Flüchtlinge haben nur eine sehr kleine LobbyKatrin Warnatzsch, als Mitarbeiterin im Sozialen Friedensdienst des Lebenshaus angestellt, gibt einen kleinen Einblick in die Begleitung von Asylsuchenden. Aus: Rundbrief des Lebenshaus vom März 2001.Flüchtlinge haben nur eine sehr kleine LobbyUnsere Beziehungen zu Menschen aus Gammertingen, die sich im Asylverfahren befinden, haben sich weiter entwickelt und intensiviert. Das Lebenshaus ist weiterhin ein Ort, wo man sich miteinander treffen kann. Im Gemeinschaftsraum findet einmal in der Woche ein Sprachkurs für Frauen statt. Wenn es Fragen oder plötzliche Probleme gibt, kann man hier immer jemanden antreffen. Es gibt schnelle und unkomplizierte Möglichkeiten der Information bei alltäglichen Fragestellungen. Ein junger Mann aus Algerien lebte für einige Monate mit uns zusammen und konnte, wie auch weitere Flüchtlinge aus Gammertingen, bei einer Einrichtung für Flüchtlinge und Folterüberlebende in Lindau Hilfe für sein Asylverfahren finden. Seine Begleitung nahm viel Zeit in Anspruch. Die Sprachprobleme haben wir mit Hilfe eines Wörterbuches, unseren Händen und Füßen und Einfühlungsvermögen eingedämmt. Dabei haben uns in besonderen Situationen befreundete anerkannte Asylsuchende aus dem Irak geholfen, mit denen wir jederzeit eine “Telefonkonferenz” herstellen und die ins Arabische übersetzen konnten. Das war eine große Hilfe, denn die Bemühungen, auch komplizierte Dinge zu erklären und sicher zu sein, dass sie verstanden wurden, bekamen dadurch die letzte Sicherheit. Vielen Dank dafür! Es gibt bei der Arbeit mit z.B. diesem jungen Mann Dinge zu tun und für uns neue Kontakte herzustellen. Dabei ist uns Ullrich Hahn, Vorsitzender des Vereins Lebenshaus in Trossingen und des Deutschen Zweiges des Internationalen Versöhnungsbundes sowie Rechtsanwalt, spezialisiert für Ausländerrecht und Strafrecht, eine unermeßlich große Hilfe. Ich möchte mich auf diesem Weg bei Ullrich sehr herzlich bedanken! Es ist für uns alle klar, dass die Angelegenheiten von Asylsuchenden in Deutschland schnell, sorgfältig und weitsichtig bearbeitet werden müssen. Denn Asylsuchende befinden sich in einer völlig abhängigen Situation: Sie sind angewiesen auf Behörden, die ihre Entscheidungen auf für sie undurchsichtige Weise treffen, sie müssen ständig auf diese Entscheidungen unüberschaubar lange warten, sie müssen andererseits aber selbst Fristen einhalten, sonst haben sie ihre wenigen Rechte sehr schnell verloren. Es kann vorkommen, dass die Behörden Entscheidungen treffen, die z.B. den Aufenthalt des Asylsuchenden zu Unrecht unmittelbar gefährden oder seine Rechte (z.B. auf Arbeit) verkennen. Mit der Möglichkeit, bei einer unabhängigen Einrichtung wie dem Lebenshaus nachfragen zu können, bieten wir den Asylsuchenden in Gammertingen ein Stück Selbstbestimmung und Mitgefühl. In Gammertingen haben wir Kontakt zu einer kosovo-albanischen Familie, die wir schon seit fast acht Jahren kennen. Als der Mann damals als Deserteur nach Deutschland kam, weil er keine Waffe auf Menschen richten wollte, betreuten wir außer ihm eine Gruppe von jungen Männern aus dem Kosovo in demselben alten Fabrikgebäude, das nun inzwischen der Landkreis zur Unterbringung der Asylsuchenden gemietet hat. Der junge Mann hat schon lange eine Wohnung und arbeitet, er ist mit einer Frau aus dem Kosovo verheiratet und hat eine kleine Tochter. Die meisten dieser Kosovo-Albaner in Gammertingen hatten damals Glück im Unglück (weil der Krieg im Kosovo die politische Lage bestimmte) und wurden als Asylbewerber anerkannt. Für F. und seine kleine Familie gilt das bis heute nicht, ein unglücklicher Zufall in diesem Roulette. Obwohl alle rechtlich möglichen Schritte unternommen wurden (was viel Geld gekostet hat), wurde er nicht als Asylsuchender anerkannt. In diesem Zusammenhang setzten sich damals einige BürgerInnen in Gammertingen zusammen mit dem Lebenshaus dafür ein, dass den Kosovo-AlbanerInnen unter bestimmten Umständen Kirchenasyl in der Gammertinger evangelischen Kirche gewährt werden sollte. Ein wichtiger Meinungsbildungsprozeß war in Gang gekommen. Nun ist die politische Lage nach Ansicht der PolitikerInnen inzwischen so verändert, dass die deutsche Regierung Kosovo-AlbanerInnen ihren Aufenthalt unter uns nicht mehr weiter gestatten will. Das bedeutet, dass die Familie damit rechnen muss, dass ihre Aufenthaltsgestattung nicht mehr weiter verlängert wird und sie ausreisen müssen. F. hat in den acht Jahren seines Aufenthaltes hier immer gearbeitet und seinen Lebensunterhalt selbst bestritten. Sämtliche staatlichen Hilfen wie Wohngeld oder Kindergeld, die er, wäre er Deutscher, wegen seines äußerst bescheidenen Einkommens hätte beantragen können, erhielt er wegen seines ungesicherten Aufenthaltsstatusses nicht. Er ist der deutschen Gesellschaft in keiner Weise zur Last gefallen. Im Gegenteil, er hat Steuern bezahlt und in die Rentenversicherung eingezahlt, was ihm selbst nie zugute kommen wird, wenn er das Land verlassen müßte. Seine Verwandten in Kosovo haben keinen Platz in dem schon völlig überfüllten Haus, um auch sie noch aufzunehmen. Es gibt keine Arbeit, die bezahlt werden würde, es gibt nicht einmal fließendes Wasser auf dem Grundstück. Geheizt wird mit Holz aus dem Wald. Das wenige Essen zum Überleben muss auf dem kleinen Gartenstück selbst angebaut werden. Das wenige Geld, das F. hier bei einer Montagefirma verdient, hat gerade mal gereicht, um 200 (zweihundert) Liter Heizöl zu tanken. Heizkostenbeihilfe erhalten sie nicht. Seine Frau versucht bisher vergeblich, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Die psychische Befindlichkeit ist durch die unsichere Zukunft völlig unstabil geworden. Verdrängung, Hoffen auf ein Wunder, festhalten an den Äußerlichkeiten, Unfähigkeit, sich auf die Ausreise einzustellen und vorzubereiten, das sind nur ein paar wenige Folgen. Unsere Solidarität gilt Menschen, die wie diese Familie durch “ungnädige?, unverständliche Bürokratismen unseres Staates in eine völlig ungesicherte Zukunft abgeschoben werden sollen. Sie sind bei uns zuhause, haben hier Freunde, niemand, der sie kennt, würde sie wegschicken wollen. Wenigstens zweimal in der Woche gehe ich mit meinen Utensilien in die nahegelegene Staatliche Gemeinschaftsunterkunft, um mit den vielen Kindern - zwischen einem und 16 Jahren alt - zu malen und zu basteln. Da es kein Spielzimmer gibt, findet das Ganze im Eingangsbereich statt, wo das DRK Gammertingen dankenswerterweise einige ausgemusterte Tische und Stühle zur Verfügung gestellt hat. Mit genügend Papier, Farben jeder Art, Scheren und Kleber ausgerüstet, versuchen wir uns gemeinsam daran, Kleinigkeiten zur Verschönerung der Zimmer herzustellen. Einige Mütter setzen sich dazu, reden und lachen, obwohl der Geräuschpegel enorm hoch ist, weil das Gebäude sehr hohe Decken hat und keinerlei Schall gedämpft wird. Manches Kind sitzt inzwischen gedankenversunken vor einem Blatt Papier und malt unversehens Szenen aus der verlorenen Heimat. Auch Bilder von Panzern und Feuer sind dabei. Einige Wochen lang kam fast täglich ein iranischer Schüler zu uns, um ungestört seine Schularbeiten zu machen. Die Familie bewohnt, wie alle anderen Familien im Heim, zu viert ein kleines Zimmer und das ganze Leben spielt sich dort ab. Von einem eigenen Platz für seine Schularbeiten und vor allem von Ruhe hat er lange geträumt. Spannungen in den Familien können gar nicht ausbleiben, wenn man so lange auf engstem Raum miteinander auskommen soll. Mit einem Mädchen aus dem Heim versuche ich, Deutsch und Rechnen zu üben. Ihre Familiensituation ist so belastend für sie, dass sie die Konzentration und das Durchhaltevermögen für den Schulbesuch nicht aufbringen kann. Es gibt auch Erwachsene im Heim, die selbst keine Schule besucht haben, andere haben studiert und waren selbständig. Die Arbeit mit Asylsuchenden ist unmittelbar notwendend, bereichernd, braucht unsere Zuwendung, weil es kaum Hoffnung auf Asyl gibt, und Zuverläßigkeit. Gerade das unabhängige Angebot des Lebenshauses ist besonders wertvoll für die Flüchtlinge, denn sie haben nur eine sehr kleine Lobby. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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