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“Der Geruch des Krieges” von Uri Avneri

Uri Avneri ist israelischer Knesset-Abgeordneter und Schriftsteller.

Dies ist kein Krieg gegen Terrorismus.
Dies ist kein Krieg um Massenvernichtungswaffen.
Dies ist kein Krieg um Demokratie im Irak.
In diesem Krieg geht es um etwas ganz anderes.

Was den Terrorismus betrifft: Saddam Hussein ist ein grausamer Diktator, aber der Gedanke, dass es eine Verbindung zwischen ihm und Osama Bin Laden gebe, ist lächerlich. Saddam ist der Kopf der irakischen Sektion der Al-Baath-Partei, einer sehr säkularen Partei. Bin Laden ist ein islamischer Fundamentalist, und al-Qaida zielt dahin, alle säkularen Regime der Region zu zerstören. Der Beamte, der diese sonderbare Lüge erfunden hat, ist entweder ein Dummkopf oder ein Zyniker, der glaubt, dass man alle Leute wenigstens einige Zeit zum Narren halten kann.

Was die Massenvernichtungswaffen betrifft: die USA unterstützte Saddam, als er tödliches Giftgas gegen die Iraner (und ihre kurdischen Verbündeten im Irak) anwandte. Zu jener Zeit war Amerika daran interessiert, die Iraner zu stoppen. Heute gibt es chemische und biologische Waffen in den meisten Ländern der Region, einschließlich Ägypten, Syrien und Israel, und eines von ihnen hat nukleare Waffen.

Was die Demokratie betrifft: Die Amerikaner scheren sich den Teufel darum. Einige ihrer besten Freunde in der islamischen Welt sind Diktatoren, einige mehr, einige weniger grausam als Saddam. Ein altes amerikanisches Sprichwort lautet: “Er ist ein Scheißkerl - aber er ist unser Scheißkerl!”

Falls es so ist, worum geht es in diesem Krieg? In einem Wort: um Öl.
Es hängt ein starker Ölgeruch in der Luft. Ohne dieses zu riechen, kann man nicht verstehen, worum es sich handelt. Wenn man einmal begriffen hat, worum es überhaupt geht, sind die Handlungen von Bush & Co, obwohl zynisch und heuchlerisch, äußerst logisch.

Dies sind also die amerikanischen Kriegsziele:

> Die immensen Ölreserven des Irak zu übernehmen - sie gehören zu den größten der Welt.

> Die amerikanische Kontrolle der nahen großen Ölreserven am Kaspischen Meer zu sichern.

> Die indirekte amerikanische Kontrolle über das Öl in allen Golfstaaten wie Saudi Arabien, Kuweit und Iran zu verstärken.

Die Kontrolle über den größten Teil der Weltölreserven wird Amerika auf die Dauer von den Launen des Ölmarktes befreien. Ihre Hand, und zwar ihre allein, wird auf dem Ölhahn liegen. Sie, und zwar sie allein, werden den Öl-Preis auf der ganzen Welt bestimmen. Wenn sie wollen, dass der Preis steigt, dann steigt er. Wenn sie wollen, dass er sinkt, dann sinkt er. Mit einer einzigen Handbewegung werden sie in der Lage sein, der Wirtschaft Deutschlands, Frankreichs und Japans einen vernichtenden Schlag zu versetzen. Kein Staat in der Welt wird in der Lage sein sich in irgendeiner Sache ihnen entgegen zu stellen. Kein Wunder, dass sich Deutschland und Frankreich gegen den Krieg aussprechen. Er ist auch gegen sie gerichtet.

Es folgt daraus, dass die Amerikaner nicht beabsichtigen, den Irak zu betreten, eine Demokratie zu errichten, um dann zu gehen. Allein der Gedanke ist lächerlich.

Die US werden in den Irak eindringen, um dort zu bleiben - jahrelang oder Jahrzehnte. Ihre physische Präsenz in der arabischen und muslimischen Welt wird eine neue geopolitische Realität schaffen.

Natürlich ist es nicht das erste Mal, dass eine Weltmacht ihre Militärstärke dazu verwendet, ihre wirtschaftliche Vorherrschaft zu fördern. Aus der Geschichte kennen wir viele Beispiele. Tatsächlich könnte man sagen, die ganze Geschichte ist ein einziges Beispiel. Aber es gab nie eine solche Supermacht wie die USA, die keinen Rivalen mehr haben und die ihre ungeheure Militärmacht dazu gebrauchen, ihre Herrschaft über die Weltwirtschaft für die nächsten Generationen abzusichern.

Von diesem Gesichtspunkt aus wird der kommende Krieg gegen den Irak - - militärisch zwar ein “kleiner” Krieg - historisch aber große Bedeutung haben.

Auf jeden Fall wird Bush versuchen, irgendwie eine Regierung mit Einheimischen aufzustellen, um die amerikanische Besatzung zu vertuschen und ihr einige Legitimität zu verleihen. Da gibt es viele Freiwillige, die bereit sind, als Quislinge zu dienen. Aber Bush mag auch einen neuen Saddam Hussein bevorzugen, einen von ihnen ausgesuchten Diktator.

Aber Krieg ist Krieg. Krieg beginnt im Allgemeinen mit einem sehr gut vorbereiteten Plan, aber selbst der “beste” Plan, von der mächtigsten Militärmacht unterstützt, kann schief gehen.

Die arabischen Massen können sich gegen ihre von Amerika unterstützten korrupten, untertänigen Regierungen erheben. Die Türken können ein Massaker im Norden des Irak ausführen, um die Kurden ein für alle Mal zu brechen, und keiner kann vorhersagen, wie das enden wird. Die heiligen Stätten der Schiiten im Süden des Irak, in der Nähe des Iran, können Unruhen verursachen.

Wie wird sich das auf Israel auswirken? Oder , um eine alte Redewendung zu benutzen: “Ist es gut für die Juden?” Die Beziehungen zwischen Bush und Sharon sind fast symbiotisch. Nach Sharons Ansicht stärkt die massive Gegenwart der US in unserer Region Israel und wird ihm helfen, seine verborgene Agenda auszuführen. Aber wie man auf Hebräisch sagt, “der fette Schwanz des Schafes hat mittendrin einen Dorn”.
Die dauerhafte Besetzung des Irak lässt die US zu einer Art “arabischer” Macht werden mit den vitalen Interessen von Stabilität und Ruhe in der Region. Sie wird mit allen Mitteln versuchen, - vor, während und nach dem Krieg - Chaos in den arabischen Ländern zu verhindern.

Sharon und seine Generäle dagegen sind so viel als möglich an Chaos interessiert, um diesen für den “Transfer” von Millionen von Palästinensern auf die andere Seite des Jordan auszunützen. Da besteht ein deutlicher Interessenkonflikt zwischen Bush und Sharon.

Sharon, ein extremer, aber vorsichtiger Mensch, weiß indessen, dass er nicht unter allen Umständen Bush erzürnen sollte. Er wird also vorsichtig handeln. Er hat eine Menge Geduld und eine Menge Starrköpfigkeit. Er wird versuchen, von Bush die Genehmigung zu erhalten, wenigstens einen Teil der Palästinenser zu “transferieren”, Arafat ermorden zu lassen (wenn Saddam, warum nicht auch Arafat?) und das palästinensische Volk zu brechen.

Bush andrerseits wird sich wünschen, dass Israel ruhig bleibt, ganz ruhig. Gleichzeitig wird er die Drohung Israels ausnützen, um sicher zu gehen, dass auch die Araber sich ruhig, sehr ruhig, verhalten. Er wird den arabischen Herrschern, die gewaltig Angst vor einem Aufstand ihrer Völker haben, damit drohen, dass, falls sie sich nicht entsprechend verhalten, er Sharon freien Lauf lasse.

Ist das alles für Israel gut? Vom wirtschaftlichen und sozialen Standpunkt und dem der Sicherheit ist die Antwort negativ. Wir betreten ein Zeitalter der Abenteuerpolitik mit einem Abenteurer erster Sorte an der Spitze unseres Staates. Die Erde unserer Region wird erbeben, und keiner kann die Gefahren voraussehen, die auf uns zukommen. Nur eines ist sicher: dies wird keinen Frieden bringen.

Ich gehöre nicht zu jenen, die mit Gleichmut über Krieg reden können. Ich habe den Krieg gesehen, ich kenne sein Gesicht. Ich sehe die Tausenden, die getötet werden, die Zehntausenden, die verwundet und verstümmelt werden, die Hunderttausenden, die zu Flüchtlingen werden, die zerstörten Familien, das Meer von Tränen und menschlichem Leid.

Ich schließe mich den Millionen auf der ganzen Welt an, die NEIN sagen.


Uri Avneri schickte diesen Artikel am 08. Februar 2003 an die “Sonnenseite”. Er wurde von Ellen Rohlfs aus dem Englischen übersetzt und vom Verfasser autorisiert. Er wird hier mit freundlicher Genehmigung von franz alt - www.sonnenseite.com veröffentlicht.

Veröffentlicht am

23. Februar 2003

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