Shelley und Jim Douglass: Das Angebot einer auf dem Evangelium basierenden persönlichen Kampfansage gegen ungerechte StaatsgewaltVon Marianne Arbogast Heute in Birmingham, Alabama wohnhaft, betreibt Shelley Douglass ein “Catholic Worker”-Haus, währenddessen Jim Douglass Recherchen für ein Buch betreibt, das die offiziellen Versionen der Morde an King und Kennedy in Frage stellt - ein unpopuläres Thema, wie er selbst sagt, nicht nur in den etablierten Medien, sondern auch in progressiven Kreisen. Letzten November, als eine Jury in einem Zivilprozess wegen einer Klage der King-Familie herausfand, dass Behörden der US-Regierung in Kings Ermordung verwickelt waren, wurde der Urteilsspruch fast gänzlich ignoriert oder in Misskredit gebracht. “Ich denke dass es sogar für Menschen aus der Friedens- und Gerechtigkeitsbewegung schwierig ist, zu begreifen, dass es in unserer unmittelbaren Gegenwart ein System des Bösen gibt”, sagt Jim Douglass. “Wir können darüber reden, dass die CIA in Guatemala oder im Mittleren Osten oder in Kuba Leute ermordet, aber es scheint uns unmöglich zu akzeptieren, dass dasselbe in den USA passiert - was, wie ich denke, naiv ist. Als Erzbischof Romero erschossen wurde, sagten die Menschen in El Salvador nicht “schon wieder hat ein einsamer Verrückter einen Propheten ermordet”. Sie verstanden die Gründe für seinen Tod. “Wenn wir Kings Tod nicht ernst nehmen, nehmen wir sein Leben nicht ernst. King wurde ermodert, weil er über seinen Kampf für Bürgerrechte hinaus den Vietnamkrieg verurteilte, und eine Kampagne armer Leute unterstützte, dessen Ziel es war, die Washington D.C. solange lahmzulegen, bis die US-Regierung verspricht, die Armut zu beseitigen. Er stellte sich eine globale Kampagne der Armen vor, die das funktionieren der Städte weltweit durcheinander bringen würde, ohne sie zu zerstören. Das wurde von Menschen, die den Reichtum kontrollieren, ernst genommen, und das ist der Punkt im Zentrum der Fragen, die sich um die Ermordung von King drehen.” Sowohl Jim als auch Shelley Douglass verdanken “Catholic Worker” viel von ihrem Verständnis für das Evangelium und seine Kampfansage an ungerechte Staatsgewalt. Shelley Douglass, die in einer CIA-Familie aufwuchs, die in die Schweiz, nach Pakistan und nach Deutschland versetzt wurde, war überrascht, als sie in die USA zurückkehrte, und das Land nicht so war, wie ihr gesagt wurde. “Meine Familie war christlich, und wir lasen das Neue Testament, und ich hatte Staatsbürgerkunde auf dem Armee-Gymnasium in Deutschland. Als ich in den frühen 60er Jahren in die Staaten zurückkam, wusste ich nichts von der Rassentrennung, denn darüber las man nichts in der Militärpresse in Übersee. Mir erschien die Rassentrennung ganz klar falsch, und es war unsere christliche Pflicht und Bürgerpflicht etwas dagegen zu tun, dasselbe galt für den Vietnamkrieg.” Als Schülerin wurde Shelley vom Katholizismus angezogen, denn die lateinische Messe erschien ihr als beständige Alternative zu der Gewohnheit ihrer Eltern, bei jedem Umzug die Konfession zu wechseln, je nachdem, wo es den Gottesdienst auf Englisch gab. Weil ihre Eltern dagegen waren, versprach sie bis zum 18. Lebensjahr zu warten, bis sie katholisch wurde. “Als ich 18 wurde, gab es die lateinische Messe nicht mehr, aber als wir nach Hause kamen, war eines der ersten Dinge, die ich entdeckte, ‘Catholic Worker’, und das hat mich mehr als entschädigt. Hier taten die Menschen das, was ihnen, so glaubte ich, das Evangelium befahl.” Autorität ist in der “Catholic Worker”-Gemeinschaft mit Verantwortung verbunden, sagt sie. “Wir bezeichnen uns gerne als Anarchisten in der ‘Catholic Worker’-Bewegung, das heißt aber nicht, dass jeder herumläuft, und tut, was ihm gerade einfällt. Es ist eine personenbezogene Philosophie, jeder von uns ist persönlich verantwortlich. Wenn du etwas siehst, das erledigt werden muss, ob den Badezimmerboden zu wischen, oder Streikpostenkette stehen, dann machst du es.” Als die einzige ständige Bewohnerin von “Mary’s House”, ein Haus, das Obdachlose aufnimmt (die Douglass´ haben ein zweites Haus, in dem Jim Douglass seine Autorenarbeit fortführen kann), ist es an Shelley Douglass, die Entscheidungen zu treffen. “Es ist ein bisschen schwierig, denn ich habe das Sagen, nicht die anderen Leute. Ich hoffe, dass wenn die Menschen kooperieren, dann nicht, weil sie befürchten, dass ich sie sonst hinauswerfe, sondern weil es einen Sinn hat, keine Drogen zu nehmen und pünktlich zum Essen zu kommen, sich umeinander zu kümmern. Ich habe Autorität, und ich hoffe, es ist die Art Autorität, die von meinem Innersten herrührt, von dem, wer ich bin. Das ist die Autorität, die ich in meinem Leben erkenne. Die Menschen die ich sehe, sind nicht unbedingt die Menschen mit Rang und Namen, aber Menschen, denen ich ansehe, dass sie das leben woran sie glauben.” Bei wichtigen Entscheidungen, wie wenn es um zivilen Ungehorsam geht (sie plant für dieses Frühjahr eine Reise in den Irak mit dem Versöhnungsbund, dessen frühere Landesvorsitzende sie ist), schaut Shelley Douglass genauso, wie sie sagt, “in sich hinein - was mir mein Bauch sagt”, wie auf das, was die Heilige Schrift sagt, und auf das Urteil der Gemeinde. “Ich denke, dass die endgültige Autorität die Gemeinschaft ist, die wir mit anderen Menschen haben - und wenn ich denke, dass die Staatsgewalt das missachtet, und ich der Meinung bin, etwas dagegen tun zu können, dann tue ich das.” Sie ist der strikten Gewaltfreiheit verpflichtet, und betont Gandhis Prinzip, dass “jeder ein Stück der Wahrheit in sich trägt, - das heißt auch die Menschen auf der Trident-Basis oder die Regierung des Irak, und vielleicht sogar die US-Regierung. Und niemand ist vollkommen, egal wie sicher ich mir einer Sache bin, könnte ich trotzdem im Unrecht sein. Vielleicht kenne ich nicht alle Fakten, oder ich könnte etwas falsch interpretieren, oder wider besseres Wissen handeln. Es ist schwierig, mit dieser Dualität zu leben, denn man muss ziemlich fest daran glauben, das man Recht hat, wenn man riskiert, verhaftet zu werden oder ins Gefängnis zu kommen.” Jim Douglass entdeckte “Catholic Worker” nach einem Abstecher in der Armee, der er beitrat, nachdem er das Atomphysikprogramm der University of California in Berkeley verlassen hatte. Ich wandte mich in eine Richtung bei der ich nicht wusste, wo ich enden würde, und irgendwann begann ich Dorothy Day zu lesen und begegnete ihr persönlich. Das brachte mich dazu, die Evangelien zu verstehen. Ich kam zur Gewaltfreiheit über die Frage der Atomwaffen, denn wie könnte ein Christ mit der Zerstörung allen Lebens auf Erden einverstanden sein? Als mir von ‘Catholic Worker’ diese Frage gestellt wurde, war das für mich undenkbar.” Jim Douglass nahm theologische Studien über Krieg und Frieden auf, war in Rom, als das Zweite Vatikanische Konzil stattfand, und beriet Bischöfe, die an einem Dokument arbeiteten, das Kriegsdienstverweigerung als eine Option für Katholiken anerkannte. “Ich sprach mit so vielen Bischöfen wie ich konnte, die für diese Frage offen waren, und obwohl ich keine wichtige Person war und nicht einmal einen höheren akademischen Grad in Theologie hatte, hörten sie mir sogar aufmerksamer zu als ich es mir vorgestellt hätte, denn es gab sehr wenige Theologen, die sich mit diesem Thema befassten”, sagt er. “Ich konnte an Reden für einige der Bischöfe arbeiten, und dank einer Interessengruppe der auch Eileen Egan, Jean und Hildegard Goss-Mayr, Dorothy Day und aus der Distanz Thomas Merton angehörten, erreichten die Bischöfe eine Position, die der Kirche in der Frage von Krieg und Frieden eine neue Richtung gab.” Er beschreibt sein Verhältnis zur offiziellen Kirchenautorität als “zwiespältig”. Ich unterstütze die Reisen des Papstes nach Bosnien und jetzt in den Irak, weil ich glaube dass er ein Gewissen und eine Stimme hat, die weit mehr Bedeutung hat, als alle Regierungsbehörden der Erde. Wenn er sie so benutzt, wie zum Beispiel in Kuba, ist es eine Stimme, die Positionen verändern kann, und das ist eine Stimme direkt aus dem Evangelium. Aber andererseits lehnt der Vatikan das Evangelium ab, wenn er Schwule und Lesben verachtet, oder die Zulassung von Frauen zum Priesteramt verweigert.” Shelley Douglass, die einst die Priesterweihe in der United Church of Canada in Erwägung zog, sagt, dass sie heute nicht mehr die Ordination wählen würde, selbst wenn sie katholischen Frauen erlaubt wäre, es sei denn, die Kirchenstrukturen würden sich radikal ändern. “Es macht für mich keinen Sinn, eine solche übergeordnete Person in der Gemeinde zu sein, und das ist nichts, woran ich teilnehmen will. Aber wenn es darum geht die Familie zu versorgen oder die Eucharistie zu feiern… eines Tages, wenn die Dinge anders liegen, wenn ich dann noch am Leben bin, dann vielleicht.” Sie unterscheidet zwischen Macht und Autorität. “Während die Strukturen der Kirche alle Macht besitzen, haben sie nicht alle Autorität. Was sagten sie über Jesus? - ‘Er lehrte mit Autorität.’ Diese Art von Autorität kommt aus der persönlichen Integrität eines Menschen. Ich nehme die Lehren der Kirche ernst, weil sie eine traditionelle Institution ist, die auf unsere Vorfahren zurückgeht. Im Idealfall kommt alles zusammen - die Menschen, die Autorität in meinem Leben haben, die Lehre der Kirche, die Heilige Schrift, und das Gefühl in meinem Bauch.” Jim Douglass spricht auch über eine Autorität derer, die leiden. “Die Erfahrung, seit dem Golfkrieg viermal im Irak gewesen zu sein, machte es mir unmöglich, die Schlagzeilen über Saddam Hussein zu lesen, ohne an die 22 Millionen übrigen Menschen in jenem Land zu denken. Ich denke, das ist eine Autorität, die im Zentrum unserer Außenpolitik stehen müsste, damit sie, wie A. J. Muste sagte, eine Außenpolitik für Kinder wird. Das Leiden irakischer Kinder in den Krankenhäusern, die ich besuchte, die sterben, weil ihr Trinkwasser durch Abwässer verunreinigt ist, und weil es keine Medizin gibt, um die Krankheiten zu behandeln die Konsequenzen des Krieges sind, und das Resultat der US/UN-Sanktionen - das ist eine Autorität, die mich vielleicht mehr berührt hat, als alles andere in den letzten Jahren.” Marianne Arbogast ist Redakteurin bei “The Witness”. Quelle: “The Witness” vom März 2000. Übersetzung: Csilla Morvai. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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