Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Das Dilemma mit konstruktiver ziviler Konfliktbearbeitung

Von Michael Schmid, aus: Rundbrief Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. Nr. 35, Dez. 2002.

Gewalt ist auf verschiedenen Ebenen sehr stark verbreitet. Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass sich inzwischen viele Menschen, Gruppen und Organisationen mit Fragen von Gewalt und der konstruktiven Konfliktbearbeitung beschäftigen. Sie weisen sinnvolle Wege und Verfahren auf, die zu beachten wichtig sind für die Bearbeitung der Konflikte, in die wir selber verwickelt sind oder deren Zeugen wir werden. Und deshalb ist es schon ein Fortschritt, wenn immer mehr Menschen Mediation, also die Vermittlung in Konflikten durch Dritte, nicht mehr mit Meditation gleichsetzen oder verwechseln.

Doch eine Gefahr sehe ich, wenn die Methode der zivilen Konfliktbearbeitung, mit der deeskalierend in ein Konfliktgeschehen eingegriffen werden soll, zu einer Art Synonym für den Umgang mit Konflikten überhaupt erhoben wird. Denn der Versuch, einen Konflikt unter allen Umständen zu deeskalieren, kann auch zu einer Falle werden. Dann nämlich, wenn die Absicht zur Deeskalation völlig einseitig verläuft, wenn eine Seite lieber Unrecht hinnimmt als sich aktiv zu wehren, in der Hoffnung, der Täter werde schon ablassen. Auch in der Hoffnung, es müsse doch allseits so viel Vernunft “im Spiel” sein, um in Übereinstimmung und konstruktiv einen Konflikt zu bearbeiten.

Doch was, wenn jedes Einlenken, jeder Vergleich, jede Zurückhaltung vom Gegner als Schwäche interpretiert wird und er sich erst recht herausgefordert sieht, drauf zu schlagen? Als Lebenshaus sind wir seit fast sechs Jahren den unfairen Angriffen ausgesetzt, die von einer kleinen Gruppe betrieben werden. Alle Versuche, in einen klärenden Dialog zu treten oder Mediation anzuleiern haben ebenso wenig gefruchtet wie das Eingehen auf gerichtliche und außergerichtliche Vergleiche oder der Verzicht auf strafrechtliche Schritte, selbst bei Vorliegen strafrechtlich relevanter Tatbestände.

Beim Lesen des Buches von Hirigoyen ( Marie-France Hirigoyen: Die Masken der Niedertracht. Seelische Gewalt im Alltag und wie man sich dagegen wehren kann ) ist es mir über weite Strecken so erschienen, als hätte dieses geradezu als Drehbuch für unsere Angreifer gedient. So bekannt kommt mir vieles vor, was die Autorin beschreibt. Überbordende Aktenordner voller Schreiben mit ständig herabsetzenden, verdrehenden, beleidigenden, verunglimpfenden Behauptungen, voller hinterhältiger Anspielungen, Unwahrheiten, Ungeheuerlichkeiten zeugen beispielsweise davon. Ein gewisser Vorteil liegt bei dieser Papierflut darin, dass so deutliche Beweismittel dafür vorliegen, dass man sich nicht etwas einbildet oder gar spinnt. Angesichts ständiger Manipulationen gewiss etwas sehr wichtiges. Das Buch von Hirigoyen hat mir auch auf ganz neue Weise bewusst gemacht, warum und wodurch wir uns immer wieder auch lähmen ließen.

Nicht zuletzt hat zu unserer eigenen Zurückhaltung ganz sicher beigetragen, dass wir uns häufig in Kreisen bewegen, in denen viel von konstruktiver, gewaltfreier Konfliktbearbeitung geredet wird. In vielen befreundeten Friedensgruppierungen wird von Mediation und ähnlichen deeskalierenden Methoden geradezu geschwärmt. Ideale von gelingender gewaltfreier Konfliktbearbeitung im Kopf, denen gegenüber man selber “versagt” hat, weil einem als Lebenshaus seit Jahren nicht gelungen ist, einen “Konflikt” so zu bearbeiten, dass er hätte als gelöst angesehen werden können - das kann auch Schuldgefühle erzeugen und lähmen.

Dazu kommen noch Aufforderungen, doch mehr Souveränität zu wahren und die Angriffe nicht so ernst zu nehmen, kommen oberflächlich ansetzende Vermittlungs- und Versöhnungsversuche, kommen Appelle, nicht eindeutig zu handeln, z.B. keine Trennung durch Vereinsausschluss herbeizuführen, kommt das angewiderte Abwenden und Wegschauen - solches Verhalten, das den idealen Nährboden für seelische Gewalt bereitet, macht es verdammt schwierig, eine entschieden eindeutige Haltung einzunehmen.

Deshalb: Es macht großen Sinn, einen Konflikt mit zivilen Methoden konstruktiv zu bearbeiten und zu deeskalieren, wo immer dies unter Beachtung der Interessen aller Konfliktbeteiligten möglich ist. Aber dort, wo Unrecht ganz einseitig ausgeübt wird, beispielsweise durch psychische Gewalt Einzelner oder einer ganzen Gruppe, dort sind andere Wege angebracht: Trennung, Nicht-Zusammenarbeit. Und wo dies nicht wirksam ist, weil sich jemand als “Stalker” erweist, als Verfolger, der eine Trennung auf jeden Fall verhindern will, dort ist eine gewaltfreie Eskalation erforderlich, um das zu Grunde liegende Unrecht in der Öffentlichkeit mit dem Ziel seiner Überwindung zu dramatisieren.

In einem Beratungsgespräch mit der Fairness-Stiftung* wurde festgestellt, dass die Angriffe gegen das Lebenshaus nicht nur als unfaire Attacken zu bezeichnen wären, sondern es sich um “Stalking”** handeln würde. Als Vereinsvorsitzendem wurde mir dringend empfohlen, insgesamt in unserem Vorgehen und insbesondere in der Ausschöpfung rechtlicher Mittel nicht mehr so zurückhaltend wie in der Vergangenheit zu sein. Wir sollten Rechtsmittel voll ausschöpfen, Strafanträge stellen, Klage erheben. Eine andere Sprache verstünden derartige Täter offensichtlich nicht. Nur wenn sie Urteile gegen sich bekämen und auch noch Geld dafür bezahlen müssten, würden sie mit ihren Machenschaften aufhören.

Außer der Anwendung rechtlicher Mittel sehen wir es zudem als durchaus angebracht an, einen Konflikt zuzuspitzen, ihn gewaltfrei zu eskalieren und in die Öffentlichkeit zu tragen. Denn aggressiven Angreifern zu widerstehen und darauf zu hoffen, dass sie irgendwann von einem ablassen, ist zwar zunächst das Hauptanliegen eines jeden Angegriffenen. Aber aus gesellschaftlicher Sicht reicht es nicht aus, die Hoffnung auf das Ablassen von einem selber damit zu verbinden, dass der Gewalttäter möglichst ein anderes Opfer finden soll. Die Gesellschaft - also wir alle! - ist insgesamt gefordert, an der Überwindung von Gewalt zu arbeiten.***


Der Rufmord ist die am weitesten verbreitete Waffe, mit der Konkurrenten/Gegner versuchen, Verantwortliche, Unternehmen und Organisationen ins Abseits zu stellen.

Absichtlich, systematisch und dauerhaft werden andere diffamiert, damit sie zermürbt ihre Position, ihre Funktion, ihre Stellung und ihren Einfluss aufgeben.

Die Fairness-Stiftung ist eine unabhängige und gemeinnützige GmbH, die sich gegen alle Arten von Schikanen und diffamierenden Attacken wendet. Sie entstand aufgrund persönlicher und unternehmerischer Erfahrungen mit Diffamierung und aufgrund einer verantwortlichen Haltung gegenüber solchen Situationen.

Die Fairness-Stiftung bietet Orientierung, Unterstützung und konkrete Hilfe für betroffene Führungskräfte, Verantwortliche und Unternehmen, die Zielscheibe unfairer Angriffe sind. Sie macht dies sofort, kompetent, diskret und kostenfrei.

Kontakt: Fairness-Stiftung gem. GmbH, Langer Weg 18, 60489 Frankfurt am Main, Telefon: 069/789881-44; Telefax: 069/789881-51, E-Mail: kontakt@fairness-stiftung.de; www.fairness-stiftung.de


** Stalking

Von engl. “stalk”, sich anpirschen, verfolgen. Gemeint ist im engeren Sinn Psychoterror durch Verfolgung einer Person, meist verbunden mit Telefon- oder Faxterror, Androhung von Gewalt, ständigem Auflauern und öffentlichen Szenen. Betroffen sind in erster Linie Personen, die sich von ihrem Lebenspartner, ihrer Ehefrau oder Freundin getrennt haben oder die an intimen Beziehungen Interessierte zurückgewiesen haben. Im weiteren Sinn können “Stalker” (Verfolger) auch Menschen oder Gruppen sein, die sich mit der Distanzierung einer Person oder Gruppe nicht zufrieden geben wollen und entweder noch eine offene Rechnung begleichen oder Druck mit dem Ziel, zur Rückkehr und Annäherung zu zwingen, ausüben.

“Einschleich-Trauma” nennt Gottfried Fischer, Direktor des Kölner Instituts für Psychotraumatologie, dieses Phänomen. Die Folgen jahrelangen Psychoterrors seien vergleichbar mit denen nach Flugzeugkatastrophen oder Entführungen. Ein Drittel der Opfer könne im Alltag nicht mehr “normal funktionieren” und leide unter permanenten Herzkreislaufstörungen.

Bislang haben Stalking-Opfer hier zu Lande kaum eine Chance, sich zur Wehr zu setzen. Polizei und Justiz tun sich mit solchen Fällen schwer. Weil die Geschichten oft aberwitzig klingen, wird den Opfern selten geglaubt, viele schweigen aus Scham.

Im Moment schaffen sich Staatsanwälte die unliebsamen Fälle meist vom Hals, indem sie auf den Privatklageweg verweisen. Im Zivilrecht muss das Opfer allerdings nicht nur den Anwalt selbst bezahlen, sondern auch beweisen, dass der Stalker gegen ein vom Gericht erlassenes Kontaktverbot verstößt.

Der Göttinger Jurist Volkmar von Pechstaedt möchte einen neuen Straftatbestand der “wissentlichen kontinuierlichen Belästigung einer Person” ins Strafgesetzbuch aufnehmen, die mit bis zu zwei Jahren Gefängnis geahndet werden solle.

Viele Stalker, glaubt der Psychoanalytiker Ulrich Seidel aus dem niedersächsischen Ganderkesee, litten unter schweren Persönlichkeitsstörungen, gepaart mit geringem Selbstwertgefühl. Die meisten Täter seien Männer.

Den Opfern würde schon helfen, “wenn endlich mal über das Thema gesprochen würde”, sagt Seidel. Vor allem verfolgte Frauen neigten dazu, ihre Situation zu verharmlosen, um mit der eigenen Machtlosigkeit fertig zu werden.

(zusammengestellt nach “Glossar der Unfairness” der Fairness-Stiftung + Artikel “Psychoterror bis zum Mord” in: SPIEGEL (8/2000)


***Gewaltfreiheit zielt auf das Gewissen

“Woran erkennt man den Gewaltlosen? Daran, dass er liebenswürdig und sanft ist? Nein! An seiner Geduld und an seiner unerschütterlichen Ruhe? Nein, denn um gewaltlos zu sein, genügt es nicht, keine Gewalt zu üben. Gewaltlos ist, wer es auf das Gewissen absieht. -

Man dient seinem Gegner, man ehrt ihn und rettet ihn, indem man gegen ihn kämpft. Und dieser Kampf wird durchgefochten bis zu seinem Ende. Das Ende ist aber nicht Sieg und Beute, sondern Versöhnung und Friede.”

Lanza del Vasto


Interessante Literatur

Die Masken der Niedertracht

In unserer Gesellschaft sind subtile Formen von Gewalt weit verbreitet, die wenig beachtet, oft völlig heruntergespielt oder ignoriert werden. Psychische Gewalt ist schwerer zu erfassen, als direkte körperliche Gewalt, und doch verletzt sie. Die französische Psychoanalytikerin Marie-France Hirigoyen hat in ihrem Buch “Die Masken der Niedertracht: seelische Gewalt im Alltag und wie man sich dagegen wehren kann” sehr eindrucksvoll díe subtilen Formen seelischer Gewalt beschrieben und diese durch viele Beispiele gut veranschaulicht.

Narzissmus und Macht

Ein interessantes Buch, in dem er sich mit narzisstisch gestörten Persönlichkeiten beschäftigt, hat der Giessener Psychoanalytiker Hans-Jürgen Wirth geschrieben. In “Narzissmus und Macht. Zur Psychoanalyse seelischer Störungen in der Politik” geht er nicht nur auf Merkmale narzisstischer Persönlichkeitsstörungen ein - etwa “ausgeprägte Selbstzentriertheit”, “grandiose Phantasien”, “Rücksichtslosigkeit”, “unmäßiger Neid”, “Neigung zur Ausbeutung”, “Rachgier”, “Eifersucht” - sondern zeigt an verschiedenen Beispielen eindrucksvoll auf, daß gerade die politische Bühne besonders anziehend auf Menschen wirkt, die unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leiden.

Veröffentlicht am

21. November 2002

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