreitung von leicht zu bedienenden Kleinwaffen fördert diese Entwicklung.

Sexuelle Gewalt wird in vielen heutigen Kriegen als Waffe eingesetzt. Insbesondere Mädchen werden Opfer von Vergewaltigungen, Verstümmelungen, Ausbeutung und Missbrauch. Aus der Demokratischen Republik Kongo, Liberia, Sierra Leone und dem Sudan gibt es zahlreiche Berichte über Mädchen, die von Milizen entführt und versklavt wurden. In Kolumbien wurden zwölfjährige Mädchen bewaffneten Milizen übergeben, damit diese ihre Familien verschonen. Armut und Hunger fördern die Prostitution auch abseits der Kampfzonen. Und überfüllte Flüchtlingslager bieten kaum Schutz vor Missbrauch und Ausbeutung. Die verbreitete Hoffnungslosigkeit in Kriegsgebieten unterstützt ein riskantes Sexualverhalten von jungen Menschen. Brechen Kriege in Regionen aus, in denen das HIVirus bereits stark verbreitet ist, führt dies meist zu einem rapiden Anstieg der Infektionsraten. Zudem glauben viele Männer, dass das Risiko einer HIV-Infektion bei jungen Mädchen geringer ist.

Wie Aids die Kindheit zerstört

Aids ist vor allem eine Krankheit der Armen. 90 Prozent der Infizierten leben in den Entwicklungsländern. Eindringlich weist UNICEF auf die dramatischen Auswirkungen der Epidemie auf Kinder hin. Allein zwischen 2001 und 2003 stieg die Zahl der Kinder, die einen oder beide Elternteile durch AIDS verloren haben, von 11,5 auf 15 Millionen. Da vor allem im südlichen Afrika Millionen Kinder in Haushalten mit kranken oder sterbenden Familienangehörigen leben, wird dort das Waisenproblem selbst dann weiter wachsen, wenn es gelingt, die Epidemie endlich einzudämmen.

Wenn Eltern an AIDS erkranken verändert dies das Leben der Kinder völlig. Meist müssen die Mädchen die Schule abbrechen, um sie zu pflegen und für die jüngeren Geschwister zu sorgen. Hinzu kommt die materielle Not. In Haushalten, in denen ein Elternteil an AIDS erkrankt ist, sinkt der Nahrungskonsum um bis zu 40 Prozent. Die Folge sind Mangelernährung und Wachstumsstörungen. Kinder von kranken oder verstorbenen Eltern leiden oft doppelt, weil sie ausgegrenzt werden. Immer wieder behaupten Nachbarn, sie seien selbst infiziert. Der Tod der Eltern hinterlässt die Kinder in tiefer Trauer, Armut und Schutzlosigkeit.

Risse im Sicherheitsnetz: Bis heute werden im südlichen Afrika 90 Prozent der Waisen von der erweiterten Großfamilie aufgenommen. Aber ihre riesige Zahl überfordert zusehends dieses traditionelle Sicherheitsnetz. Dies gilt besonders in den am stärksten betroffenen Ländern Botsuana, Lesotho, Swasiland und Simbabwe. Familien, die Waisen aufnehmen, haben oft große materielle Nachteile. In Uganda zum Beispiel verfügt ein Haushalt mit Waisen im Schnitt nur über 77 Prozent des Pro-Kopf-Einkommens von Familien, die keine Waisen aufgenommen haben.

Kinderhaushalte: Der Anteil der reinen Kinderhaushalte ist noch gering - in den meisten Ländern liegt er unter einem Prozent. Aber auch wenn ein Haushalt offiziell noch von einem kranken Elternteil geführt wird, ruht die Last der Verantwortung bereits auf den Schultern der Kinder. Und wenn Kinder bei den Großeltern oder anderen Verwandten unterkommen, müssen sie arbeiten, statt zur Schule zu gehen. Damit sinken ihre Chancen auf einen qualifizierten Beruf. Und sie lernen nicht, wie sie sich vor AIDS schützen können.

Ausbeutung: Waisen sind besonders in Gefahr, in der Landwirtschaft, als Straßenverkäufer, als Dienstmädchen oder in der Prostitution ausgebeutet zu werden. In Sambia beispielsweise sind 47 Prozent der minderjährigen Prostituierten Waisen. Rund 38 Prozent der Kinderarbeiter in den Minen in Tansania haben keine Eltern mehr. Drei Viertel der Dienstmädchen in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba sind Waisen. (…)

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Mehr zum Thema:

  • Der UNICEF-Jahresbericht ist erschienen unter dem Titel Zur Situation der Kinder in der Welt 2005. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 2004. ISBN 3-596-16427-3, 9,90 Euro.

UNICEF , das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, hilft Mädchen und Jungen in Entwicklungsländern und Krisengebieten. 7 000 Mitarbeiter in rund 160 Ländern sorgen dafür, dass Kinder die Schule besuchen können, medizinisch betreut werden, sauberes Trinkwasser erhalten sowie aus- reichende Ernährung.

UNICEF wurde 1946 als Nothilfeorganisation für Kinder in Europa, sein deutsches Komitee 1953 gegründet. Wie alle 37 nationalen Komitees in den Industrienationen trägt auch das deutsche zur Finanzierung der Programme in armen Ländern bei. Es ist als mildtätiger und gemeinnütziger Verein anerkannt. In Deutschland arbeiten 8.000 Freiwillige in 130 UNICEF-Gruppen.

Veröffentlicht am

18. Dezember 2004

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