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Das EUCOM - Oder warum vom deutschen Boden nicht nur Frieden ausgeht

Von Wolgang Sternstein

Das EUCOM

Im Zwei-plus-Vier-Vertrag findet sich in Artikel 2 der schöne Satz: “Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bekräftigen ihre Erklärungen, dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird.”

Das klingt gut, die Wirklichkeit sieht leider ganz anders aus. Ich denke dabei nicht nur an die höchst umstrittene Beteiligung der Bundesrepublik am Krieg im Kosovo und am Anti-Terror-Krieg, sondern auch an die Aktivitäten des auf deutschem Boden operierenden EUCOM. Völkerrechtlich trägt die Bundesrepublik für alle Kriegshandlungen, die vom EUCOM ausgehen, die Verantwortung, denn nach der Resolution 3314 (XXIX) der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 14.12.74 Art. 3, Buchst. f gilt als Angriffshandlung, wenn ein Staat es zulässt, “dass sein Hoheitsgebiet, das er einem anderen Staat zur Verfügung gestellt hat, von diesem dazu benutzt wird, Angriffshandlungen gegen einen dritten Staat zu begehen”.

Was aber ist das EUCOM? Die Abkürzung EUCOM steht für EUropean COMmand. Es handelt sich um eine rein amerikanische Militäreinrichtung, die ausschließlich dem Befehl des Pentagon und des US-Präsidenten untersteht. Eine Verbindung zur NATO besteht nur in der Person des Oberkommandierenden, der zugleich Oberbefehlshaber der NATO ist.

Das EUCOM ist eines von fünf den ganzen Globus umspannenden Kommandozentralen, die einzige übrigens, die dauerhaft außerhalb der USA angesiedelt ist. In ihrer Gesamtheit bilden sie den militärischen Arm des US-Imperiums.

Sitz des EUCOM sind die Patch Barracks bei Stuttgart-Vaihingen. Sein Operationsgebiet umfasst ganz Europa, einen großen Teil Afrikas, die Türkei, Syrien, Libanon und Israel sowie Russland und die ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien, insgesamt 93 Länder. Mit Recht nannte Eric Chauvistré in einem taz-Artikel das EUCOM den Feldherrnhügel für die halbe Welt. Von hier aus wird im Kriegsfall auch der Einsatz der in Europa stationierten Atomwaffen befehligt, nachdem er vom US-Präsidenten freigegeben wurde.

Vom EUCOM ist in der Vergangenheit immer wieder Krieg ausgegangen: So der Luftangriff auf Tripolis und Bengasi im April 1986, der den libyschen Diktator Gaddafi treffen sollte. Nahezu die gesamte Logistik für den Golfkrieg von 1991 wurde vom EUCOM gesteuert und die Nordfront kommandiert. Entscheidend beteiligt war es auch an den Kriegshandlungen im ehemaligen Jugoslawien in den neunziger Jahren.

Der Irak gehört zwar nicht zum Operationsgebiet des EUCOM, doch arbeitet es dem vorübergehend in Katar angesiedelten CentCOM zu.

Seit dem 20. März 2003 führen Amerikaner und Briten nach Auffassung der großen Mehrzahl der Experten einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak. Obwohl die Bundesregierung diesen Krieg offiziell ablehnt, unterstützt sie die Alliierten, indem sie ihnen Transport- und Überflugrechte einräumt, den Schutz amerikanischer Militäreinrichtungen in Deutschland übernimmt und deutsche Soldaten in AWACS-Aufklärungsflugzeugen über der Türkei Dienst tun lässt. Selbst wenn es derzeit noch keine strafrechtliche Sanktion für die Unterstützung eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gibt ­ die §§ 80 und 80a des Strafgesetzbuches stellen lediglich die Vorbereitung und die Aufstachelung zu einem Angriffskrieg unter Strafe­, so ist doch unstrittig, dass die Bundesregierung die politische Verantwortung für die Unterstützung eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges trägt. Darüberhinaus ist sie für alle vom EUCOM vorbereiteten und durchgeführten Angriffshandlungen völkerrechtlich verantwortlich.

Die Existenz des EUCOM war der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Erst durch die Protest- und Widerstandsaktionen der Friedensbewegung beginnt sich das allmählich zu ändern. Den Auftakt für diese Aktionen bildete eine Sitzblockade vor dem Haupttor des EUCOM am 12.12.1982 aus Protest gegen die geplante Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Europa. Jeweils zur vollen Stunde sollte das Haupttor für 12 Minuten blockiert werden. Die Polizei räumte jedoch die Fahrbahn und nahm insgesamt 293 Personen fest, darunter auch Pfarrer, Lehrer und Ärzte. Sie wurde allesamt wegen Nötigung zu Geldstrafen verurteilt. Am 23.10.1983, auf dem Höhepunkt des Widerstandes gegen die “Nachrüstung³, war das EUCOM Ausgangspunkt der 108 Kilometer langen Menschenkette zwischen Stuttgart und dem Pershing-II-Standort Neu-Ulm.

In den folgenden Jahren wurde das EUCOM zum Objekt zahlreicher Protestkundgebungen, Mahnwachen, Gottesdienste und Ostermärsche, die eindringlich die Rücknahme der Raketenstationierung forderten, ein Ziel, das schließlich 1987 durch den INF-Vertrag, der die Verschrottung sämtlicher landgestützter Mittel- und Kurzstreckenraketen zum Inhalt hatte, erreicht wurde. Es wäre vermessen, diesen Erfolg ausschließlich der Friedensbewegung zuzuschreiben, doch beigetragen hat sie dazu zweifellos.

Am 1.3.1989 führte die Atomteststopp-Kampagne eine Blockade des Haupttores des EUCOM durch, bei der 18 Personen festgenommen wurden. Nur sechs Monate später blockierte die Kampagne erneut mit Holzkreuzen, auf denen die Opfer von Atomtests verzeichnet waren, das Haupttor des EUCOM. Dabei wurden 16 Personen festgenommen, wegen Nötigung angeklagt und verurteilt.

Die 1988 gegründete EUCOMmunity, ein Zusammenschluss von rund fünfhundert Bürgerinnen und Bürgern aus der ganzen Republik, hat sich das Nahziel gesetzt, durch “Entzäunungsaktionen” den Abzug der noch in Deutschland stationierten 65 atomaren Fliegerbomben zu erreichen. Ihr Fernziel ist der Abzug des EUCOM aus Deutschland und Europa.

Bei den Entzäunungsaktionen handelt es sich um symbolische Landnahmen. Kleine Gruppen von Friedensaktivisten gehen nach gründlicher Vorbereitung auf das Gelände, nachdem sie den Zaum, der das EUCOM umgibt, durchschnitten haben. Sie pflanzen Blumen, säen Getreide und feiern ein Fest der Hoffnung. Sie bleiben bis zu ihrer Festnahme auf dem Gelände und sind bereit, für ihre Tat in der Öffentlichkeit und vor Gericht einzustehen. Seit 1990 haben insgesamt acht Entzäunungsaktionen mit einer Teilnehmerzahl zwischen 7 und 23 sowie mehrere Blockaden stattgefunden. Die große Mehrzahl der Teilnehmerinnen wurde zu Geldstrafen verurteilt. Einige von ihnen haben sie sogar im Gefängnis abgesessen.

In den vergangenen Jahren hat sich eine intensive Zusammenarbeit zwischen der EUCOMmunity, der 1994 gegründeten “Gewaltfreien Aktion Atomwaffen Abschaffen” und der ökumenischen Friedensinitiative “Ohne Rüstung Leben” entwickelt. Auch wenn noch ein weiter Weg vor uns liegt, ehe wir unser Ziel, den Abzug des EUCOM aus der Bundesrepublik, erreicht haben, so ist es uns wenigstens gelungen, durch Protest- und Widerstandsaktionen das EUCOM in der Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Mit dem dritten Golfkrieg, den Amerikaner und Briten mit Unterstützung der Regierungen Australiens, Spaniens, Italiens u.a. am 20.3. begonnen haben, erlebt der Widerstand am EUCOM einen neuen Aufschwung. Bereits im Vorfeld des Krieges fand am 8.12.02 eine Blockade des Haupttors statt, bei der 19 Personen festgenommen wurden. Am 8.3.03 gab es eine Wiederholung. Dreihundert Teilnehmer blockierten die beiden Tore für zwei Stunden, von 117 Personen wurden die Personalien festgestellt. Am Tag nach Kriegsbeginn blockierten mehrere hundert Personen die Zufahrt (rund 50 Festnahmen) und am 29.3. umschlossen 6000 Demonstranten mit einer Menschenkette die Kommandozentrale. Es war die bisher größte Demonstration am EUCOM.

Selbstverständlich genügt es nicht, nur den Abzug des EUCOM zu fordern oder nur Nein zu sagen zu Krieg und Gewalt, es geht uns vielmehr darum, in Gestalt der gewaltfreien Aktion eine konstruktive Alternative zur Gewalt als Mittel der Konfliktlösung zu entwickeln und einzuüben. Vielleicht wird dann eines Tages wahr, wovon der Zwei-plus-Vier-Vertrag spricht, dass von deutschem Boden nur Frieden ausgeht.

Dr. Wolfgang Sternstein, Hauptmannsreute 45, 70192 Stuttgart
Tel.: 0711-29 38 74, Fax: 0711-120 46 57, Email: sternstein@uwi-ev.de

Wir danken unserem Lebenshaus-Mitglied Wolfgang Sternstein für die freundliche Veröffentlichungsgenehmigung

Veröffentlicht am

02. April 2003

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