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Pazifismus in der Defensive?

Eine Antwort an Ludger Volmer von Dr. Wolfgang Sternstein (Stuttgart)

Volmer entwickelt in seinem Artikel (FR-Dokumentation vom 7.1.02) eine interessante Theorie. Er unterscheidet einen gesinnungsethisch begründeten Pazifismus und einen “politischen” Pazifismus. Der gesinnungsethische Pazifismus sagt aus Gewissensgründen nein zum Krieg. Der “politische” Pazifismus sagt nur bedingt nein zum Krieg. Zu letzterem bekennt sich Volmer. Er unterscheidet zwischen guten und schlechten Kriegen. Der Krieg gegen den Terrorismus hält er für gut. Den Ersten und Zweiten Weltkrieg und den Vietnamkrieg hingegen für schlecht. Die Argumente, die Pazifisten gegen diese Kriege vortrugen und den Widerstand, den sie leisteten (viele von ihnen gingen für ihre Überzeugung ins Gefängnis, einige in den Tod), hält er angesichts der terroristischen Bedrohung für historisch überholt.

Seltsam nur, der Erste und der Zweite Weltkrieg wurden dem deutschen Volk als gute und gerechte Kriege verkauft. Die USA verkauften den Vietnamkrieg dem amerikanischen Volk als guten und gerechten Krieg. Volmer möge mir doch einen Krieg nennen, den diejenigen, die in führten, nicht als gut und gerecht verkauften. Das gilt auch für den Krieg gegen den Terrorismus.

Hatten die Pazifisten vor dem Ersten Weltkrieg mit ihrer Kritik am wilhelminischen Militarismus etwa nicht recht? Wieviel Leid wäre der Welt erspart geblieben, hätten die Deutschen auf sie und nicht auf die Nationalisten, Militaristen und Imperialisten gehört!

Und weiter, hatten die Pazifisten mit ihrer Kritik am nationalsozialistischen Militarismus, Rassismus und Imperialismus nicht recht? Wieviel Leid wäre der Welt erspart geblieben, hätten die Deutschen ihre Argumente ernst genommen. Gilt das Gleiche nicht auch für den Vietnamkrieg und für die Kritik des “Atompazifismus” an der Politik der nuklearen Abschreckung?
Der amerikanische General George Lee Butler sagte in einem Vortrag vor Friedensorganisationen in Kanada (dokumentiert in FR vom 1.9.99): “Wir sind im Kalten Krieg dem atomaren Holocaust nur durch eine Mischung von Sachverstand, Glück und göttlicher Fügung entgangen, und ich befürchte, das Letztgenannte hatte den größten Anteil daran.” Der Mann muss es wissen, denn er war Oberbefehlshaber der amerikanischen Atomstreitmacht in den Jahren 1991-94, also der Mann, der auf Anweisung des Präsidenten den Einsatzbefehl für die Atombomber und Atomraketen zu geben hatte.

Und nun der Krieg gegen den Terrorismus. Was hat denn der 11. September am Terrorismus qualitativ verändert? Terroranschläge gab es doch auch schon zuvor. Der 11. September bedeutete lediglich eine quantitative Steigerung des Terrors. Qualitativ verändert hat sich indes die Reaktion auf den Terrorismus. Bis dahin wurden Terroristen als Verbrecher betrachtet und als Verbrecher behandelt. Indem man AI Quaeda den Krieg erklärte, hat man ihr den Status einer Kriegspartei zugestanden, den man der IRA und der ETA zurecht verweigerte. Auf diese Weise hat man Osama bin Laden zum Kriegshelden gemacht, statt zu dem, was er ist, ein Verbrecher, vorausgesetzt, seine Urheberschaft für die Anschläge ist zweifelsfrei erwiesen.

Hinterher ist man immer klüger. Heute wissen wir, dass der Erste und der Zweite Weltkrieg, der Vietmankrieg und der Kalte Krieg gigantische Verbrechen gegen die Menschlichkeit waren. Der Kalte Krieg war der mit Abstand teuerste und verlustreichste Krieg in der Geschichte der Menschheit, denkt man an die Vergeudung von Kapital und Ressourcen, die Umweltvergiftung durch radioaktive Abfälle und Tests sowie die 30 000 Hungertoten täglich, vornehmlich Kinder. Sie mussten sterben, weil das Geld in die Rüstung, statt in die Entwicklungshilfe floss. Ich bin sicher, der Tag ist nicht mehr fern, an dem wir erkennen werden, dass auch der “Krieg gegen den Terrorismus” ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist.

Dennoch - das wird Ludger Volmer vielleicht überraschen - stimme ich seiner Kritik am gesinnungsethisch begründeten Pazifismus zu. Und zwar deshalb, weil dieser die Antwort auf die Frage: Was tun angesichts massiver Gewaltandrohung und Gewaltanwendung? schuldig bleibt. Ich meine, es ist höchste Zeit für eine differenziertere Betrachtungsweise.

Es gilt, vier Grundhaltungen zu unterscheiden: Erstens, den Militarismus, der den Krieg als Prima Ratio des politischen Handelns betrachtet. Zweitens, den Bellizismus, der ihn als Ultima Ratio der Konfliktaustragung ansieht. Drittens, den Pazifismus, der aus gesinnungsethischer Überzeugung den Krieg bedingungslos ablehnt. Und schließlich viertens, die Gewaltfreiheit, die in der gewaltfreien Aktion eine konstruktive Alternative zur Gewalt als Mittel der Konfliktaustragung erkennt.

Was Volmer “politischen Pazifismus” nennt, ist in meiner Terminologie Bellizismus. In meinen Augen ist das, was er betreibt, Etikettenschwindel, denn sein “politischer Pazifismus” hat mit Pazifismus meines Erachtens nichts mehr zu tun.

Allerdings, bloßes Neinsagen zu Krieg und Gewalt ist nicht genug. Darin ist ihm zuzustimmen. Es kommt vielmehr darauf an, konstruktive Alternativen zur Krieg und Gewalt zu entwickeln und zu praktizieren. Eine solche Alternative gibt es in der Tat, es ist die gewaltfreie Aktion. Sie überwindet den Max Weberschen Gegensatz von pazifistischer Gesinnungsethik und realpolitischer Verantwortungsethik, denn sie gibt Antwort auf die Frage: Was tun angesichts massiver Gewaltandrohung und -anwendung?

Die Antwort lautet: Die Gewalt hinnehmen, ohne zurückzuschlagen, aber auch ohne zurückzuweichen, um sie auf diese Weise zu überwinden. Gewaltfreiheit hat demnach nichts zu tun mit feiger Flucht oder passiver Unterwerfung unter die Gewalt des Gegners. Sie ist vielmehr eine durch und durch kämpferische Haltung. Sie vereinigt in sich die positiven Aspekte des Bellizismus und des Pazifismus und vermeidet deren negative Aspekte.

Mahatma Gandhi, Martin Luther King und andere haben die Tauglichkeit der gewaltfreien * Aktion als Mittel der Konfliktlösung hinreichend erwiesen.

Zwischen der Haltung Volmers, die er “politischen Pazifismus” nennt und die ich Bellizismus nenne, und der Haltung der Gewaltfreiheit liegt eine existenzielle Schwelle. Wer sie überschreitet, erkennt schlagartig, dass Gewalt als Mittel der Konfliktaustragung völlig untauglich ist, sofern das Ziel darin besteht, den Konflikt dauerhaft und für alle Beteiligten befriedigend zu lösen. Sie ist folglich nicht allein aus religösen und ethischen, sondern auch aus pragmatischen Gründen abzulehnen. Ebensogut könnte man versuchen, mit dem Fahrrad oder dem Auto auf den Mond zu fahren. Je früher wir die Vergeblichkeit dieses Unterfangens einsehen, desto besser, denn es erspart uns unnötigen Zeit-, Geld- und Kraftaufwand.

Wer die Schwelle überschritten hat, erkennt, dass der Versuch, Gewalt durch größere Gewalt zu überwinden oder durch Androhung von Gewalt dauerhaft in Schranken zu halten, zum Scheitern verurteilt ist. Gewalt im Angriff, in der Verteidigung oder in Vergeltung hat die Menschheit im Laufe der Geschichte nur immer tiefer in den Sumpf der Gewaltsamkeit hineingeführt, sodass sie heute am Rand des Abgrunds der Selbstvernichtung steht, wie jeder weiß, der nicht die Augen vor der Realität verschließt.

In der deutschen Geschichte, die eine Geschichte gescheiterter Revolutionen und im Blut ertränkter Aufstände ist, gibt es in der Nachkriegszeit einen neuen Ton: Die gewaltfreie Aktion. Obwohl nur halbherzig und inkonsequent angewandt, hat sie sich doch als äußerst wirksam erwiesen.

Die gewaltfreie Aktion im Form von Platzbesetzungen, Blockaden, go ins, Massenkundgebungen und Demonstrationen hat das Atomkraftwerk Wyhl bei Freiburg verhindert. Sie hat bewirkt, dass die Wiederaufarbeitungsanlage in Gorleben bzw. Wackersdorf nicht gebaut wurde, Kaikar und Mülheim-Kärlich nicht ans Netz gingen und das Atomprogramm der Bundesregierung von 50 000 Megawatt auf nicht einmal 20 000 Megawatt reduziert wurde. Trotzdem gingen nirgends die Lichter aus.

Ich habe von Seiten der Regierung und der Wirtschaft noch kein Wort des Dankes gehört für die vielen Milliarden DM an Fehlinvestitionen, die Umweltschützer verhindert haben.

Das Gleiche gilt für die Friedensbewegung der achtziger Jahre. Sie konnte zwar die Stationierung der neuen Mittelstreckenraketen nicht verhindern. Sie hat aber indirekt zum Abrüstungsvertrag über sämtliche landgestützte Mittel- und Kurzstreckenraketen sowie zum Ende des Kalten Krieges beigetragen. Das Hauptverdienst an dieser Entwicklung gebührt zweifellos Michael Gorbatschow. Er wäre ohne die Friedensbewegung aber wohl kaum zum Generalsekretär der KPdSU gewählt worden.

Dafür habe ich einen Zeugen, der ernst genommen zu werden verdient: Es ist Georgij Arbatow, Nordamerika-Experte und Gorbatschow-Berater. Er sagte 1986 bei einem Symposion in Washington: “Die Friedensbewegung war ein Ausdruck des Bewusstseinswandels, der sich in der westdeutschen Bevölkerung abgespielt hat. Das war ein Faktor für unsere Entscheidung, Michail Gorbatschow als Verfechter eines dezidierten Entspannungskurses zum Generalsekretär zu wählen.” (Spiegel 44/1990, S. 75) Ich habe noch kein Wort des Dankes von den regierenden Politikern gehört für das, was Friedensaktivisten durch Aktionen des zivilen Ungehorsams in Mutlangen und anderswo an Gerichtsverhandlungen, Geld- und Haftstrafen auf sich genommen haben.

In diesem Zusammenhang darf der “gewaltfreie Aufstand” von 1989 in der DDR nicht vergessen werden. Er war die erste erfolgreiche Revolution in der deutschen Geschichte!

Auch hier gilt, dass denen, die damals Kopf und Kragen riskierten, bis heute Dank und Anerkennung weitgehend verweigert wird.

In dieser Richtung hätte die Entwicklung der Bundesrepublik fortgesetzt werden sollen mit dem Ziel, konstruktive Alternativen zur Gewalt als Mittel der Konfliktaustragung auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen zu etablieren. Das setzt freilich gesellschaftliche Basisarbeit voraus. Ein harter und undankbarer Job. Man riskiert dabei, gesellschaftlich geächtet und bestraft zu werden, unter Umständen sogar im Gefängnis zu landen.

Die Betreiber des “grünen Projekts” wollten dagegen hoch hinaus - in den Bundestag, in die Regierung! Doch dieses Unternehmen konnte nur gelingen unter Preisgabe all dessen, wofür die neuen sozialen Bewegungen angetreten waren. Das war schon damals erkennbar. An Warnungen vor diesem Weg hat es denn auch nicht gefehlt. Aus der “Antiparteien-Partei” (Petra Kelly) wurde innerhalb von nur zwanzig Jahren eine stinknormale Partei.

Misst man die derzeitige Politik der Grünen an den vier “Säulen”, die einst das grüne Parteiprogramm trugen: ökologisch, sozial, gewaltfrei und basisdemokratisch, misst man sie auch nur an der Koalitionsvereinbarung von 1998, so kommen einem die Tränen.

Volmer meint: “Das deutsche Ansehen in der Welt wuchs, gerade auch wegen der militärischen Zurückhaltung und des Selbstverständnisses als zivile Macht.” Wohl wahr! Fragt sich nur, weshalb wir diese so erfolgreiche Politik aufgegeben haben zugunsten einer Politik, die im Nato-Bündnis überall in der Welt deutsche Interessen mit militärischen Mitteln durchzusetzen bereit ist.

Sind unsere Schweizer Nachbarn mit ihrer entschiedenen Friedenspolitik denn schlecht gefahren, auch wenn sie noch weit entfernt sind von einer wirklich gewaltfreien Politik, die auf Rüstung und militärische Verteidigung verzichtet, weil es etwas Besseres gibt, die Soziale Verteidigung? An ihnen sollten wir uns ein Beispiel nehmen, auch in der Hinsicht, dass es von Charakterstärke zeugt, wenn man es wagt, auch einmal allein zu stehen, statt stets mit den Wölfen zu heulen. In dieser Hinsicht haben wir Deutschen noch einen immensen Nachholbedarf.

Ich bin überzeugt, nicht die Regierungen, wohl aber die Völker würden es verstehen, wenn Deutschland aus seiner Geschichte gelernt hätte, dass Krieg und Gewalt keine Konflikte zu lösen vermag und stattdessen eine Friedens- und Entwicklungspolitik betriebe, die diesen Namen verdient.

Volmer erklärt: “Ein Pazifismus, der als politische Kraft ernst genommen werden will, darf nicht die Realitäten verdrängen, um sein Weltbild zu retten. Er darf nicht nur die anderen kritisieren, er muss selbst Antworten geben.” Gewiss doch. Die gewaltfreie Aktion und die nichtmilitärischen Formen der Konfliktbearbeitung sind eine solche Antwort!

Es fragt sich allerdings, wer die Realitäten verdrängt. “Humanitäre Intervention” ist eine gute Sache. Es fragt sich nur, mit welchen Mitteln sie erfolgt, ob mit gewaltsamen oder gewaltfreien Mitteln. “Humanitäre Intervention” kann sehr wohl ein Deckmantel für Interessenpolitik sein. Es geht beim Krieg in Afghanistan ja nicht allein um lautere Motive, wie dem Kampf gegen den Terrorismus oder die Befreiung des afghanischen Volkes vom Taliban-Regime. Es geht auch um das Öl und das Gas der Kaspi-Region. (Dazu der Spiegel 52/2001, S. 148-159) Volmer verdrängt diese Realität. Er behauptet: “Nicht Rohstoffinteressen sind bestimmend, sondern Verteidigung gegen neue terroristische Angriffe.”

Seine Feststellung, es gebe nicht nur falsche Feindbilder, sondern auch echte Feindschaft, ist nicht gerade neu. “Massenvernichtungswaffen in den Händen von Terroristen - das ist die neue Gefahr, eine reale, nicht nur ein falsches Feindbild. Die Parole ,Kampf dem Atomtod’ wird AI Quaeda wenig beeindruckt haben.”

Die USA hatten 1945 die Atombombe. Präsident Truman dankte Gott, dass die USA und nicht ihre Feinde diese Superwaffe besitzen. Der Gott Harry Trumans hat den Dank offenbar nicht honoriert, denn der ließ die Atombombe ziemlich rasch in die Hand der Feinde gelangen.

Heute besitzen acht Staaten die Bombe und ein Ende der Weiterverbreitung ist nicht abzusehen. Auch staatliche und nichtstaatliche Terroristen werden früher oder später in ihren Besitz gelangen mit fürchterlichen Konsequenzen. Die Lage scheint ausweglos. Und doch gibt es einen Ausweg: “Verhandlungen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung sowie über eine Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle”. Zu solchen Verhandlungen haben sich die Vertragsstaaten in Art. VI des Nichtverbreitungsvertrags schon vor dreißig Jahren verpflichtet. Was hat die rot-grüne Bundesregierung, die sich doch als Sachwalterin der Friedensbewegung geriert, eigentlich getan, um die völkerrechtlich verbindliche Verpflichtung der Bundesrepublik einzulösen? Die vollständige atomare Abrüstung kann zwar nicht mit hundertprozentiger Sicherheit verhindern, dass Atomwaffen hergestellt werden und ihr Einsatz angedroht wird. Sie reduziert diese Gefahr jedoch ganz erheblich.

Wenn Verteidigungsminister Scharping angesichts der Menschenrechtsverletzungen im Kosovo sagte: Es gibt keine Alternative zur militärischen Intervention, dann hat er recht, auch wenn man die Art der Intervention mit guten Gründen kritisieren kann. Nur, Alternativen fallen nicht vom Himmel wie Regen und Schnee. Sie müssen entwickelt und aufgebaut werden, wenn sie in der Krise zur Verfügung stehen sollen.

Gewaltfreie Aktion ist eine solche Alternative. Sie ist eine universale Methode der Konfliktlösung, d.h. sie ist bei Konflikten auf allen gesellschaftlichen Ebenen mit Erfolg anwendbar: bei personalen, lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Konflikten. Sie kann aber nur von der Basis her aufgebaut werden. Wer es nicht gelernt hat, sie im Nahbereich einzuüben und anzuwenden, wird sie auch auf höherer Ebene nicht erfolgreich einsetzen können.

Volmer sieht den 11. September als epochale Wende. Er meint, beim Kampf gegen den Terror habe die internationale Staatengemeinschaft, legitimiert durch die Vereinten Nationen, zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit ansatzweise im Sinne einer Weltinnenpolitik gehandelt. Wenn er dem gesinnungsethisch argumentierenden Pazifismus Realtitätsblindheit vorwirft - zurecht, wie ich meine -, dann frage ich mich doch, worum es sich hier handelt.

Da sind auf der einen Seite die reichen Industrieländer, die ein Fünftel der Weltbevölkerung ausmachen und die ihren Lebensstandard um jeden Preis aufrechterhalten wollen. Deshalb sind sie auch bereit, überall in der Welt militärisch zu intervenieren, um ihre Rohstoffversorgung zu sichern und Märkte offenzuhalten. Und da sind auf der anderen Seite die armen Länder, die vier Fünftel der Weltbevölkerung stellen. Sie sind die Opfer dieser Politik. Und das nennt sich Weltinnenpolitik!

Doch das ist noch nicht der Gipfel: Politischer Pazifismus heute heißt nach Volmer: “Einsatz für das Primat der Politik und die Unterordnung militärischer Schritte unter politische Strategien, für die zentrale Rolle der Vereinten Nationen, die Geltung des humanitären Kriegsvölkerrechts und die Verhältnismäßigkeit der Mittel, für humanitäre Hilfe und Menschenrechte, für auswärtige Kulturpolitik und den Dialog der Kulturen, für Entwicklungshilfe und Institutionenbildung, für global governance und eine internationale Strukturpolitik, die auf globale Gerechtigkeit zielt.”

Das klingt schön und sind doch reine Lippenbekenntnisse. Ein Beispiel: Die Entwicklungshilfe sollte aufgrund eine UN-Empfehlung 0,7 Prozent des nationalen Bruttosozialprodukts ausmachen. Nicht eben viel. Wie aber sieht die Realität der rot-grünen Bundesregierung aus? Sage und schreibe 0,26 Prozent. (Spiegel 45/2001, S. 102) Für Rüstung und Krieg gibt es immer Geld. Für eine Entwicklungshilfe, die den Armen zugute kommt, die Hilfe zur Selbsthilfe leistet, ist grundsätzlich kein Geld vorhanden. Das ist die von Volmer verdrängte Realität. Hier liegt eine der Hauptwurzeln für den Terrorismus und hier muss er bekämpft werden!

Nach soviel Kritik scheint mir auch ein Wort der Selbstkritik angebracht, über gewaltfreie Aktion ist viel gesagt und geschrieben worden. Sie hat ihre Wirksamkeit als Methode der Konfliktlösung vielfältig unter Beweis gestellt, nicht zuletzt in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Woran es mangelt, sind Menschen, die sie im privaten und öffentlichen Bereich praktizieren. Sollte Ludger Volmer die Absicht haben, diesen Mangel zu kritisieren, so kann ich ihm nur “uneingeschränkt” (Wort des Jahres) zustimmen.

Veröffentlicht am

15. Februar 2002

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