Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS
 

Vergessene Resolutionen

Nummer 687 forderte Hilfe für Irak - und blieb folgenlos

Von Clemens Ronnefeldt, veröffentlicht in der Frankfurter Rundschau , 1.3.2003

Während in der Debatte um die UN- Resolution 1441 zu Irak von den Regierungen der USA und Großbritanniens die Einhaltung des genauen Wortlautes gefordert wird - mit der entsprechenden Konsequenz eines Krieges bei Verstößen -, stellen sich bei der Lektüre etwa der bis heute grundlegenden Resolution 687 vom 3. April 1991 einige Fragen. In dieser vom Sicherheitsrat nach Ende des Golf-Krieges 1991 verabschiedeten Resolution wird die “Verpflichtung aller Mitgliedsstaaten auf die Souveränität, die territoriale Integrität und die politische Unabhängigkeit Kuwaits und Iraks” bekräftigt.

Weil infolge der massiven Bombardierungen 1991 die Zivilbevölkerung in Irak in eine katastrophale Notlage geriet, verabschiedete der Sicherheitsrat die Formulierung: “… mit großer Sorge Kenntnis nehmend von den Berichten des Generalsekretärs vom 20. März 1991 und 28. März 1991 und sich dessen bewusst, dass der humanitäre Bedarf in Kuwait und Irak dringend gedeckt werden muss”. Welche Regierungen übernehmen die Verantwortung dafür, dass der humanitäre Bedarf in Irak offensichtlich bis heute nicht gedeckt wurde? Wie ist zu erklären, dass trotz der Rücktritte der für das Öl-für-Lebensmittel-Programm zuständigen UN-Diplomaten Dennis Halliday und Hans von Sponeck sowie der leitenden UN- Mitarbeiterin Jutta Burghard wegen des Todes von etwa 5000 bis 6000 Kindern unter fünf Jahren in Irak - und dies Monat für Monat - keines der Sicherheitsratsmitglieder die Initiative zur Verbesserung der völkerrechtsverletzenden humanitären Situation ergriffen hat?

Während die US- und die britische Regierung auf die Einhaltung der UN- Resolutionen bezüglich der Abrüstung der irakischen ABC- Waffenbestände sowie der Vernichtung weit reichender irakischer Raketen drängt, scheint über der Fixierung auf das Land Irak vollständig aus dem Blick zu geraten, dass der UN- Sicherheitsrat am 3. April 1991 ein die Grenzen Iraks überschreitendes Sicherheitskonzept im Blick hatte: “… unter Hinweis auf das Ziel der Schaffung einer kernwaffenfreien Zone in der Nahost-Region, im Bewusstsein der Gefahr, die alle Massenvernichtungswaffen für den Frieden und die Sicherheit in dem Gebiet darstellen, und der Notwendigkeit, auf die Schaffung einer von derartigen Waffen freien Zone im Nahen Osten hinzuarbeiten, sowie im Bewusstsein des Ziels der Herbeiführung einer ausgewogenen und umfassenden Kontrolle der Rüstungen in der Region, ferner im Bewusstsein dessen, wie wichtig es ist, dass die oben genannten Ziele unter Heranziehung aller zur Verfügung stehenden Mittel erreicht werden, insbesondere auch durch einen Dialog zwischen den Staaten der Region…”

Welche Staaten des Sicherheitsrates haben in den vergangenen zwölf Jahren ernsthafte Versuche unternommen, zum Beispiel eine Konferenzfolge nach KSZE/OSZE- Vorbild ins Leben zu rufen, an deren Ende möglicherweise ein ABC-Waffenfreier Naher und Mittlerer Osten sowie ein regionaler Friedens- und Sicherheitspakt hätte stehen können? Sind von den Sicherheitsratsmitgliedern wirklich “alle zur Verfügung stehenden (zivilen) Mittel” herangezogen worden, um etwa die bekannten syrischen oder iranischen C-Waffen und die israelischen Atomwaffen einer Abrüstung zuzuführen? Wer übernimmt die Verantwortung für diese Versäumnisse sowie die damit einhergehende Verletzung der UN-Resolution 687?

Wie konnte es geschehen, dass der Artikel 14 der UN-Resolution 687, wo es vom UN- Sicherheitsrat heißt: “… nimmt zur Kenntnis, dass die von Irak gemäß Ziffer 8, 9, 10, 11, 12 und 13 dieser Resolution zu treffenden Maßnahmen Schritte in Richtung auf das Ziel der Schaffung einer Zone im Nahen Osten, die frei ist von Massenvernichtungswaffen und allen Flugkörpern zu deren Einsatz, sowie in Richtung auf das Ziel eines weltweiten Verbotes chemischer Waffen darstellen…” offensichtlich bis heute nicht zur Kenntnis genommen wird? War es nicht die US- Regierung, die sich einem weltweiten Verbot chemischer Waffen bisher am stärksten widersetzt hat?

Bevor George W. Bush und Tony Blair gemeinsam in einer “Koalition der Willigen” mit einem Krieg den Regimewechsel in Bagdad herbeiführen und sich dabei auf die Einhaltung von UN-Beschlüssen berufen, ist ihnen ein Blick in die UN-Charta, Art. 2,4, anzuraten: “Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.”

Sofern es sich bei dieser Koalition der Kriegswilligen um Nato-Staaten handelt, lohnt auch ein Blick in Artikel 1 des bis heute gültigen Nato-Vertrages, des Washingtoner Vertrages, vom 4. April 1949: “Die Parteien verpflichten sich, in Übereinstimmung mit der Satzung der Vereinten Nationen jeden internationalen Streitfall, an dem sie beteiligt sind, auf friedlichem Wege so zu regeln, dass der internationale Friede, die Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden, und sich in ihren internationalen Beziehungen jeder Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung zu enthalten, die mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar ist.”

Die Einhaltung dieses Artikels 1 könnte die UN davor bewahren, in Kürze dem Schicksal des Völkerbundes zu folgen.

Clemens Ronnefeldt ist Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes, der Beraterstatus bei den UN hat.

Veröffentlicht am

04. März 2003

Artikel ausdrucken

Weitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von