15. Februar: An tausend Orten demonstrieren heute Menschen gegen die verzerrten, grinsenden, zynischen Fratzen der KriegstreiberRede von Wolfram Frommlet bei der Demonstration in Ravensburg am 15.2.03
Vermutlich würde Donald Rumsfeld, wäre er jemals dem Vietnam-Veteranen Tom Nussbaumer begegnet, genau so menschen-verachtend auf ihn reagieren wie auf alle, die seine Propaganda durchschauen. Vor genau zwanzig Jahren, im Februar 1983, lernte ich Tom Nussbaumer für eine Radiosendung kennen. Er war unterwegs in Deutschland, in dem damals neben cruise missiles - kaum bekannt in der Öffentlichkeit - auch Chemie- und Biowaffen der US Armee lagerten. Davon verstand Nussbaumer etwas, darüber musste er reden. Er war als GI in Vietnam gewesen, als Agent Orange und Agent Blue über jenes Land gegossen wurden, um die Wälder zu entlauben, um noch effektiver den Vietcong bombardieren zu können. Ein Test für das Neueste aus amerikanischen Labors - 72 Millionen Liter, 90.000 Tonnen. Nach dem Krieg gebar Nussbaumers Frau ein behindertes Kind. Niemand wusste warum. Mehr und mehr Ex-GIs teilten dieses Schicksal. Tausende. 1983 wussten sie Bescheid. Die Spätfolgen von Agent Orange. In den USA war von Harris und Paxman das Buch erschienen “Eine höhere Form des Tötens - die geheime Geschichte der B- und C-Waffen.” “Länder und Völker werden eindimensional dargestellt im Namen von Frieden und Gerechtigkeit,” sagte Nussbaumer 1983. “Vorurteile werden geschaffen, als Grundlagen für einen Krieg. Ich bitte Euch, prüft sorgfältig nach, wer da im Namen von Frieden und Gerechtigkeit redet”, und, fügte er hinzu, “keine Helden hat es gegeben in diesem Krieg, nur Opfer.” Mehr GIs als im Krieg gefallen waren, begingen danach Suizid - über 47.000. Davon ist bei CNN nicht die Rede. Wenige Monate nach dem Treffen mit Nussbaumer sah ich in Vietnam, im Kriegsmuseum in Hanoi, was ich nie vergessen werde - in Gläsern, in Formalin konserviert, auf Fotos dokumentiert - was vietnamesische Frauen nach dem Krieg geboren hatten, oder abgetrieben: Embryos ohne Gehirn, ohne Augen, Totgeburten ohne Gliedmaßen, Rümpfe, mit Zyklopenauge, mit einem am Kopf angewachsenem Penis, oder zusammengewachsene Fleischklumpen. Welch kurzes Gedächtnis - von Gewissen wollen wir nicht reden - Vietnam Veteran Powell und seine Freunde Dick & Donald haben müssen: Nicht einmal zehn Jahre nach der Verseuchung Vietnams wird Saddam Hussein mit amerikanischem Giftgas und Milzbrandbakterien ausgerüstet, weiteres wird er mit Hilfe deutscher Firmen und amerikanischer Kenntnis bauen - weil er zugleich garantiert - Dass die sozialistische Opposition - auch und vor allem die der Kurden! in seinem Land ermordet, eine linke Gefahr in Nahost erstickt wird, und das amerikanische Teufelszeug bereit ist, gegen den damaligen US-Erzfeind Iran einzusetzen. Stimmungswandel. Im 1. Golfkrieg bombardieren, verbrennen, unter offenem Himmel, GIs Saddams Giftlager - 100.000 waren, laut Veteranengruppen, dem Kampfstoff Sarin ausgesetzt. Kirt Love ist einer von ihnen - ein Wrack, arbeitsunfähig wie Zigtausende - 103 Dollar Versehrtenhilfe pro Monat aus Washington. Donald R. dürfte vermutlich nicht mit ihm gesprochen haben. Am 5. Februar bestätigten Donald Rumsfeld und General Myers zum ersten Mal vor dem US Kongress-Ausschuss “Armed Services Committee” dass der Einsatz - wie menschlich! - “nicht-tödlicher” Chemie-Waffen gegen den Irak vorbereitet werde - auch wenn dies gegen die Chemical Weapons Convention verstoße. Die Bedrohung Amerikas mache dies nötig. Scott Ritter - vermutlich für Frau Merkel ein Antiamerikanist pur - Scott Ritter sagte in einem Weltwoche-Interview dazu nur: Ein letztes Detail zu diesem Kapitel: Im Dezember 2001 macht in Genf der Vertreter der US Regierung ein halbes Jahrzehnt diplomatischer Kleinarbeit zunichte - eine großartige zivilisatorische Errungenschaft: die Internationale Biowaffenkonferenz ist gescheitert, die Chance, in fast 150 Staaten diese Horrorwissenschaft zu kontrollieren und mittelfristig zu beenden. Wie Dreck, sagten westliche Diplomaten, seien sie von den US-Delegierten behandelt worden. Die Hegemonialmacht USA will sich nicht in die Labors schauen lassen, ist niemandem Rechenschaft schuldig - nicht einmal ihren eigenen an Leib und Seele ruinierten GIs. Deshalb auch boykottiert sie ein weltweites Verbot von Anti-Personen-Minen, einen Atomwaffensperrvertrag, oder einen Internationalen Gerichtshof - für ein Nein werden die NATO-Ostblockstaaten mit Kreditzusagen erpresst. Reden wir über das, worum es im geplanten 2. Irak-Krieg wirklich geht: um eine Neue Weltordnung. Dazu gibt es Vorläufer im Alten Europa, aber die sind in der Tat für die Fünfer-Bande Wolfowitz-Rice-Bush-Cheney-Rumsfeld überholt. 1884 wurde auf der legendären Berlin-Konferenz unter Bismarck der afrikanische Kontinent unter den Kolonialmächten aufgeteilt. Lächerlich. Veraltet. Deshalb geht es um Öl - mit dem Bush sr. und jr. ihre ersten Millionen gemacht haben, bevor sie als Präsidenten ihre Konzernfreunde ins Weiße Haus holten - schamloser, skrupelloser als jeder Präsident vor ihnen. Es geht um die Interessen von Halliburton, wo Cheney im Vorstand saß, um ExxonMobil, um ChevronTexaco. Wer deren Konditionen akzeptiert, braucht kein Demokrat zu sein, wie der stalinistische Diktator Turkmenbaschi im ölreichen Turkmenistan. Solange die Petrodollars in Rüstung aus den USA investiert werden ist freedom and democracy kein Thema - Kuwait und Saudiarabien. Die pipeline-Pläne sind bekannt - sie umfassen eine ganze Region: Kasachstan, Usbekistan, Aserbeidschan, Armenien, Turkmenistan, die Vorkommen im Südsudan, im Jemen. Um nur die wichtigsten zu nennen. Die russischen Konkurrenten bekommen ihren Anteil, wenn Putin den amerikanischen Hegemonialstrategien zustimmt - dass in diesen ehemaligen Sowjetstaaten mit amerikanischem hightech-Arsenal und schnellen Eingreiftruppen die Neue Ordnung gesichert wird. Und von niemandem sonst! Dafür Schweigen zum Terror in Tchetchenien. Die französischen und britischen Konkurrenten ElfAquitaine und BP werden inkorporiert, die alten Erbschaften in den ehemaligen Kolonien respektiert - Gabun, Kongo Brazzaville. Tony Blair macht als Dank den keifenden Pinscher. Es ging in der amerikanischen Außenpolitik immer um mehr als um Öl - nur unter Bush jr. noch konsequenter: es ist ein Krieg gegen die Armen und soziale Veränderungen im Süden, in der Dritten Welt. Die Würde der Menschen in den Ländern des Südens wird mit Füßen getreten - und das amerikanische Volk verliert damit seine eigene Würde. Erst wenn sie auch in Jakarta und Kalkutta Mc Donald und McRip essen, sind sie akzeptabel. Eine endlose Geschichte voller Blut und Terror: Als 1951 in Guatemala Präsident Jacobo Arbenz eine Landreform für die Besitzlosen ankündigte und die Plünderungsmethoden der United Fruit Company gefährdet waren, wurde er mit Hilfe der CIA hinweggeputscht. Der Nachfolger Rios Montt, Mitglied einer fundamentalistischen amerikanischen Sekte, hat nicht gestört. Ein Massenmörder, keinen Deut besser als Saddam Hussein, wie all die anderen, die CIA und Pentagon, Konzerne und White House an die Macht gebracht, an der Macht gehalten haben - Solange sie eben nützlich waren. Wenn sie den Rahmen überzogen, marschiert man eben ein - wie in Somalia gegen den Diktator Siad Barre, von Amerikas Gnaden hochgerüstet, und hinterlässt, wenn es amerikanische Tote gibt, Chaos, Anarchie. Very sorry. Wo immer das Gespenst des Sozialismus drohte: Soziale Gerechtigkeit, Bildung & Land für die Armen, weniger Gewinne der amerikanischen Konzerne oder eine Schließung von Militärbasen, wurde der nackte Terror installiert - Oder Thieu in Vietnam, Marcos auf den Philippinen, Suharto auf Indonesien - mit 500.000 Morden an die Macht geputscht, mit Hilfe des CIA. Nix freedom and democracy. Geschundene Völker, ausgeraubt, zweimal geplündert - von den ausländischen Konzernen und den protegierten nationalen Diktaturen. Aber die Toten waren ja nur Gewerkschafter, Sozialisten, Kommunisten, “commies, gooks,” Bauernführer, Intellektuelle - “fucking intellectuals”. Oder Priester der Befreiungstheologie. So what! Deren Visionen bringen keinen Gewinn für IBM und Chase Manhattan, für United Fruit und Nabisco. Die neuen Feindbilder in den Chefetagen stehen schon fest: der aus den Slums stammende brasilianische Präsident Lula, der Präsident der Armen in Ecuador - Lucio Gutierrez. Schaun wir mal, wie lange die geduldet werden von Washington. “war against terrorism” - welch ein Zynismus! Der Terror hat sich für den Westen doch gelohnt: von 1994 bis 2001 haben die USA in Länder der Dritten Welt Waffen für 83 Milliarden Dollar verkauft, Großbritannien für 41, Frankreich für 26 Milliarden. Das ist gut für die Verschuldung und die daraus resultierenden Auflagen von Weltbank und Währungsfonds. Die Armen zahlen die Schulden zurück, bevor sie verrecken, wie in Argentinien. Irak ist nur ein Synonym für den neuen globalen Krieg Norden gegen Süden. Es geht auch ohne Waffen - eine andere tödliche Kombination am Beispiel Indien: Der Erpresserbegriff heisst Neoliberalismus - trade liberalisation. Ein Land wie Indien muss sich öffnen für Saatgutkonzerne, für hochsubventionierte Agrarprodukte aus den USA, für CocaCola und Pepsi, die traditionelle Getränke verdrängen und Kleinbauern in den Ruin, oder, wie in Kerala, in den Suizid treiben. Die Neoliberalisierung der WTO, der Welthandelsorganisation - die GATS Auflagen - die Privatisierung selbst der Grundbedürfnisse in der Dritten Welt wie Wasser und Gesundheit - sie tötet jährlich mehr Menschen als ein Monster wie Saddam Hussein. Auch ohne Irak - es herrscht Krieg: gegen die Kleinbauern in der Dritten Welt, gegen die Armen, gegen die Natur, gegen die Schöpfung. Nie hat eine US Regierung - zum Entsetzen von amerikanischen Umweltbewegungen - so rücksichtslos im Namen der Konzerne, die diese Regierung repräsentiert, der Erde den totalen Kampf angesagt - auf eigenem und auf fremdem Territorium. Nachhaltigkeit, sustainability - das Thema der Weltkonferenz in Johannesburg - Bush kann es nicht einmal buchstabieren. Damit dies funktioniert, braucht es ein letztes Kriegsmittel - Verdummung, Verblödung, Indoktrination der Bevölkerung. National, global. Freiwillig ist CNN zum StateHouse-Propaganda-Sender geworden. Bushs Verehrer passen ins puzzle - Silvio Berlusconi und Rupert Murdoch. Bush hasst, wie alle religiösen Fundamentalisten, Intellektuelle. Der britische, weltbekannte Schriftsteller John le Carré, Ex-Agent des britischen Geheimdienstes, schreibt: Ein neuer McCarthyismus wird vorbereitet - das US Verteidigungs-ministerium arbeitet am “Total Awareness Project” - der Totalüberwachung jeglicher privater Kommunikation; von PR und Werbeagenturen erarbeitete Desinformationskampagnen - schon im Vietnamkrieg begonnen - werden ständig verfeinert. Hetzjagd auf kritische Wissenschaftler, Künstler und Schriftsteller, auf NGOs (Nichtregierungsorganisationen) jeder Couleur. Der Vernichtungsbegriff heisst “Antiamerikanismus”. Grüß Gott, Frau Merkel, Grüß Gott Herr Merz und Kompliment. Blöd nur, Sie liegen knapp neben der Wahrheit: wer antiamerikanisch ist, müsste Amerika diesen Krieg, wünschen, weil er das Volk seelisch, moralisch, kulturell und ökonomisch vernichten wird, weil seine Auswirkungen noch furchtbarer sein werden als die des Vietnam-Krieges. Deshalb sind wir pro-amerikanisch - für das Volk. Und, ein Beispiel, wie sehr Sie sich täuschen, Frau Merkel: Das amerikanische Nachrichtenmagazin TIME, bekanntlicherweise nicht von Libyen und Kuba finanziert, hat eine internet-Umfrage laufen - eine Frage nur: “which country poses the greatest danger to world peace in 2003” Welches Land ist die größte Gefahr für den Weltfrieden ? - Drei Länder kann man antippen - Irak, Nordkorea, USA. Am 14.2. hatten 430.ooo LeserInnen abgestimmt: Nicht alle sind so dumm, wie Ronald McDonald sie gerne hätte. Ein Hoffnungszeichen von vielen - 240 Bischöfe, unter ihnen viele aus den USA, sprechen sich weltweit gegen den Krieg aus; und Idole der US Kultur - Barbara Streisand oder Larry Hagman; der Ökonom & Nobelpreisträger Joseph Stiglitz verlässt den Währungsfonds, weil er dessen Verelendungspolitik nicht mehr mittragen will; Seattle, Genua, Johannesburg, Davos, das G7-Treffen in Köln - Menschen aller Religionen und Ethnien, aller sozialer Schichten, wild und zärtlich, jung und alt, demonstrieren, keinem ideologischen Führer folgend, sondern ihrem untrüglichen Gefühl, dass dies unsere Welt ist, und sie von einigen wenigen an den Abgrund geführt wird. 100.000 Menschen aus 5.000 Nicht-Regierungsorganisationen trafen sich zum 2. Mal im brasilianischen Porto Allegre - und sie strafen das reaktionäre Pamphlet des amerikanischen Soziologen Samuel Huntington “A Clash of Civilisations” Lügen. Nein, kein Kulturkampf, kein Religionskrieg - eine andere Welt ist möglich. Jeden Tag werden es mehr, die sich wehren, die aufstehen - wird sind am Ende der Bescheidenheit! Und am Ende der Dankbarkeit - nix “thank you Colin für Care- Pakete und Luftbrücke und Demokratie.” Diese Rechnung ist bezahlt. Jetzt reden wir über den Rest - Über unsere Solidarität, über das Erbe der Aufklärung, über die Eine Welt - in der Dinosaurier nur noch einen Platz haben - im Museum. Zu wenig Hirn, zu viel Panzer. Un pueblo unido, jama sera vencido, sang Victor Jara in Chile. Ein vereinigtes Volk ist nicht zu besiegen. Oder, mit einem Zitat der indischen Schriftstellerin Arundathi Roy: An Tausend Orten demonstrieren heute Menschen gegen die verzerrten, grinsenden, zynischen Fratzen der Kriegstreiber - in London und Madrid, in Los Angeles und Paris. Wir sind ein kleiner Teil davon! Bündnisse für eine gerechtere, eine demokratischere Welt, in der Ressourcen, Wissen und Forschung, Religionen und Kulturen für eine zukunftsfähige, solidarische Welt eingesetzt werden - über alle Grenzen hinweg - Amerikaner und Deutsche, Israelis und Palästinenser, Kurden und Türken, Muslime und Hindus zünden weltweit Millionen kleine Lichter an - wir sind die Welt. Aber sie wird uns nicht geschenkt - wir werden um sie kämpfen müssen, wir werden einen langen Atem brauchen und ein Tag wie dieser wird erst der Anfang sein. Friede sei mit Euch. Schalom.
Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
|