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Wofür Kriege gut sind - Bechtel und Blut für Wasser. Die Ausweitung der Herrschaft der Konzerne

Von Vandana Shiva

Diese Rede kann hier auch als PDF-Datei heruntergeladen werden.

Einen Monat nach Beginn des Krieges gegen den Irak taucht der wirkliche Sieger auf. Der US-Baukonzern Bechtel hat einen 680-Millionen-Dollar-Vertrag für den Wiederaufbau des Irak erhalten.

Der von der USA und Großbritannien geführte Krieg zerstörte erst die irakischen Krankenhäuser, Brücken und Wasserwerke, und jetzt ernten die US-Konzerne die Profite des “Wiederaufbaus” einer Gesellschaft, die zuvor absichtlich zugrunde gerichtet wurde. Blut wurde nicht nur für Öl vergossen, sondern auch für die Kontrolle über Wasser und andere lebenswichtige Dienstleistungen. In einer Periode sinkenden Wirtschaftswachstums und einer Verlangsamung des Molochs Globalisierung wird Krieg zur Ausrede für die Ausweitung der Herrschaft der Konzerne.

Wenn die WTO nicht ausreicht, führen wir Krieg. Dies scheint die zugrunde liegende ökonomische und politische Philosophie der herrschenden Neokonservativen der USA zu sein, die versuchen die Welt zu beherrschen. In den letzten Monaten hat sich die totale, faule Korruption gezeigt, auf welche die neue Weltordnung aufgebaut ist.

Warum George Shultz lächelt

Bob Herbert stellte im Zeitungsartikel “Fragt Bechtel, wofür der Krieg gut ist” (International Herald Tribune, 22 April 2003, S.6) fest: “Shultz, dessen Foto genauso gut neben irgendeiner Definition des militärisch-industriellen Komplexes erscheinen könnte, war Außenminister unter Präsident Ronald Reagan. Er war das ewige Schwergewicht der mächtigen Bechtel-Gruppe aus San Francisco. Früher regierte er die Gruppe als Präsident, inzwischen ist er Mitglied des Aufsichtsrats und Senior Berater.

Es ist wie eine Ironie des Schicksals. Edwin Starr, Sänger der Antikriegsbewegung, trat diesen Monat seine ewige Ruhe an, genau zu dem Zeitpunkt, als sich die US-Bodentruppen nach Bagdad wälzten. Im Gegensatz zu ihm behauptet Shultz zu wissen, wofür Krieg gut ist.

Denn er wollte diesen Krieg mit dem Irak. Und wie er diesen Krieg wollte. Shultz war Vorsitzender des wild gewordenen Prokriegskomitees für die Befreiung des Iraks. Dieses Komitee hatte sich neben der politischen Befreiung des ölreichen Landes dem gewinnbringenden ‘Wiederaufbau seiner Wirtschaft’ verschrieben.

Unter der Überschrift ‘Jetzt Handeln, Gefahr ist im Verzug’ schrieb Shultz im letzten September in einem Artikel in der Washington Post: ‘Es gibt einen starken Zusammenschluss für eine sofortige Militäraktion gegen Hussein und für eine multilaterale Bemühung, den Irak wieder aufzubauen, nachdem er weg ist.’

Ich frage mich, welches Unternehmen diese Bemühungen wohl in seinem Sinne ausführen würde?

In der letzten Woche hat die Bechtel-Gruppe gezeigt, wofür Kriege gut sind. Die Bush-Regierung gab ihr den ersten großen Vertrag für den Wiederaufbau des Irak. Es handelt sich dabei um ein geschätztes 680-Millionen-Dollar-Geschäft mit einer 18monatigen Laufzeit. Dadurch erhält Bechtel die Startposition für einen Langzeitwiederaufbau des Landes, der schätzungsweise 100 Milliarden Dollar oder mehr kosten wird.

Bechtel wurde so eine Lizenz zum Geldverdienen geschaffen. Diese Lizenz wurde hinter verschlossenen Türen gewährt und auf eine Handvoll politisch verbündeter US-Unternehmen beschränkt.”

Soweit Bob Herbert in der International Herald Tribune. Saddams Diktatur wurde durch eine Diktatur der US-Konzerne ersetzt. Dabei gibt es wenig Unterschiede zwischen denen, die in den Aufsichtsräten sitzen und denen, die im Weißen Haus, im Pentagon und anderen Regierungsinstitutionen sitzen.

Intransparenz und Korruption

Die Intransparenz Chinas wurde im Fall von SARS deutlich. Als Bechtel den ersten Vertrag für den Wiederaufbau des Iraks erhielt, war dies ein ebenso offensichtliches Beispiel für die Intransparenz, Geheimhaltung und Korruption, womit die Herrschaft der Konzerne in den USA etabliert wird. Ob es sich um die Wasserprivatisierungsverträge in Bolivien oder Indien handelt, jedesmal kennzeichnen Geheimhaltung und mangelnde Demokratie die Methoden, mit denen man sich Märkte und Profite aneignet. “Freier Handel” ist in Wirklichkeit total unfrei. Er ist erzwungen, korrupt, betrügerisch und gewaltsam.

Die Herrschaft der Konzerne ist keine Alternative zu Saddams Diktatur. Diese Herrschaft ersetzt die eine Diktatur durch die Diktatur der Konzerne, welche die Staatsmacht gekidnappt haben und mittels militärischer Gewalt Märkte an sich reißen. Die grundsätzliche Unehrlichkeit und den Betrug scheinen diejenigen nicht wahrzunehmen, die die Diktatur der Konzerne im Namen der “Operation irakische Freiheit” mit Gewalt durchsetzen. Dies kommt von einer tiefen Verwirrung darüber, was Freiheit und was Schöpfung bedeutet.

Als die 7000jährige Geschichte von Mesopotamien vom US-Militär zerstört wurde, war der naive und verantwortungslose Kommentar von Donald Rumsfeld: “Freie Menschen haben die Freiheit, Fehler zu machen, Verbrechen zu begehen und schlimme Dinge zu tun.” Nach dieser Logik haben die Terroristen, die Flugzeuge in das World Trade Center gejagt haben, ihre legitime Freiheit wahrgenommen, “Verbrechen zu begehen und schlimme Dinge zu tun”. Nach derselben Logik, nach der das US-Militär zu einem stummen Zuschauer der Plünderungen in Bagdad und der Plünderungen seiner historischen Schätze wurde, hatten die USA kein Recht, nach dem 11. September einen Krieg gegen den Terror zu beginnen.

Genauso, wie unter denjenigen, die versuchen, “Freiheit” für andere mittels Krieg durchzusetzen, Verwirrung darüber besteht, was menschliche Freiheit erfordert, besteht Verwirrung über die Bedeutung von “Wiederaufbau” und “Zerstörung”. Was im Irak geschah, war Zerstörung. Es wird aber als Wiederaufbau bezeichnet. Unschuldige Menschen wurden getötet, Tausende Jahre Zivilisationsgeschichte wurden zerstört und ausradiert. Dennoch sprach Jay Garner, pensionierter US-General, der ohne Rücksprache mit den Irakern zum Leiter des Büros für Wiederaufbau ernannt wurde, davon, “ein neues System im Irak zu gebären”.

Mit Bomben “gebiert” man keine Gesellschaft. Sie vernichten Leben. Neue Gesellschaften werden nicht durch die Zerstörung des historischen und kulturellen Vermächtnisses alter Zivilisationen geboren.

Vielleicht war die Zerstörung des historischen Erbes des Irak die Voraussetzung für die Illusion der “Geburt” einer neuen Gesellschaft. Vielleicht nehmen die Herrschenden in den USA diese Gewalttätigkeit nicht wahr, weil ihre eigene Gesellschaft auf dem Genozid an den amerikanischen Ureinwohnern aufgebaut wurde. Vernichtung des “anderen” scheint für die einzige Supermacht der Welt als “natürlich” zu gelten.

Vielleicht handelt es sich bei der Wahrnehmung einer offensichtlichen Zerstörung einer Zivilisation und Tausender unschuldiger Leben als eines “Geburtsprozesses” um den Ausdruck einer westlichen patriarchalischen “Illusion von Schöpfung”, die Zerstörung mit Schöpfung und Vernichtung mit Geburt verwechselt. Diese “Illusion” der Schöpfung betrachtet Kapital und Maschinen, einschließlich der Kriegsmaschinen, als Quellen der “Schöpfung” und die Natur und menschliche Gesellschaften, insbesondere nichtwestliche Gesellschaften, als tot, träge, passiv oder gefährlich und kannibalisch. Diese Weltsicht führt zur Vorstellung von der “Bürde des weißen Mannes”, der die Natur und unsere Gesellschaften mit Gewalt zu befreien hat und dies sogar als “Geburt” der Freiheit betrachtet.

Lizenz zum Plündern

Was immer die tieferen Wurzeln der Errichtung einer irakischen Wirtschaft des Plünderns und der Gewalt im Namen des “Wiederaufbaus” sind, Konzerne wie Bechtel machen mit dem Krieg Profite. Dies ist ein Beleg dafür, dass Krieg als Fortsetzung der Globalisierung mit anderen Mitteln geführt wird. Die Menschen auf der ganzen Welt sind nun herausgefordert, die Kräfte der globalisierungskritischen Bewegung, der Friedensbewegung und der Bewegung für eine wahre Demokratie zusammenzubringen.

Wir sind herausgefordert, die wirkliche Bedeutung von Freiheit zu reklamieren und sie vor der Degradierung zu bewahren, die sie durch das irreführende Gerede von “freiem Handel” und von der “Operation irakische Freiheit” erfährt. Die “Freiheit”, nach der in den Freihandelsabkommen und den Regeln der WTO gestrebt wird, sowie die “Freiheit”, die aus dem Irak-Krieg resultiert, ist die Freiheit für den Profit der Konzerne. Diese Freiheit besteht in einer Lizenz zum Plündern. Das Plündern durch Konzerne und die Freiheit der Konzerne zerstört die Demokratie und die Freiheit für Menschen und Gesellschaften.

Weltweit streben die Menschen nach einer neuen Freiheit, nach der Freiheit von der Diktatur der Konzerne, die durch Militär und Krieg ermöglicht wird. Dies trifft auf die Menschen im Irak und auf die Menschen in anderen Ländern, die durch multinationale Konzerne unter Protektion des Militärs oder durch “Freihandels”abkommen besetzt wurden, genauso zu wie auf die Menschen in den USA.

Der Vertrag des Bechtel-Konzerns und der Irak-Krieg, der Profite mit dem “Wiederaufbau” ermöglicht, haben Fragen aufgeworfen. Es sind Fragen nach dem Mangel an Demokratie, nach dem Mangel an Transparenz, und dem Mangel an Verantwortlichkeit, die in der Art und Weise liegen, wie die US-Regierung, die sich nicht mehr von den US-Konzernen unterscheidet, ökonomische und politische Entscheidungen trifft. Ein Regime, in dem Regierungen zu Werkzeugen der Konzerninteressen werden, ist keine Demokratie mehr. Anstelle einer Regierung “des Volkes, durch das Volk und für das Volk”, entsteht eine Regierung “der Konzerne, durch die Konzerne und für die Konzerne”.

Für das Wohlergehen der Demokratie ist ein “Regimewechsel” in den USA, im Irak und in jedem Land, in dem sich eine Diktatur der Konzerne einnistet, dringend erforderlich.

Bechtel in Bolivien

Die bekannteste Geschichte von der Profitgier des Bechtel-Konzerns ist die Geschichte der Wasserprivatisierung in Cochabamba, Bolivien. In der Halbwüstenregion ist das Wasser knapp und kostbar. 1999 forderte die Weltbank die Privatisierung der kommunalen Wasserwerke von Cochabamba im Rahmen eines Zugeständnisses für International Water, eine Tochtergesellschaft von Bechtel. Im Oktober 1999 wurde das Wasser- und Sanitätsgesetz verabschiedet. Dieses Gesetz beendete die öffentliche Subvention und erlaubte die Privatisierung.

In einer Stadt, in der das Mindesteinkommen weniger als 100 Dollar im Monat beträgt, stiegen die Wasserkosten auf 20 Dollar im Monat. Mit diesem Geld kann man dort eine fünfköpfige Familie zwei Wochen lang ernähren. Im Januar 2000 bildete sich daraufhin ein Bürgerbündnis mit dem Namen “La Coordinara de Defense del Aqua y de la Vida” (Bündnis zur Verteidigung des Wassers und des Lebens). Mit Massenmobilisierungen legten sie die Stadt für vier Tage lahm. Zwischen Januar und Februar 2000 marschierten Millionen von Bolivianerinnen und Bolivianern nach Cochabamba. Sie organisierten einen Generalstreik und stoppten jeglichen Verkehr.

Die Regierung versprach, die Privatisierung rückgängig zu machen, aber sie tat es nicht. Im Februar 2000 organisierte La Coordinara eine friedliche Demonstration und forderte die Aufhebung des Wasser- und Sanitätsgesetzes, die Annullierung der Privatisierungserlaubnis, die Beendigung des Wasservertrags und die Bürgerbeteiligung bei der Verabschiedung eines Gesetzes über die Wasserressourcen. Die Forderungen wurden mit Gewalt unterdrückt, denn sie setzten die Interessen der Konzerne aufs Spiel. Coordinara kritisierte grundsätzlich, dass Wasser nicht mehr als Gemeineigentum betrachtet wird. Die Demonstranten setzten dagegen: “Wasser ist Leben”.

Im April 2000 versuchte die Regierung, die Wasserproteste durch den Hinweis auf Marktgesetze zum Schweigen zu bringen. Aktivisten wurden festgenommen, Demonstranten umgebracht und Medien zensiert. Doch am 10. April gewann schließlich das Volk. Die Konzerne Aquas del Tumani und Bechtel verließen Bolivien. Die Regierung war gezwungen, ihre verhassten Wasserprivatisierungsgesetze zurückzunehmen. Das Wasserwerk Servico Municipal del Aqua Potable y Alcantarillado wurde seinen Arbeiterinnen, Arbeitern und dem Volk übergeben, zusammen mit den vorhandenen Schulden. Im Sommer 2000 organisierte La Coordinara öffentliche Anhörungen, um eine demokratische Planung und ein demokratisches Management einzurichten. Die Menschen haben die Herausforderung einer Wasserdemokratie angenommen. Doch die Wasserdiktatoren versuchen alles, um diesen Prozess zu stürzen. Bechtel verklagt die Bolivianer, und die bolivianische Regierung verfolgt und bedroht die Aktivisten von La Coordinara.

Von Bolivien haben wir gelernt, dass Bechtel versuchen wird, nicht nur die Wasserwerke, sondern auch die Wasserressourcen zu kontrollieren. Wenn die internationale Gemeinschaft und die Iraker nicht aufpassen, könnte Bechtel darangehen, sich die Flüsse Euphrat und Tigris anzueignen, so wie sie versucht haben, die Quellen in Bolivien zu “besitzen”.

Bechtel und Indien

Die private Firma Bechtel Enterprises ist das weltgrößte Bauunternehmen und hat vom Bauboom der Nachkriegszeit stark profitiert. Sie ist verantwortlich für über 19000 Projekte in 140 Ländern und operiert auf allen Kontinenten (save Antarctica). Dazu ist Bechtel an über 200 Wasserwerken und Kläranlagen auf der ganzen Welt beteiligt, größtenteils über Tochtergesellschaften und Joint-ventures, wie beispielsweise International Water (ein Gemeinschaftsunternehmen von Bechtel, Edison aus Italien und United Utilities in Grossbritannien).

In Indien war Bechtel zusammen mit Enron in den Dabhol-Werken aktiv. Nun sind sie als Teil eines Konsortiums mit Mahindra und Mahindra und United International North West Water in die Wasserprivatisierung von Coimbatore/Tirrupur eingestiegen. Genau wie bei anderen Wasserprivatisierungsverträgen wurde dieser Vertrag nicht öffentlich gemacht. Geschäfte, die nur hinter verschlossenen Türen im Geheimen abgeschlossen werden, fördern nicht die Freiheit. Sie schließen Freiheit und Demokratie aus.

  • Vandana Shiva aus Indien, weltbekannt für ihre Kritik an der Gentechnik, an industrialisierter Landwirtschaft und der Globalisierung, sprach auf dem Kongress “Frauen stoppt GATS”, der vom 9. bis 11. Mai 2003 in Köln stattfand. Ihr von Regina Schwarz für junge Welt aus dem Englischen übersetzter Beitrag wird auch im Infobrief (Nr. 12) gegen neoliberale Politik und Konzernherrschaft veröffentlicht.

Quelle: Junge Welt vom 12.06.2003. Wir danken der jungen Welt für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung dieses Artikels.

Veröffentlicht am

06. Juli 2003

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