Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Erklärung Philip Berrigans - aufgeschrieben einen Tag vor seinem Tod am 6. Dezember 2002

Übermittelt von seiner Frau Elizabeth McAlister

Philip begann mit dem Diktat dieses Statements am Wochenende vor dem “Thanksgiving”-Fest. Es war alles schon ganz klar. Er hatte alles fix und fertig in seinem Kopf. Ich brauchte es nur noch Wort für Wort aufzuschreiben….

“Ich sterbe in einer Gemeinschaft, die meine Familie umfasst, meine geliebte Frau Elizabeth, drei großartige Dominikanerschwestern - Ardeth Platte, Carol Gilbert und Jackie Hudson (emeritiert) - die derzeit im westlichen Colorado im Gefängnis sind - auch Susan Crane sowie lokale, nationale und sogar internationale Freunde. Sie sind für mich immer Lebensrichtschnur gewesen. Ich sterbe in der Überzeugung, die ich seit 1968 und seit Catonsville habe, dass Nuklearwaffen die Geißel der Erde sind; für sie Bodenschätze zu fördern, sie zu produ-zieren, sie zu stationieren und einzusetzen ist ein Fluch gegen Gott, die Menschheitsfamilie und die Erde selbst. Schon 1945 in Japan haben wir derartige Waffen zur Explosion gebracht, ihre Äquivalente dann 1991 im Irak, 1999 in Jugoslawien und 2001 in Afghanistan. Wir haben anderen Völkern das Erbe tödlicher radioaktiver Iso-tope hinterlassen - eine beliebte Maßnahme, um Aufstände zu unterdrücken. Beispielsweise werden die Menschen im Irak, Jugoslawien, Afghanistan und Pakistan noch jahrzehntelang mit Krebs zu kämpfen haben, der hauptsächlich durch angereichertes Uran entsteht. Hinzu kommt noch, dass unser nukleares Abenteurertum der letzten 57 Jahre den Planeten mit nuklearem Abfall von Atomtests, von Atomexplosionen, die in großer Höhe stattfanden (insgesamt vier), mit Abfall aus 103 Atomanlagen sowie aus Nuklearwaffenfabriken, die nicht zu säubern sind usw., in eine atomare Abfallkippe verwandelt hat. Aufgrund kurzsichtiger politischer Führung, von Besitzgier sowie einer an gleichgeschaltete Medien gekettete Öffentlichkeit wurde dieser Realität keine angemessene Antwort entgegengesetzt?”

An dieser Stelle im Diktat füllte sich Philips Lunge mit Flüssigkeit. Er musste unkontrollierbar husten und wur-de müde. Wir mussten aufhören, mit dem Versprechen, später weiterzumachen. Aber dieses “später” gab es nicht mehr - ein weiterer jener Augenblicke in dieser schweren Krankheit, die Phil so rasend schnell dahinraff-te, dass wir nur noch versuchen konnten, mit diesem Prozess Schritt zu halten. Dann konnte er überhaupt nicht mehr reden. Und dann - nach und nach- verließ er uns.

Was war es, was Phil uns noch hätte sagen wollen? Worin besteht die Botschaft seines Lebens? Welche Botschaft wollte er uns in seinem Sterben hinterlassen? Kommt jede und jeder von uns zu einer anderen Antwort, jetzt, da wir damit alleingelassen sind, uns vorzustellen wie er sie gefasst hätte?

Während eines unserer Gebete in Phils Zimmer fiel Brendan Walsh plötzlich ein Transparent ein, die Willa Bickham auf Phils Bitte hin vor Jahren für die Kirche St. Peter Claver gefertigt hatte. Darauf stand: “Der Stachel des Todes bedroht uns überall. Oh Christus, wo ist dein Sieg?” Ja, der Stachel des Todes umgibt uns wirklich überall. Aber der Tod, auf den Phil aufmerksam machen wollte, war keineswegs sein eigener (auch wenn dieser Stachel jetzt tief in uns sitzt und nicht verneint wird). Der Stachel, den Phil tatsächlich meinte, ist der Stachel des institutionalisierten Todes und Tötens. Und Phil ist nicht müde geworden, dies zu äußern. Er hörte nie auf, über seine Länge und Breite und Tiefe erschreckt zu sein. Und er akzeptierte ihn niemals.

“Oh Christus, wo ist dein Sieg?”. Es war damals Mitte der sechziger Jahre, als Phil diese Frage Gott und Chris-tus stellte. Er hat die Frage seither immer wieder gestellt. Und im Laufe der Jahre wurde ihm bewusst,
- dass es richtig u. gut ist, unseren Gott zu befragen und für Gerechtigkeit für alle Bewohner dieser Erde zu plädieren;
- dass die Empfindung dringend nötig, dass Unrecht, das Einzelnen angetan wird, Unrecht ist, das allen angetan wird;
- dass wir niemals müde werden dürfen, diese Ungerechtigkeit anzuklagen und ihr zu widerstehen;
- dass unsere Siege, die wir sehen, unscheinbarer sind als selbst die Senfkörner, von denen Jesus sprach, und dass sie sorgfältiger Pflege bedürfen;
- dass es lebenswichtig ist, jeden einzelnen dieser Siege zu feiern, insbesondere die Siege der Schwester- und Brüderlichkeit, der sich in liebender, gewaltfreier Gemeinschaft verkörpert.

Während der Monate von Phils Krankheit sind wir hundertfach gesegnet worden mit kleinen aber auch mit gro-ßen Siegen über eine lebens-, menschen- und liebesfeindliche Kultur sowie durch Freundschaften - innerhalb und außerhalb der Gefängnisse - und durch die Liebe, die Phils Leben durchdrungen hat. Das Erleben dieser Jahre und Monate mit Phil macht uns frei zur Rückkehr zu jener ursprünglichen, liturgischen Frage: “Oh, Tod, wo ist dein Stachel?”

(Übersetzung aus dem Amerikanischen von Wolfgang Zucht, abgedruckt in: Der Pazifist vom 31.12.02, leicht bearbeitet von Michael Schmid)

Veröffentlicht am

13. Januar 2003

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