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Kings wirklicher Geburtstag

Am 4. April 2003 jährt sich der Todestag von Martin Luther King zum 35. Mal. Gerade in der jetzigen Zeit, in welcher die amerikanische Regierung eine blutige Invasion in den Irak vorhat, wird besonders schmerzlich der Verlust dieses Mannes deutlich, der sich so nachhaltig für Gewaltfreiheit engagiert hat. Und der sterben musste, weil er durch sein Engagement gegen den Vietnamkrieg und gegen die Armut in Amerika zu einer Bedrohung für die US-Regierung und die amerikanische Rüstungsindustrie geworden war.

Dabei hatte King zunächst noch gezögert, offen gegen den Vietnamkrieg aufzutreten. Führende Bürgerrechtler vertraten die Auffassung, Friedens- und Bürgerrechtsbewegung dürften nicht vermischt werden. Sie befürchteten zu Recht, dass die politische und finanzielle Unterstützung der Bürgerrechtsbewegung durch weiße liberale gefährdet sei, wenn King deutlich die Regierungspolitik kritisiere. King hielt sich aber nicht an diese Tradition.

Der Amerikaner Jim Douglass, der in den Südstaaten der USA lebt, geht in seinem Beitrag “Kings wirklicher Geburtstag” auf diese Zusammenhänge ein. Bezogen auf die aktuelle Situation zieht er den Schluss, es gelte jetzt auf die Drohung mit einem Krieg im Irak so zu reagieren, wie King es tun würde, nämlich mit verstärktem gewaltfreiem Widerstand. Sonst würden wir Komplizen nicht nur der Zerstörung des Irak, sondern auch der Vereinigten Staaten von Amerika.

(Michael Schmid)

Kings wirklicher Geburtstag

Von Jim Douglass

Ich glaube, Martin Luther King würde sagen, wir haben seinen Geburtstag ganz falsch aufgefasst. Dr. King, ein Glaubender, wenn es je einen gab, könnte mit Überzeugung sagen, sein wirklicher Geburtstag sei der 4. April 1968, der Tag, an dem er in Memphis erschossen wurde, weil er Gottes Willen getan habe, und er sei wiedergeboren in die Herrlichkeit Gottes.

Als ein Mann, der geistige Zusammenhänge sah, könnte Martin Luther King sogar ein Jahr zurückgehen und sagen, der Tag seiner Geburt sei der 4. April 1967, als er das Leben erwählte durch seine große Rede gegen den Vietnam-Krieg in der Riverside-Church von New York, wodurch er eine Verschwörung provozierte, die zu seinem Tod und zu seinem neuen Leben führte.

Sein neues Leben entsprang aus der Verzweiflung des Ghettos. Wie er an jenem Abend des 4. April 1967 sagte, musste er seine Stimme für Vietnam erheben wegen “meiner Erfahrung in den Ghettos des Nordens während der letzten 3 Jahre”. Als King zwischen den verzweifelten, abgewiesenen und zornigen jungen Männern aus den Ghettos marschierte, sagte er ihnen, ihre Probleme würden sie nicht mit den Gewehren lösen, sondern durch gewaltfreie Aktionen.

“Doch sie fragten” - und sie hatten Recht - “was ist mit Vietnam? Sie fragten, ob unsere Nation nicht etwa massive Gewalt anwende, um ihre Probleme zu lösen, um die Veränderungen durchzusetzen, die sie wollte.”

King stellte sich der Wahrheit dieser Männer, von denen einige schon verwundete Vietnam-Veteranen waren: “Ihre Fragen kamen an, und ich wusste, ich könnte nie wieder meine Stimme gegen die Gewalt der Unterdrückten in den Ghettos erheben, ohne zuerst ein klares Wort an den größten Gewalttäter der Welt von heute zu richten - an meine eigene Regierung.”

Kings Rede erzeugte kalte Wut bei den herrschenden Mächtigen. Wie sein Biograph David Garrow feststellte, schrieb damals FBI-Direktor Edgar J. Hoover an Präsident Lyndon B. Johnson: “Wenn man Kings neuerliche Aktivitäten und öffentliche Äußerungen betrachtet, ist es klar, dass er ein Instrument in den Händen subversiver Kräfte ist, die unsere Nation unterhöhlen wollen”.

Obgleich King sich über Washingtons Reaktion klar war, verstärkte er seinen Widerstand gegen den Krieg. Er fügte dem noch seine Pläne für massiven zivilen Ungehorsam im Rahmen der “Kampagne der Armen” hinzu. Seine Strategie war, im Frühjahr 1968 die Hauptstadt der Nation so lange stillzulegen, bis die Regierung einverstanden war, die Armut in den USA abzuschaffen.

King sagte zu seinen Leuten, während er die Washington-Kampagne plante: “Wenn wir dorthin kommen und ein paar Tage dort sind, ruft die Friedensbewegung her, lasst sie auf die andere Seite des Potomac gehen und versuchen, das Pentagon zu schließen, wenn das möglich ist.”

Bei dem einzigen Gerichtsverfahren, das wegen der Ermordung Kings im November/Dezember 1999 stattfand, beschrieb Kings Mitarbeiter, Reverend James Lawson, diese Entwicklungen. Er sagte dann den Geschworenen: “Ich habe keinen Zweifel, dass die Regierung das alles ernst genug nahm, um seine Ermordung zu planen.”

Ich nahm an der dreiwöchigen Gerichtsverhandlung von Anfang bis zum Schluss teil. Siebzig Zeugen traten in dem Mordprozess der King-Familie gegen den Wirtshausbesitzer Loyd Jowers “und andere unbekannte Mitverschwörer” auf. Die Geschworenen, sechs schwarze und sechs weiße Bürger, brauchten wenig mehr als eine Stunde, um zu dem Urteilsspruch zu kommen, dass Loyd Jowers und “andere, einschließlich Regierungsagenturen”, sich verschworen hatten, King umzubringen.

Die unvermeidliche Schlussfolgerung aus dem Zeugnis bei dem Gerichtsverfahren, das ich hörte, ist, dass dieselbe Regierung, die Martin Luther Kings Geburtstag zu einem Feiertag erklärte, ihn auch getötet hat.

Aber mache es genau wie die Geschworenen und entscheide selbst aufgrund der Zeugenaussagen. Man kann das alles auf der Website des King-Center lesen, oder zusammengefasst in einem Buch, das soeben vom Anwalt der King-Familie, William F. Pepper, veröffentlicht wurde: “Die Hinrichtung des Martin Luther King. Wie die amerikanische Staatsgewalt ihren Gegner zum Schweigen brachte” (auf Deutsch erschienen im Verlag Diederichs im Februar 2003, ISBN: 3-7205-2405-1, Preis: 22 Euro).

Die bemerkenswerte Geschichte von Peppers 25-jähriger Untersuchung der Ermordung Kings wird erzählt in: “Die Hinrichtung des Martin Luther King.” Aus den Beweisen, die Pepper zusammengestellt hat, können wir die Punkte von Kings Ansprache in der Riverside - Church an bis zu seiner Ermordung durch die US - Geheimdienstagenturen ein Jahr später verfolgen.

Martin Luther King weigerte sich, sein Engagement für Frieden und Gerechtigkeit zu zerteilen, ob es nun um die Arbeiter der sanitären Einrichtungen von Memphis ging, oder um vietnamesische Bauern. Sie gehörten alle zu der geliebten Gemeinschaft. Wir können sicher sein, er würde heute auch die Kinder des Irak dazuzählen, von denen über 500.000 im Alter von unter fünf Jahren, nach Aussage von UNICEF, gestorben sind, infolge der US / UN - Wirtschaftssanktionen. Tausende mehr werden wahrscheinlich bald sterben als “Kollateralschaden” bei einem massiven Angriff, um sie von einem despotischen Herrscher zu “befreien”. Dr. King würde diese irakischen Kinder, ihre älteren Brüder und Schwestern, und unsere eigenen amerikanischen Männer und Frauen, die bei einem Angriff auf den Irak sterben werden, als eine Familie ansehen, die auseinander gerissen wird. Das wird alles wieder ein Vietnam sein, in dem Sinne, dass wir die Menschen zerstören, um sie zu retten.

Der einzige Unterschied ist, dass, wie King prophezeite, wir uns dem Ende der “Linie” nähern. Es gibt eine Grenze dessen, wie viel Gewalt unsere Regierung und ihre Organe im Ausland begehen können, ohne dass alles auf uns zurückkommt. Wenn wir nicht jetzt auf die Drohung mit einem Krieg im Irak so reagieren, wie King es tun würde, nämlich mit verstärktem gewaltfreiem Widerstand, werden wir Komplizen, nicht nur der Zerstörung des Irak, sondern auch der Vereinigten Staaten von Amerika. Unser Glaube an unsere Waffen hat die zweite Supermacht ebenso ins Wanken gebracht wie die Sowjetunion vor ihrem Fall. Unser nationaler Sicherheitsstaat wird auf dasselbe Niveau gebracht.

Wird das durch Vergeltungsschläge auf die USA geschehen, wie bei den Angriffen auf das World Trade Center und das Pentagon? Oder werden wir die Spirale der Gewalt stoppen, indem wir uns entschließen, unser System von innen her zu ändern durch eine Umkehrung der Werte, wie Martin Luther King sie ins Auge gefasst hat? Wie er es von der Kanzel der Riverside-Church sagte: werden wir die “gewaltfreie Koexistenz wählen oder die gewalttätige gemeinsame Vernichtung”?

Ich glaube, der wirkliche Tag der Geburt Dr. Kings war der 4. April 1967, als er das Leben wählte gegenüber seiner tödlich handelnden Regierung, und dass er dann, ein Jahr später, einging in seine Herrlichkeit.

Zu einer Stunde, wo größere US-Bomben als diejenigen, die wir auf Vietnam fallen ließen, für den Irak aufgestellt werden, wollen wir da Kings prophetische Worte auf die Kriegsvorbereitungen unserer gegenwärtigen Regierung anwenden? Können wir wiedergeboren werden in einem Schmelztiegel der Wahrheit?

Ich denke besonders an einen von uns, Philip Berrigan, der letztes Jahr am Wochenende des Thanks-Giving-Day seiner Frau, Elizabeth McAlister, eine letzte Erklärung diktierte, deren einer Teil so lautete: “Ich sterbe mit der Überzeugung, die ich seit 1968 und seit Catonsville habe, dass Atomwaffen die Geißel der Erde sind; dafür in der Erde zu graben, sie herzustellen, sie zu stationieren, sie anzuwenden, ist eine Verfluchung Gottes, der menschlichen Familie und der Erde selbst? Wegen einer kurzsichtigen Hegemonie (Führerschaft), Gier nach Besitztum, einer Öffentlichkeit, die an die vereinten Medien gekettet ist, gab es praktisch keine Reaktion auf diese Realitäten?” Dann füllten sich Philipps Lungen, er begann unbeherrscht zu husten, und konnte nicht mehr weiter sprechen; er starb einige Tage darauf —- und wurde neu geboren in die Herrlichkeit.

Wollen wir das Leben wählen mit Martin und Philip, und sagen, so deutlich wir können, dass Gott die Liebe ist, Gott die Wahrheit ist, und dass der größte Verbreiter des Terrorismus in der heutigen Welt unsere eigenen Regierung ist?

Jim Douglass, in: Magnificat Februar 2003 (Brief aus Mary’s House, Birmingham, USA). Übersetzung: Heidi Schimpf (vielen Dank dafür!)

Hinweise zu King

Zahlreiche Artikel über Martin Luther King bzw. Hinweise auf Literatur und Filme finden sich auf der Lebenshaus-Website .

Referentenangebot für Veranstaltungen

Michael Schmid und weitere Teilnehmer einer Studienreise, die im Sommer 2001 “Auf den Spuren von Martin Luther King” drei Wochen lang in den USA unterwegs waren, sind bereit, über die Reise bzw. über King und die Bürgerrechtsbewegung zu referieren. Wer Interesse an der Organisation einer Veranstaltung hat, setze sich bitte mit ihm in Verbindung. Email: michael.schmid@lebenshaus-alb.de .

Reisetagebuch “Auf den Spuren von M.L. King”

Als Broschüre erhältlich ist das Reisetagebuch von Michael Schmid über eine dreiwöchige Studienreise durch die USA. “Auf den Spuren von Martin Luther King” lautete das Reisemotto. Das Reisetagebuch berichtet nicht nur über Erlebnisse in den USA, sondern auch ausführlicher über King und dessen heutige Bedeutung, über Begegnungen und Eindrücke von Friedens- und Menschenrechtsorganisationen. Es ist auch für Menschen, die etwas über King erfahren wollen. Die 56seitige Broschüre kann für 4,00 Euro (inklusive Versand) beim Lebenshaus Schwäbische Alb e.V angefordert werden. Email: info@lebenshaus-alb.de

Weitere Angebote und Hinweise zu King siehe hier .

Veröffentlicht am

12. März 2003

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