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Die unterdrückte Wahrheit

In Frankreich sorgt ein Buch für Aufregung. Es handelt von Osama Bin Laden und davon, wer die wirkliche Schlüsselrolle im internationalen Terrorismus spielt
PARIS, im Dezember. Jean-Charles Brisard zögert keine Sekunde. “Die Amerikaner wollen Osama Bin Laden auf keinen Fall lebend. Erstens wollen sie ihm keine Bühne für ein Welt-Spektakel geben, und zweitens weiß er so viel über ihre Politiker und die Öl-Lobby um Präsident Bush, dass er viel Schaden anrichten kann. ” Der 33-Jährige sitzt in einem eleganten Büro seiner Beraterfirma World Information Network, das in unmittelbarer Nähe des Pariser Élysée-Palastes liegt.

1996 bekam der junge Jurist Brisard einen Traum-Auftrag: Ein französischer Geheimdienst orderte bei ihm eine Untersuchung über die Umtriebe islamischer Terroristen. Brisard reiste um die Welt, traf Geheimdienstler und Diplomaten, stöberte Dokumente auf und arbeitete als Berater eines US-Senators. Vor knapp einem Monat erschien dann ein Buch, das Brisard gemeinsam mit dem Geheimdienstspezialisten Guillaume Dasque verfasst hat: “Osama Bin Laden la verité interdite” (etwa: die unterdrückte Wahrheit).

Gleich nach Erscheinen stand das Buch auf Platz eins der französischen Bestseller-Liste. Die These der Autoren: auch mit der Ausschaltung Bin Ladens wird dessen Kampf weitergehen. Denn der wahre Terror-Staat, der seit Jahrzehnten ein Doppelspiel mit dem Westen treibe, sei Saudi-Arabien: “Es hält die Schlüsselrolle in der Verbreitung des harten Islamismus in der Welt. ” CIA und FBI, so Brisard weiter, waren über Bin Ladens Pläne seit langem informiert, aber das Washingtoner Außenministerium und die Öl-Lobby um Bush Vater und Sohn hätten jede Gegenaktion unterdrückt. Und: “Die Terror-Milliarden sind derart perfekt in der internationalen Geschäftswelt von Großbanken, Konzernen, karitativen Organisationen verwoben, dass sie nicht neutralisiert werden können. Sie sind unerlässlich für das Funktionieren der Weltwirtschaft. ” Brisard beugt sich über den Schreibtisch: “Das alles wird auch nach Bin Laden nicht verschwinden. ” Er verweist darauf, dass sie in dem Buch nicht versucht hätten, Theorien zu entwickeln, sondern dass sie in unendlicher Kleinarbeit Fakten zusammengetragen haben. “Wir haben gewissermaßen wissenschaftlich gearbeitet”, sagt Brisard. Dreißig Seiten sind gefüllt mit Faksimile und Quellen-Angaben, 500 Firmen und 400 Namen werden im Zusammenhang mit den Terror-Summen genannt. “Bisher”, sagt Brisard, “hat es nicht eine einzige Klage oder eine Gegendarstellung gegeben. “Das Buch, das Ende Januar auf Deutsch erscheint, dürfte vor allem die Bush-Administration und die Saudis wenig erfreuen. Es zeigt ihr Doppelspiel auf. Die Saudis hätten den Bin-Laden-Clan unermesslich reich gemacht, bis er ihnen zu gefährlich wurde. Washington brauchte Afghanistan, das Schlüsselland für die Energiereserven Zentralasiens.

Deshalb habe sich Amerika gegenüber den Taliban, die Osama Bin Laden schützten, selbst nach den Attentaten gegen die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam noch wohlwollend gezeigt. Als Afghanistan schwer unter den vom UN-Sicherheitsrat verhängten Wirtschaftssanktionen litt, sei es sogar zu Geheimverhandlungen mit den Amerikanern über deren Erdöl-Interessen in Afghanistan gekommen. Für die Taliban eine Chance, an Geld zu kommen. Die Taliban hätten auch angeboten, Osama Bin Laden zu verraten und ihn auszuliefern. Die Amerikaner lehnten ab, trotz der Warnungen ihrer Geheimdienste vor Attentaten.

Es geht also vornehmlich um Erdölinteressen, schreiben die Autoren. Sie berichten von einer “diabolischen Verzahnung zwischen der saudischen Monarchie und dem Zynismus der US-Republikaner” und in diesem Zusammenhang werden vornehmlich drei Öl-Lobbyisten genannt: Vizepräsident Dick Cheney, einst Chef von “Halliburton”, einem der größten Ölfeld-Ausrüster, die Direktorin des Nationalen Sicherheitsrats, Condoleeza Rice, die neun Jahre bei “Chevron” gearbeitet hat, einem Öl-Multi aus Texas, der auch die Vorkommen in Afghanistan untersuchte. Sowie Laila Helms, aus Afghanistan stammende Nichte des früheren CIA-Chefs und Iran-Botschafters Richard Helms, im Buch “Lobbyistin der Taliban” genannt. Detailliert verweisen die Autoren darauf, dass die Distanzierung Saudi-Arabiens von Bin Laden nur eine für den Westen bestimmte Geste war. Die Verbindung mit dem Bin-Laden-Clan, der in den 80er-Jahren selbst Audi und Porsche in dem Ölstaat vertrat, sei weiter voll intakt.

Osama Bin Laden, so letztlich Brisards Fazit, sei kein “blindwütiger Terrorist”, sondern sei “den Weg gegangen, auf den sein fundamentalistisches Land ihn geschickt habe: uns mit den Waffen zu schlagen, die wir ihnen geliefert haben - Kapitalismus, Unterwanderung, Propaganda, Guerilla”.

“Bisher hat es nicht eine einzige Klage oder eine Gegendarstellung gegeben. ”

Jean-Charles Brisard, Autor

Veröffentlicht am

27. Dezember 2001

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