Fragen an die Friedensbewegung? - Eine Entgegnung von Manni Stenner auf KritikBonn, 18.02.2003: Die Friedensbewegung ist ein ernst zu nehmender Faktor im Kräftespiel um Krieg und Frieden geworden. Insbesondere wo die Regierenden offen Krieg propagieren wie in Großbritannien oder Spanien geraten sie durch den demonstrativen Widerspruch von Millionen Menschen in die Defensive. Als ernster “Störfaktor” wird sich die Friedensbewegung gegen Diffamierungen von interessierter Seite behaupten müssen, nur angefangen beim verstaubten Vorwurf des “Antiamerikanimus”. Schmerzlich ist, wenn pauschale Kritik und Abwertung von Mitstreitern gegen Antisemitismus und Rassismus wie dem “Bündnis gegen Antisemitismus” mit u.a. Ralph Giordano und Lea Rosh kommen, die den Berliner Demonstranten in einem offenen Brief eine “gefährliche Mischung aus Antiamerikanismus und politischer Naivität” unterstellen. Si tacuisses! Bei den um die Menschen im Irak wie um den möglichen, auch Israels Sicherheit bedrohenden, Flächenbrand im Nahen Osten besorgten Demonstranten handelt es sich weder um Naivlinge mit einem “diffusen Friedensbegriff”, noch dürfen sich bei den auf der Grundlage langer Diskussionen gestalteten Kundgebung “rechtsradikale Gruppierungen … durchaus eingeladen fühlen”. Friedensbewegung in der Bundesrepublik war immer schon auch Bewegung gegen Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus. Die gewachsene Bedeutung der gesellschaftlichen Opposition gegen den Krieg wird und muss auch dazu führen, dass die gar nicht naiven Analysen und Argumentationen der Friedensbewegung gegen die Kriegslogik stärker gehört und endlich ernst genommen werden. In der neuen Friedensbewegung bündeln sich langjährige Diskussionen der Friedens-, Umwelt- und globalisierungkritischen Bewegung, die seit dem 11. September 2001 eng zusammenarbeiten und deren Themen verschmelzen. Wer islamistischen Terror bekämpfen und durch Krieg provozierten neuen Hass und Terror verhindern will, muss eine doppelte Wende zu gerechter Kooperation zwischen Nord und Süd sowie zur Verminderung des Öl- und Gasverbrauchs zugunsten regenerativer Energien in den Industrieländern erreichen. Verzicht auf die Hass und Terror begünstigende globale Machtpolitik und faire Kooperation mit den islamischen Ländern können die tieferen Ursachen des Terrors beseitigen, die Energiewende den Kampf um Ressourcen als Kriegsursache. Fortschritte dahin gibt es nicht mit Krieg. Das erste Signal für die nötige Zäsur der Politik hin zu globaler Konfliktbearbeitung statt Krieg ist die politische Lösung in Israel/Palästina, die für die arabische Welt das Symbol für einen Neubeginn wäre und zu der die USA den Schlüssel in der Hand halten. Diese drängenden Zukunftsaufgaben als Alternative zu Krieg und Terror können nur gemeinsam und global angegangen werden. Deshalb will die neue globale Friedensbewegung - auch die in den USA - den Unilateralismus zurückdrängen und die gefährdete UNO erhalten. Gebe es sie nicht, müsste man sie erfinden. Die großen Demonstrationen, die kommenden Blockaden von Militärstützpunkten und Aktionen Zivilen Ungehorsams und die vielfältigen lokalen Friedensaktionen drängen unsere Regierenden in Richtung dieser Alternativen. Eine Diffamierung der Friedensdemonstranten - egal von welcher Seite - ist in dieser heiklen Situation ein Beitrag zur Kriegslogik. Die deutsche Bundesregierung braucht ganz offenbar mehr Druck “von unten”. Mit der Zustimmung zur militärischen Planung für die Türkei innerhalb der NATO und der EU-Erklärung, die militärische Intervention als Möglichkeit einschließt, ist sie ein weiteres Stück von ihrem Nein abgerückt. Die Friedensbewegung wird weiterhin auf die nicht nur rhetorische, sondern faktische Verweigerung der Kriegsbeteiligung drängen, inklusive Überflugrechte, Standortnutzung, Spürpanzer, AWACS, Marine-Begleitschutz und Patriot-Raketen. Manfred Stenner
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