Eine bessere, gerechtere, zukunftsfähige Welt ist möglichWolfram Frommlet - Rede zur Eröffnung Oberschwäbische Friedenswochen, 08. November 2003, Ravensburg “Teufelskreise verlassen”, ist das Motto der Friedenswochen dieses Jahr - das klingt biblisch, religiös - ist doch der Teufel nicht nur in der christlichen Religion der Widersacher Gottes. Doch die Teufelskreise, die Millionen Menschen weltweit in Friedensgruppen, in Menschenrechtsorganisationen, in Sozialen Bewegungen verlassen, um für eine menschlichere, eine gerechtere Welt zu kämpfen, diese Teufelskreise sind von Menschen gemacht - und sie zerstören alles, was der Menschen würdig und heilig wäre -, egal an welchen Gott der Weltreligionen wir glauben mögen, oder seien es die großen zivilen Errungenschaften der Menschheit: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, oder der Glaube dass vor Gott alle Menschen gleich sind, oder die Errungenschaft der Menschrechte, oder das grundgesetzliche Bekenntnis zur unantastbaren Würde des Menschen, oder die bislang noch nicht illegale Forderung, dass Eigentum verpflichte, oder die allgemeine Übereinstimmung in allen Demokratien, ja selbst in traditionellen Gesellschaften, dass Menschen ein Recht auf Wahrheit haben - und kein Recht auf Lügen. Von diesen Forderungen, die doch wohl Menschen jeder Religion und Nationalität unterschreiben können - rücken wir jeden Tag weiter weg. Der Teufelskreis der Verdummung, der Verblödung - Gigi gaga Heiterkeit, Sex und Gewalt - doch nicht die in Liberia, im Kongo, wo es um das Koltran für unsere Handys geht, um Kautschuk für Dunlop und Diamanten für unsere westliche Industrie und für jene Schickimickies und adligen Apanagenschmarotzer, von denen wir das Rasierwasser und die Hersteller ihrer Unterwäsche kennen. Als wären wir im Mittelalter, rührt das Volk das Leiden des fürstlichen Gefreiten Thurn und Taxis - aber nicht das Elend der Millionen Kindersoldaten. Wir wissen, wie Prince William geruht, für ein paar Hunderttausend Pfund bewacht, auf einer australischen Farm zu arbeiten - aber wie dort gearbeitet wird, wo das Soja und Tapioka für unsere Schweinemasten, wo der Kaffee für Tchibo, die Bananen für Dole geerntet werden - das wissen wir leider nicht, denn das ist nicht zum Ablachen - da kriegt man keine Ejakulation. Die globale Verdummung macht Sinn - mit Geheimdienstlügen wurde das amerikanische Volk für den Vietnamkrieg mobilisiert, für den zweiten, für den dritten Golfkrieg; je mehr Berlusconi, der Präsident eines zu seinem Bedauern noch immer demokratischen Staates, je mehr er sich den Diktatoren afrikanischer Prägung angleicht, desto mehr wird in seinen Medien gelogen und abgelenkt. Das ist nicht neu - nur inzwischen ausgefeilter. Neu vielleicht auch, dass ein Tyrann wie Berlusconi, der den Zynismus besitzt sich als Christ aus zugeben, geknutscht wird von anderen vorgeblichen Christen - Blair und Merkel, Bush und Aznar, wie auch von Wladimir Putin - aber auch dass passt zusammen, denn besäße Putin die mediale Macht seines Freundes Silvio, würde man kein Wort mehr erfahren über den Völkermord in Tschetschenien. Heute, am 8. November, eröffnen wir die Friedenswochen. Der Teufelskreis der Verarmung - Gebracht haben diese Schulen den Armen noch mehr Armut - die Mehrheit kann sich keine Schulgebühren, kein Schulbuch, keinen Klinikbesuch mehr leisten, in nur zehn Jahren hat die Zahl derer, die unter dem Existenzminimum von 2 Dollar pro Tag lebt, um 100 Millionen Menschen zugenommen. 2.800 Milliarden Menschen - fast die Hälfte der Weltbevölkerung - lebt jenseits all dessen, was man auch nur als die geringsten Grundbedürfnisse nach Wasser, Nahrung, Kleidung, einem Stück Land oder einem Dach über dem Kopf bezeichnen kann. Von einer Alterssicherung nicht zu reden, von gesicherter Arbeit, von einem Grundlohn oder Bildung. Merkwürdig, und vermutlich ganz ohne jeden Zusammenhang, dass in diesem Zeitraum das private Geldvermögen der Deutschen auf 3.658 Mrd. Euro gestiegen ist. Dank unserer deutschen Mentalität zu harter Arbeit. Aber, Jammer auf hohem Niveau, wie es einer Kulturnation angemessen ist - zum ersten Mal seit der Währungsreform, im Jahre 2001 ist es zum ersten Mal um 15 Mrd. gesunken! Wer soll sich da noch einen Maybach für 175.000 Euro leisten können, oder den bescheideneren Porsche Carrera. Da bleiben keine Tränen für die Armen - weinen wir über die neue Armut von Ärzten und Gattinnen. Doch die Schulden sind nicht nur ein Teufelskreis für die Armen, sondern auch für die Schöpfung - in unserer Gier nach Rohstoffen, nach immer gigantischeren Konsumbedürfnissen werden ganze Kontinente geplündert - mit Zustimmung jener korrupten und korrumpierten Dritte-Welt-Eliten, die der Westen gepäppelt, bis an die Zähne bewaffnet hat - weil sie die falschen Entwicklungsmodelle mit diktatorischer Unterdrückung durchpeitschten - Agrobusiness, Freihandelszonen, Mega-Staudämme, Plünderung der Wälder und des Bodens ? und vertrieben werden Millionen Kleinbauern, vernichtet wird Jahrtausende altes traditionelles Wissen. Das ist gut für uns - und unsere Teufelskreise des Wachstums: Doch eine teuflische Spirale dreht sich rapide weiter: der westliche Lebensstandard steigt und steigt, jede Einwegspritze, jeder Traktor, jedes Bewässerungsrohr wird damit teurer - doch wir sind nicht bereit, unser Modell an andere anzugeben: dass wir alle alles haben wollen, jetzt hier und heute - Arbeiter und Angestellte, der klassenlose Genuss. Die Welt gehört uns! Eines von unendlich vielen Beispielen: 1984 hat Tansania, abhängig vom Export von Tee, Kaffee, Sisal und Pyrethrum, für seine Agrarprodukte 153 Mio. US $ bekommen; Zu einfach wäre es, die Teufel, die sich dieses System der globalen Ungerechtigkeit ausdenken, auf ein paar Namen, ein paar Rohstoffkonzerne zu reduzieren - Nestlé und Unilever, Nabisco und Eduscho, C&A und United Fruit. Doch eine bessere Welt ist möglich - Eine bessere Welt ist machbar - Amerika ist doch immer das große Vorbild in Deutschland. Na also - nachahmen! Die Christliche Initiative Romero, die ökumenische Organisation Südwind in Deutschland, Gruppen in der Schweiz, in England, in den Niederlanden haben die Konzernzentralen großer Bekleidungshäuser, H&M, C&A. Woolworth und Adidas mit Tausenden von Anfragen nervös gemacht ? wo, unter welchen Bedingungen ihre Baumwolle geerntet, ihre Kleider hergestellt werden. Diese Gruppen sind an die Öffentlichkeit gegangen - es hat Wirkung gezeigt. Die Bedingungen in vielen Freihandelszonen, zum Beispiel auf Sri Lanka, haben sich verbessert, die Unternehmen verpflichten sich neuerdings zu einem “code of conduct”, einem Verhaltenskodex. Nie hätten die Manager dies ohne den Druck von unten getan. Wir alle können Politik mit dem Einkaufskorb machen - Wie viel Dummheit, wie viel Blindheit müssen wir denn ertragen, ohne uns zu schämen, und Spaß daran zu haben, die Flasche Olivenöl nochmals um einen Euro billiger bei Lidl oder Aldi gekauft zu haben, ohne zu begreifen, dass es die Bauern sind, in Griechenland, auf Sizilien oder in Anatolien, die dafür nicht mehr überleben können; wie viel Dummheit braucht es eigentlich noch, um zu begreifen, dass ein Kilo Mehl zu 49 Cent nur noch unter Bedingungen angebaut werden kann, nicht nur in der Dritten Welt, sondern vor unserer Haustür, unter Bedingungen, die unseren Kindern keine Schöpfung mehr lassen wird. Aber dann im Lodenanzug zu den Kastelruther Spatzen und das Heimatlied anstimmen. Teufelskreis ? nicht nur in der Dritten Welt, sondern auch bei uns. Global denken, lokal handeln - ist nicht nur das Motto von attac, von Umweltbewegungen, sondern auch von kirchlichen Landfrauen, von Landjugendgruppen, die diesen Teufelskreis durchbrechen. Eine bessere, eine gerechtere, eine zukunftsfähige Welt ist möglich - aber sie wird uns nicht auf NeunLive und RTL geliefert werden. Wir werden um sie kämpfen müssen ? andere haben dies erfolgreich vorgemacht, haben sich von ihren Karrierefesseln befreit, haben sich auf die andere Seite begeben. Hoffnungsvoller aber noch als der Ausbruch aus den Teufelskreisen an der Spitze, die endlose Liste der NGOs, der NROs in aller Welt, die Widerstand leisten gegen die Zerstörung des Planeten - friends of the earth, SOS, save our seeds, BUND, Robin Wood oder Urgewald, die christlichen Basisbewegungen, im Geiste der Befreiungstheologie, die Landlosen und Straßenkindern, Kleinbauern und indigenen Minderheiten helfen, ihr Wissen zu bewahren, die Schulen gründen für ein alternatives, ein kollektives Wissen, ein angepasstes, Wissen das den Menschen dient, der Zukunft für die Armen, und nicht der Zukunft von Exxon und Halliburton, ITT und Chrysler. Niemand kann behaupten, er könne “doch nichts ändern am Lauf der Welt” - jeder kann Zeit und Geld investieren in gerechte Produkte, in den Schutz unseres Planeten, mit jedem Joghurt, jeder Flasche Bier, jeder Erdbeere, die nicht durch halb Europa transportiert werden musste Gerade das Internet dient Tausenden von alternativen Bewegungen als neue, rasend schnelle und billige Wissensquelle und als Vertrieb unterdrückter Wahrheiten - auch daran kann (inzwischen fast) jeder teilnehmen ? Luther hat seine Thesen noch an die Kirchentüren geschlagen - mit einem Klick können wir Hunderte von Emails mit alternativem, subversivem Wissen an Freunde in unserer Nähe, an Gruppen, vor allem in der Dritten Welt, verschicken. Wir müssen gegen die Murdochs und Berlusconis eine Gegenbewegung aufbauen. Die Welt gehört uns, den weltweiten Koalitionen gegen die neoliberalen Gewinnmaximierer, für “global justice and peace”, für globale Gerechtigkeit und Frieden, und dies kann sehr lustvoll sein. Wer zwingt uns denn, Politiker zu wählen, ja überhaupt noch wahrzunehmen, die Frauenhäuser austrocknen und Bibliotheken, alternative Energieforschung und ökologischen Landbau, aber den Bau des Transrapid von der Münchner Innenstadt zum neuen Flughafen ? damit die Herren mit den Hermes-Köfferchen schneller zum nächsten Teufelsdeal kommen. Hunderttausende haben wir bejubelt, als sie in Dresden und Leipzig ein verrottetes Regime mit ihrem Mut davon jagten. Allein machen sie dich ein ? ja, richtig. Aber gemeinsam sind wir stark - Probieren Sie es mal aus ? Sie werden sehen, es macht Spaß! *************** Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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