Festnahme wegen Kritik an aktiver Unterstützung des geplanten Irakkriegs durch BundesregierungTobias Pflüger in München nach Rede bei den Protesten gegen die Sicherheitskonferenz festgenommen / Nun auch Ermittlungen gegen Konstantin WeckerVon Michael Schmid Im Rahmen der sehr erfolgreichen Proteste gegen die sogenannte Sicherheitskonferenz in München - ca. 30.000 Menschen waren bei der Hauptdemonstration - fand am Freitag 07.02. ab ca. 17.30 Uhr in München die Kundgebung gegen den städtischen Empfang der Teilnehmer/innen der sogenannten Sicherheitskonferenz durch Oberbürgermeister Christian Ude statt. Bei dieser Kundgebung trat als Schlussredner Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung auf. Sein Thema war die deutsche Kriegsunterstützung beim geplanten Irakkrieg. Tobias Pflüger wies in seiner Rede darauf hin, dass Deutschland bzw. die Bundesregierung den geplanten Irakkrieg in folgenden Bereichen aktiv unterstützt und damit auch erst möglich macht:
Hier nun der Bericht von Tobias Pflüger über seine Festnahme: “Ca. eine halbe Stunde nach der Rede, als ich erstmals allein unterwegs war, nahmen mich in der U-Bahn-Unterführung des Marienplatzes zehn zivil gekleidete Polizist/inn/en brutal fest. Mit der Festnahme muss abgewartet worden sein, bis ich von anderen kaum sichtbar allein der Polizei ausgeliefert war. Zum Glück beobachtete aber jemand die Festnahme, erkannte mich und meldete den Vorfall an den für solche Fälle ingerichteten “Ermittlungsausschuss” (EA). Die aufgeregten Polizistinnen und Polizisten teilten mir bei der Festnahme lediglich mit, ich hätte zu einer Straftat (sprich Desertion)aufgerufen, das wüsste ich ja, deshalb würde ich auf das Polizeipräsidium gebracht, das sei “mit oben” abgesprochen. Ich wies darauf hin, dass mein Aufruf zur Desertion nicht einfach so, sondern wohlüberlegt und nicht kontextlos erfolgt ist. Ich teilte auch mit, dass ich mir ganz sicher bin, aufgrund der Rechtslage (1), sollte es wirklich zu einem Gerichtsverfahren kommen, einen Freispruch zu bekommen. Die Polizisten sollten sich deshalb ihre weitere Arbeit ersparen und mich freilassen. Alle mitgeführten Gegenstände einschließlich Handy und Geldbeutel wurden noch vor Ort von der Polizei beschlagnahmt und ich wurde nach einiger Zeit in eine überhitzte Gemeinschaftszelle des Polizeipräsidiums verbracht. Eine Information über das weitere Vorgehen erfolgte nicht. Erst nach ca. 2 Stunden wurde ein vom Ermittlungsausschuss der Demonstrationsorganisator/inn/en benachrichtigter Rechtsanwalt (Hartmut Wächtler) zu mir vorgelassen. RA Wächtler wies darauf hin, dass - falls es sich bei dem angegebenen Grund für meine Festnahme und Gefangennahme um den in der Rede befindlichen Aufruf zur Desertion (Fahnenflucht) handele - es keine Rechtsgrundlage gebe, mich weiter festzuhalten. Eine Feststellung meiner Personalien hätte dann genügt. Polizei und Staatsanwaltschaft wollten offensichtlich eine sogenannte “vorbeugende Ingewahrsamnahme” durchführen. Ein Polizist sagte mir ganz offen, “wir können sie dabehalten bis die Konferenz (gemeint war die Sicherheitskonferenz) zu Ende ist” und “Wir wollen nicht, dass sie noch einmal reden.” Mein Eindruck war, dass die “vorbeugende Ingewahrsamnahme” sprich meine Gefangennahme über Nacht und an den nächsten Tagen aufgrund der Anwesenheit und dem Druck von Rechtsanwalt Hartmut Wächtler dann schlussendlich zurückgezogen wurde. Nach einer “erkennungsdienstlichen Behandlung” (ED-Behandlung: Fingerabdrücke, Fotos, Muttermaluntersuchung etc.) wurde ich kurz vor 23.00 Uhr wieder entlassen. Das Verhalten der Polizist/inn/en war wie üblich gemischt: Teilweise waren Polizisten sehr ruppig, teilweise formal korrekt und teilweise haben sich einzelne Polizisten bei mir für Festnahme und Gefangennahme entschuldigt. Ich war 3 Stunden rechtswidrig gefangengenommen worden. Der inkriminierte Satz der Rede war: “Ich fordere die Soldaten der Bundeswehr, die demnächst ihren Dienst in den AWACS-Flugzeugen tun müssen, dazu auf den Kriegsdienst zu verweigern oder zu desertieren.” Bzgl. der Bundeswehrsoldaten der ABC-Abwehreinheiten in Kuwait habe ich im Übrigen dazu aufgerufen, dass sie sich heimschicken lassen sollen, wie das eine ganze Reihe von tschechischen Soldaten der gleichen Einheit gemacht haben bzw. den Kriegsdienst zu verweigern. (In ersten Meldungen hieß es fälschlich, ich hätte die ABC-Abwehr-Soldaten zur Desertion aufgerufen.) Die politische Bewertung der Verhaftung:
Weitere Desertionsaufrufe werde ich nicht machen, das können nun andere, gerne mit Bezug auf meine Münchener Rede, tun - so wie z.B. erfreulicherweise Konstantin Wecker auf der Abschlußkundgebung. Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf weitere bisher nicht inkriminierte Desertionsaufrufe, an denen ich mich schon beteiligt hatte. Ich will mich nun der Aufgabe widmen, weiter gegen den geplanten Irakkrieg zu arbeiten und die deutsche Rolle im Irakkrieg und die neue (angebliche?) deutsch-französische Initiative zu analysieren und zu bewerten.” Rückfragen direkt bei Tobias Pflüger: 0174-7650483 (1) Die Rechtslage basiert auf
Siehe auch Informationsstelle Militarisierung in Tübingen. Polizei ermittelt gegen Konstantin Wecker Nun ermittelt die Polizei nach der Friedensdemonstration in München auch gegen den Liedermacher Konstantin Wecker wegen eines Aufrufs zur Fahnenflucht. Wecker hatte bei einer Kundgebung am Samstag gegen den möglichen Irak-Krieg den Satz von Tobias Pflüger wiederholt: “Ich fordere die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die demnächst ihren Dienst in den AWACS-Flugzeugen tun müssen, dazu auf, den Kriegsdienst zu verweigern oder zu desertieren.” In Medienberichten heißt es, Wecker habe nach der Polizeiaktion gegen Pflüger bei der Schlusskundgebung gesagt: “Jetzt wollen wir mal sehen, ob die Polizei uns alle hier auch festnimmt.” Anschließend rief Wecker die Demonstranten auf, den Satz nachzusprechen, wenn sie seiner Meinung seien. Die Menge wiederholte daraufhin absatzweise im Sprechchor den Satz. Für die Beamten Grund genug, Ermittlungen wegen des öffentlichen Aufrufs zu einer Straftat einzuleiten. Sobald diese abgeschlossen seien, werde bei der Staatsanwaltschaft Anzeige erstattet. Nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuchs werden Aufruf oder Anstiftung zu einer Straftat mit dem gleichen Strafmaß geahndet wie die Tat selbst. Auf Fahnenflucht stehen nach dem Wehrstrafgesetz bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. Bei einer Verurteilung müsste Wecker nach den Angaben einer Polizeisprecherin mit einer Geldbuße oder einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren rechnen. In ähnlichen Fällen wurden bisher entweder Geldstrafen verhängt oder es gab Freisprüche. Es gab in den vergangenen Jahren aus der Friedensbewegung heraus immer wieder Aufrufe an Soldaten der Bundeswehr, den Krieg zu verweigern bzw. notfalls zu desertieren. So hat erst vor wenigen Wochen ein “Aufruf an alle Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr - insbesondere an die Besatzungen der AWACS-Flugzeuge: Widersetzen Sie sich dem drohenden Krieg gegen den Irak! Verweigern Sie jede Beteiligung an einem Krieg gegen den Irak!” große Unterstützung gefunden. Bis zum 16.1.03 hatten 152 Personen aus dem ganzen Bundesgebiet diesen Aufruf unterzeichnet, der hier auf unserer Website dokumentiert wird. Die vollständige Rede von Tobias Pflüger befindet sich hier auf der Website der Informationsstelle Militarisierung Tübingen. Michael Schmid Es gibt inzwischen eine länger und länger werdende Liste von Personen, die sich öffentlich zu dem Satz von Tobias Pflüger bekennen (Stand 18.02.03 = 254 Menschen). Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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