Film “Rosenstraße” kommt in deutsche KinosDer Film “Rosenstraße” kommt in die deutschen Kinos. Der Protest in der Berliner Rosenstraße ist ein wichtiges Beispiel eines erfolgreichen gewaltfreien Widerstands während der NS-Diktatur. Diese Aktion ist es wert, entsprechend gewürdigt zu werden. Deshalb veröffentlichen wir hierzu einen ausführlichen Hinweis von Martin Arnold, den er am 17.09.2003 mitgeteilt hat. Außerdem folgt eine Stellungnahme einer Teilnehmerin der “Rosenstraße”-Aktion nach dem Anschauen des Films. Liebe FreundInnen des Friedens, Am 18. September kommt der Film “Rosenstraße” in die deutschen Kinos. Dieser Film, in Venedig präsentiert und mit Katja Riemann als bester Darstellerin prämiert, zeigt den erfolgreichen gewaltfreien Widerstand von Frauen in Berlin 1943, als die Nazis ihre jüdischen Männer deportierten. Einige Männer wurden sogar aus Auschwitz zurückgeholt. Der Streifen ist deshalb konzeptionell wichtig, weil er den tausendfach wiederholten Mythos widerlegt, gegen Nazis und solche Leute helfe nur Gewalt. (Das Buch des Franzosen Jacques Semelin “Ohne Waffen gegen Hitler”, in dem der Historiker Hunderte von Beispiele dokumentiert, ist in Deutschland nur einem Spezialpublikum bekannt.) In der Ankündigung einer Präsentationsveranstaltung mit der Preisträgerin Katja Riemann und der Regisseurin Margarethe von Trotta in Essen (19.9. 20 Uhr Lichtburg) in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung wird der falsche Mythos einmal mehr bestätigt durch die den Erfolg in Zweifel ziehende Formulierung “Die Frauen sollen mit den Protesten ihre jüdischen Männer vor der Deportation gerettet haben.” Es gibt einige Literatur zu den Ereignissen, die nach dem öffentlichen Totschweigen durch die Nazis bis heute nicht ins gewünschte - oder für möglich gehaltene - Bild zu passen scheinen. Um so wichtiger ist dieser Film: Er stellt eins der vielen Gegenbeispiele gegen den Gegen-Hitler-Half-Nur-Gewalt-Mythos, fortgesetzt als Gegen-Gewalt-Hilft-Nur-Gewalt-Mythos vor, von dem milliardenschwere Industrien auf Kosten von Bildung und Wohlstand der Allgemeinheit lebt. Er sollte in Schulen gezeigt und historisch aufgearbeitet werden wie “Schindlers Liste”: Von vielen Konflikten gibt es solche Beispiele, wo Gewalt ohne Gewalt, durch Gütekraft, abgebaut wurde. Dieses Handlungs- und Interaktionsmuster ist zu erarbeiten. Auch die Friedensforschung interessiert sich allmählich dafür. Dass die Medien so wenig davon bringen, liegt wohl auch mit daran, dass Blutvergießen per se größeren Unterhaltungswert hat als Konfliktlösung ohne Gewalt. Umso wichtiger, dass dieses Medium genutzt wird. Salaam! Schalom! Ich füge bei, was eine Teilnehmerin von damals nach dem Ansehen des Films schrieb. Montag 15. September 2003 Kino & Film - Hintergrund «Aber wir wollten Vater unbedingt wieder haben»«Wahrscheinlich hatten wir innerlich Angst. Aber wir wollten Vater unbedingt wieder haben. Nichts anderes zählte.» Gisela Mießner gehörte zu den Frauen, die ab Ende Februar 1943 in der Rosenstraße in Berlin länger als eine Woche öffentlich für die Freilassung jüdischer Inhaftierter demonstrierte. «Was hätte denn passieren sollen?», fragt die mittlerweile 78-Jährige noch heute sichtlich aufgewühlt. «Dann hätte uns die Gestapo eben auf Lastwagen aufgeladen und abtransportiert.» So weit kam es nicht. Ganz im Gegenteil: «Am 11. März wurde ich 18, einen Tag vorher war Vater wieder da», erinnert sich die evangelisch erzogene Mießner. Und auch die anderen der mehr als 1.000 Mitgefangenen waren nach und nach wieder frei gelassen worden. Die einzige Massendemonstration gegen die Judendeportation in Nazi-Deutschland endete erfolgreich. «Vater war schwer krank, lag mit hohem Fieber im Bett und hatte Furunkel, als die Gestapo ihn von zu Hause abholte», erzählt Mießner. Das war am 27. Februar 1943, als in der von der Geheimpolizei so bezeichneten «Schlussaktion Berliner Juden» viele Juden verhaftet und in provisorische Sammellager gebracht wurden. Durch den jüdischen «Mundfunk» bekamen Mutter und Tochter mit, dass der Vater - ein im Ersten Weltkrieg hoch dekorierter deutscher Jude - in das als Lager umfunktionierte Jüdische Gemeindehaus in der Rosenstraße gebracht worden war. Hier wurden die Juden aus so genannten Mischehen inhaftiert. Gleich am nächsten Morgen machten sich Mießner, ihr Verlobter, die christliche Mutter und die kleine Schwester auf den Weg in die Rosenstraße. Für den Vater hatten sie ein Bündel mit Lebensmitteln, Decken und Kleidung gepackt. «Es war kalt und es lag ein wenig Schnee. Schon von weitem hörten wir Rufe», erzählt Mießner. «Als wir ankamen, waren da schon viele Frauen. Sie riefen: ‘Gebt uns unsere Männer raus! Gebt uns unsere Kinder raus!’ Wir liefen vor dem Gebäude auf und ab, die SS und Polizei hielten sich sehr zurück.» Gewehre habe sie nicht gesehen. Sogar das Bündel habe den Vater erreicht. Bis es dunkel wurde, harrte die Familie aus. Immer wieder stießen Angehörige der Inhaftierten hinzu, andere gingen nach Hause, um zu essen, sich aufzuwärmen oder zu schlafen - ein ständiger Wechsel. Mießner selbst konnte in den folgenden Tagen nicht mehr hingehen, sie musste arbeiten. Mutter und Schwester setzten den Protest jedoch fort. Manches Mal seien vor dem provisorischen Lager, an dessen Platz seit sechs Jahren ein Denkmal an die Demonstration erinnert, mehrere hundert Menschen, vorwiegend Frauen, gewesen. Als der Vater, der Getreidehändler Joseph Mannheim, dann endlich wieder zu Hause war, sah er sehr blass und elend aus: Er hatte miterleben müssen, dass seine hüftkranke Cousine von der Rosenstraße aus auf einen Todestransport musste. Über die Behandlung in dem Sammellager wollte er mit seiner Tochter jedoch nicht sprechen. «Er wollte uns nicht belasten.» Die Geschichte Mannheims endete tragisch: Im Sommer 1944 überstand er einen weiteren Lageraufenthalt. Die letzten Kriegstage verbrachte die Familie versteckt in verschiedenen Bunkern. Ein verhafteter Bekannter der Familie verriet ihn Ende April 1945 der SS. «Sie nahmen meinen Vater mit und schossen ihn fast tot», sagt Mießner. Dann war die SS weg, der Vater lag blutend vor dem Bunker am Alexanderplatz. «Mutter tauschte Schmuck gegen einen Handwagen.» Auf diesen wurde der sterbende Vater gelegt, die Familie zog von Krankenhaus zu Krankenhaus, auch eine Beinamputation half nicht mehr - der Vater starb 55-jährig am 13. Mai 1945. Den Film «Rosenstraße» von Margarethe von Trotta, der am (kommenden) Donnerstag ins Kino kommt, hat Mießner in einer Voraufführung schon gesehen. Reingegangen sei sie mit der Prämisse, «Radau zu machen». Denn: «Solch ein Thema ist viel zu schade für eine Schnulze.» Kaum lief der Film, liefen auch schon die Tränen der Rührung. «Manchmal dachte ich, nicht mehr im Kino zu sitzen, sondern in der Rosenstraße zu stehen», sagt Mießner. Die Liebesgeschichte drumherum sei zwar etwas kitschig. «Aber das muss wohl so sein, um auch Lieschen Müller klar zu machen, was passierte.» Interessanter Link zum Protest in der Rosenstraße: http://www.rosenstrasse-protest.de/ Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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