Nein zum Angriffskrieg! Gegen Krieg und DiktaturJürgen Grässlin - Bundessprecher Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Redebeitrag für das Friedensplenum Mannheim
heute, am 22. Februar 2003, haben wir uns hier in Mannheim versammelt, weil wir befürchten, dass die USA und einige verbündete Regierungen einen Angriffskrieg gegen den Irak führen werden. Und wir wissen, aus welchen Gründen George W. Bush diesen Krieg will: KRIEG 1. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 schmiedete der US-Präsident das Staatenbündnis gegen Terror. Er wollte Al-Qaida-Führer Usama bin Laden “tot oder lebend” haben, erklärte den Iran, Irak und Nordkorea zur “Achse des Bösen” und entmachtete das Taliban-Regime in Afghanistan. Doch die eigentlichen Kriegsziele wurden bis heute nicht im Ansatz erreicht: Das Al-Qaida-Netz funktioniert noch immer, bin Laden ist weiterhin auf freiem Fuß und Afghanistan bis heute nicht befriedet. Genau aus diesem Grund hat die Bush-Regierung den wirtschaftlich wie militärisch schwachen Irak zum Hauptfeind der USA erklärt - nicht aber das militärisch starke Nordkorea. Dabei geht von Nordkorea - im Gegensatz zum Irak - eine ernst zu nehmende Bedrohung des Weltfriedens aus. Der Grund für das Vorgehen der US-Regierung liegt auf der Hand: Im Vorfeld des Wahlkampfs zu den 2004 stattfindenden Präsidentschaftswahlen benötigt Bush schnelle und sichtbare Erfolge. KRIEG 2. Im zweiten Golfkrieg bombardierte eine Militärallianz von rund 30 Staaten unter Führung der US-Army, die den Einsatzbefehl von US-Präsident George Bush erhalten hatte, zivile wie militärische Ziele im Irak und in Kuwait. Die Operation “Desert Storm” endete im Januar 1991 mit der militärischen Niederlage der irakischen Armee. Allerdings unterließ die US-Army auf Geheiß der UNO die Einnahme Bagdads. Saddam Hussein blieb im Amt und provozierte fortan US-Präsident George Bush. Nichts wäre seinem Sohn George Walker Bush lieber, als die damalige Familienschmach heute mit einer militärischen Intervention und dem Sieg über Saddam Hussein zu beenden. KRIEG 3. Nach dem zweiten Golfkrieg sollte der Irak sämtliche Massenvernichtungswaffen sowie seine ballistischen Flugkörper mit einer Reichweite von mehr als 150 Kilometern vernichten. Doch die USA äußerten Zweifel daran, ob die irakische Regierung diesen Beschluss der Vereinten Nationen vollständig umgesetzt habe. Am 8. November 2002 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen seine Resolution 1441. In ihrem im Januar 2003 vorgelegten Zwischenbericht konnten Mohamed El-Baradei, Leiter der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), und UN-Chefinspektor Hans Blix nach 60-tägiger Recherche allenfalls die mangelnde Unterstützung seitens des Iraks bei den Waffeninspektionen beklagen, vor der UNO jedoch keine schlüssigen Beweise für die Existenz irakischer Massenvernichtungsmittel vorlegen. KRIEG 4. Noch bevor UN-Waffeninspektor Blix seinen Zwischenbericht über die Suche nach Massenvernichtungswaffen im Irak vorgelegt hatte, trafen sich Vertreter der US-amerikanischen und britischen Erdölindustrie, um bereits die Aufteilung der irakischen Erdölfelder zu besprechen. Auch Russland spekuliert auf milliardenschwere Gewinne durch die garantierte Abnahme des eigenen Öls durch die USA. Öl ist der Treibstoff der Weltwirtschaft. Die Neuordnung der arabischen Ölstaaten und der Zugriff auf die reichhaltigen irakischen Erdölfelder sind das zentrale Motiv für den dritten Golfkrieg. KRIEG 5. Schon im zweiten Golfkrieg hatte hauptsächlich die Zivilbevölkerung gelitten, rund 100 000 Iraker - vornehmlich Zivilisten - kamen bei den Militärangriffen ums Leben. Das US-Embargo gegen den Irak hat in den vergangenen Jahren bittere Not und Hunger unter der Zivilbevölkerung ausgelöst, Hunderttausende Kinder sind bereits gestorben, der Hass im Irak ist gewachsen - allen voran gegen die USA. KRIEG 6. Früh und scheinbar erfreulich deutlich hatte sich die Rot-Grüne Bundesregierung festgelegt: “Unter meiner Führung wird sich Deutschland an einer militärischen Intervention nicht beteiligen”, so Gerhard Schröder. Mit uns demonstrieren heute viele SPD- und GRÜNEN-Mitglieder. Ich würde mich freuen, wenn sie dem Bundeskanzler und dem Bundesaußenminister Mut zusprechen, zu seinem Wort zu stehen. Dabei dürfen wir nicht verschweigen, dass Anspruch und Wirklichkeit - entgegen der allgemeinen Friedensrhetorik - weit auseinanderklaffen. KRIEG 7. Völkerrechtler sehen in der UN-Resolution 1441 keine Legitimation eines Angriffskriegs gegen den Irak und damit einen drohenden Bruch des Völkerrechts. Auch ältere Resolutionen können mittlerweile nicht mehr angeführt werden. Der NATO-Vertrag und dessen Zusatzabkommen reichen nicht zur Begründung eines Angriffskrieges gegen den Irak. Sollte keine zweite UN-Resolution einen Angriff gegen den Irak legitimieren, würden die USA und ihre Alliierten einen völkerrechtswidrigen Krieg führen. Auch deutsches Recht verbietet einen Angriffskrieg. Laut Artikel 26, Absatz 1, Grundgesetz sind “Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.” Frieden schaffen FRIEDEN 1. Völlig unstrittig hat das Regime von Saddam Hussein schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen - und es begeht sie weiterhin. Zu Recht beklagt Amnesty International die Praxis des “Verschwindenlassens, extralegale Hinrichtungen und andere Formen staatlichen Mords, Massenmord an Zivilisten unter Einsatz chemischer Waffen, systematische Folter” sowie die “Rekrutierung von Kindern in die bewaffneten Streitkräfte”. Keine Frage: Saddam Hussein ist ein Massenmörder, dessen Terrorregime sich vor allem gegen politische Oppositionelle und die irakischen Kurden richtet, aber auch Nachbarländer wie den Iran und Kuwait bedroht. FRIEDEN 2. Soll der Krieg gegen den Irak tatsächlich dem Kampf gegen den Terror dienen, so ist er das falscheste aller möglichen Mittel. Wer Krieg gegen den Irak führt, gießt Öl ins Feuer des internationalen Terrorismus. Mit den Opfern erwachsen neue Märtyrer, wird neuer Hass gesät, werden neue Terroristen geschaffen. Militärisch gesehen ist der Irak eine schwache Nation, die Niederlage auf dem Schlachtfeld eine Frage der Zeit. Seine Stärke liegt allenfalls in einem Heer von Selbstmordattentätern, die in den Jahren danach weltweit Attentate verüben und damit ihrerseits neuen Hass säen werden. Aus dem Krieg gegen den Irak droht ein Flächenbrand zu werden, der sich nicht löschen lassen wird. Die Eskalationsgefahr ist unkontrollierbar. Wer dem international wachsenden Terrorismus den Boden entziehen will, muss den Hunger und die Armut bekämpfen, muss Schulen, Krankenhäuser und Altenpflegeheime bauen. FRIEDEN 3. Erst eine gerechte Weltwirtschaftsordnung - bislang von den Regierungen der reichen Staaten und Multis mit Erfolg verhindert - würde den Wandel zum Positiven bringen. Allein die auf 50 bis 200 Milliarden US-Dollar veranschlagten Kriegskosten wären als Entwicklungshilfegelder eine entscheidende Investition in den Frieden! Auch Sozial-, Gesundheits-, Bildungs- und Flüchtlingsausgaben dienen dem inneren und dem äußeren Frieden. FRIEDEN 4. Nehmen wir die Charta der Vereinten Nationen und unser Grundgesetz auch nur im Ansatz ernst, so muss den UN-Waffeninspekteure die Zeit gegeben werden, die sie brauchen. Und sollten doch noch Waffen im Irak gefunden werden, dann müssen diese unter UN-Aufsicht vernichtet werden. FRIEDEN 5: Um es deutlich zu sagen: Wir hegen keinen Antiamerikanismus. Ganz im Gegenteil: Wir unterstützen Millionen von Friedensfreundinnen und -freunden in den USA. George W. Bush und die US-Regierung aber betrachten Krieg als ein Mittel der Politik. Gemäß der neuen Kriegsstrategie wollen die USA vier Kriege gleichzeitig führen können. Wir dagegen wenden uns gegen jeden Krieg. Krieg darf nie die Ultima Ratio - nie das letzte Mittel sein - sein. Die einzig legitime Antwort auf die Kriegstreiberei der US-Regierung ist der Pazifismus. Deshalb fordern wir - im Schulterschluss mit der internationalen Friedensbewegung, darunter vielen Gruppen in den USA, in Großbritannien, Spanien und anderen Ländern, in denen die Mehrzahl der Menschen gegen den Einsatz militärischer Mittel ist:
Kontakt: Tel. 0761-76 78-208, Fax: -209; j.graesslin@gmx.de Wir danken Jürgen Grässlin für das Überlassen seiner Rede zur Veröffentlichung auf der Lebenshaus-Website! Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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