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Residenzpflicht

Cornelius Yufanyi ist Asylbewerber aus Kamerun, seit Januar 1999 in der BRD. Nachdem er zunächst in der Aufnahmeeinrichtung in Jena/Thüringen lebt, wird er dem kleinen Thüringer Ort Weilrode zugewiesen - fernab vom Büro der Flüchtlingsselbstorganisation The VOICE in Jena, wo er aktiv war. Am 12. Oktober dieses Jahres stand er in Worbis vor Gericht, weil er gegen die sogenannte “Residenzpflicht” verstoßen und seinen “Aufenthaltsbezirk” ohne behördliche Erlaubnis verlassen haben soll.

Cornelius Yufanyi, Aktivist bei The VOICE Africa Forum e.V., kämpft zusammen mit anderen Flüchtlingen von der “Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen” gegen dieses rassistische Gesetz. Auf einem Flüchtlingskongress im Frühjahr diesen Jahres war ziviler Ungehorsam gegen die Residenzpflicht beschlossen worden, daraufhin weigerte sich Cornelius Yufanyi, entsprechende Strafbefehle- u.a. wegen “unerlaubter Teilnahme” am Flüchtlingskongress - zu zahlen. (Red.)

Das Interview führte der AK Asyl Göttingen, gekürzt und übersetzt aus dem Englischen von der Antifaschistischen Zeitung, Berlin.

Was waren deine Erfahrungen, seit du hier in Deutschland Zuflucht gesucht hast?

Zunächst war es wie ein Schrei der Freude, dass ich wieder sicher war und ein normales Leben leben konnte; besonders in einem Land, in dem die Menschenrechte respektiert werden. Aber nachdem ich zwei Monate hier verbracht hatte, wurde mir klar, dass ich Mitglied einer Menschengruppe bin, die in Deutschland nicht erwünscht ist: Flüchtlinge. Es war auch interessant zu erfahren, dass innerhalb dieser besonderen Gruppe noch eine weitere existiert, afrikanische Flüchtlinge, die die deutsche Regierung so weit wie möglich zu zerstören versucht. Es ist wichtig zu sehen, dass Afrika schon immer von Europäern zerstört wurde, und auch hier werden Afrikaner misshandelt, unserer menschlichen Würde beraubt.

Welche Bedingungen herrschen für Flüchtlinge in der Bundesrepublik?

Flüchtlinge und Asylbewerber werden als Menschen betrachtet, die ihre Länder aus ökonomischen Gründen verlassen haben, nur um ein satteres Leben zu suchen. Aber auch wenn dem so wäre, hätten sie das Recht, so zu handeln Das ist eines der menschlichen Grundrechte, und genau dieses Recht wurde vom Westen immer in Anspruch genommen, bevor er ökonomisch so mächtig wurde. Aber inzwischen werden die Flüchtlinge als Bettler betrachtet oder als Kriminelle, die die Gesellschaft korrumpieren und die minderwertigere Wesen sind, die keine Würde haben. Tatsächlich werden Flüchtlinge in Deutschland als Zumutung für die Gesellschaft betrachtet, als Leute, die eliminiert werden müssen. Deutsche suchen nach einem Weg, wie sie Flüchtlinge aus Deutschland wegwischen können.

In den letzten Wochen gab es einen bemerkenswerten Anstieg der Berichterstattung über die Gefahren des Rechtsextremismus. Was steckt dahinter und was bedeutet dies für Flüchtlinge?

Die Gefahr des Rechtsextremismus ist etwas, was in Deutschland schon sehr lange existiert und was sogar durch die Regierung bzw. deren Gesetze forciert wurde und wird. Die Gesetze werden so formuliert und ausgeführt, dass sie Hass gegen Fremde geradezu hervorrufen. Das ist etwas, was wir als The VOICE schon seit langem bekämpfen, die rassistischen Gesetze. Tatsächlich müssen sich die meisten Flüchtlinge an verbale und körperliche Angriffe von Rechten gewöhnen, weil es nur minimale Möglichkeiten seitens des Staates gibt, um sich davor zu schützen. Ich zum Beispiel habe neulich ohne Genehmigung meinen Bezirk verlassen und wurde in Jena von Nazis angegriffen. Ich war allein auf der Strasse, mitten in der Nacht, nach der Arbeit im The VOICE - Büro. Ich konnte die Polizei nicht um Hilfe rufen, weil das Gesetz mir nur für den einen Bezirk die freie Bewegung erlaubt, nicht für Jena, und anstatt Hilfe wäre ich von der Polizei kontrolliert und bestraft worden, weil ich meine Landkreis-Grenze überschritten hatte. (…)

Was in den Medien geschieht, kann ich nur ein Katz- und Hund- Spiel nennen. Der Hund versucht immer, die Katze zu fressen und umgekehrt. Aber wir alle wissen, dass der Hund niemals die Katze fressen kann und umgekehrt. Die Maus, das Lebewesen, das es betrifft, weil es vor beiden Angst haben muss, wird nie erwähnt. So fühlen wir Flüchtlinge uns, wie diese Maus. Politiker spielen Spielchen mit uns, fällen Entscheidungen. Niemand hat Position ergriffen für die Flüchtlinge und Ausländer, die hier leben. Ich kämpfe gegen Rassismus und Rechtsextremismus, aber ich habe schon Bußgelder von mehr als 700,- DM erhalten wegen meiner Aktivitäten. Also, wie kann die deutsche Regierung davon reden, gegen Rechtsextremismus zu kämpfen. Da ist doch was faul.

Was ist deiner Ansicht nach gefährlicher, die Gewalt der Rechtsextremen auf der Strasse gegen Fremde oder der institutionalisierte Rassismus?

Ich denke, dass der institutionalisierte Rassismus gefährlicher ist, weil die Leute an seine Existenz gewöhnt sind. Es ist viel leichter, zu einer Demonstration gegen einen rassistischen Angriff auf der Strasse aufzurufen, als für eine Demonstration gegen brutale Polizeibehandlung von Fremden oder für die Abschaffung der Apartheidsgesetze in Deutschland. (…) Der Staat funktioniert wie eine unsichtbare Maschine, die für die rechte Gewalt Werbung macht. (…)

Es ist nicht die Arbeit von antirassistischen Gruppen, Nazis in der Strasse hinterherzulaufen, das ist Arbeit der Polizei, die das aber nicht tut, sondern stattdessen Fremde in Strassen und Bahnhöfen verfolgt.

Ich denke nicht, dass die Leute wirklich den Unterschied verstehen…

Veröffentlicht am

18. Januar 2002

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