“Friedenspolitische Richtlinien” der Kooperation für den Frieden1. Vorwort “Krieg und Gewalt bilden einen Teufelskreis mit den anderen Bedrohungen, unter denen die Menschheit leidet: Armut, globale Ungerechtigkeit, Umweltzerstörung und Verschwendung von Rohstoffen.” Im Mai 2003 legte der Bundesverteidigungsminister erstmals nach 11 Jahren neue “Verteidigungspolitische Richtlinien” für die Bundeswehr vor. Mit diesen Richtlinien eröffnet er der Bundeswehr die Perspektive einer Interventionsarmee, deren Einsatzmöglichkeiten ausdrücklich “weder hinsichtlich ihrer Intensität noch geografisch” begrenzt sein sollen und für die nur der “politische Zweck” bestimmend ist (Ziff. 57). Dabei beruft sich der Verteidigungsminister auf das angeblich “weite Verständnis von Verteidigung, das sich in den letzten Jahren herausgebildet” habe (Ziff.4). Diesen Richtlinien zur Kriegsplanung stellen unsere Friedenspolitischen Richtlinien eine Perspektive nachhaltiger Politik entgegen. Sie sind in der Kooperation für den Frieden entstanden. Im Januar 2003 schlossen sich in Hannover über 30 Organisationen der Friedensbewegung zur “Kooperation für den Frieden” zusammen. Die im Protest gegen den Irakkrieg begonnene Zusammenarbeit wollen sie fortsetzen und ausweiten, hin zu einer Kooperation für friedensgestaltende Politik. Gemeinsam fordern sie einen Politikwechsel, der tiefer geht als nur der Verzicht auf die Beteiligung an Kriegen. Diese Thesen formulieren, nicht zuletzt an die Adresse der Bundesregierung, Anforderungen für eine Friedenspolitik, die diesen Namen verdient. Gleichzeitig sind sie Grundlage für die Diskussion über Perspektiven der Friedensbewegung und Arbeitsmaterial für die Kooperation: offen für Ergänzungen, Veränderungen und Anpassungen an neue Entwicklungen. 2. Die Ursachen von Krieg und Gewalt Monokausale Kriegs- und Konfliktursachen sind selten. Vor allem die kapitalistisch vorangetriebene Globalisierungspolitik befördert aktuell die Ursachen von Gewalt und Krieg. 2.1. Armut und Verelendung Strukturelle Ursachen gegenwärtiger Konflikte liegen in der immer tieferen ökonomischen und sozialen Kluft zwischen verschiedenen Regionen und sozialen Gruppen. Diese Ungleichheit lässt sich nur verringern, indem die Folgen der Kolonialisierung und die sich für einen Großteil der Menschheit ungünstig auswirkende internationale Arbeitsteilung überwunden werden. Es müssen faire Bedingungen für die Produktion und den Handel der Entwicklungsländer durchgesetzt werden. Das sich zuspitzende Einkommens- und Wohlstandsgefälle ist ein permanentes Potential für Instabilitäten und Konflikte, nicht nur im Verhältnis der Entwicklungsländer zu den Industrieländern, sondern auch innerhalb sich entwickelnder Regionen. Sie schaffen oder verstärken ökonomische und militärische Konflikte um vorhandene oder neu entdeckte Ressourcen. 2.2. Die Gewalt des Globalisierungsprozesses Nach dem Ende des geo-politischen Ost-West-Konflikts erleben wir die Ausweitung des geo-ökonomischen Konflikts um wirtschaftliche und technologische Vorherrschaft. Der Globalisierungsprozess bedeutet in seinem Kern eine umfassende Umverteilung ökonomischer Macht, die sich zunehmend in eine Umverteilung politischer Macht umsetzt. Diese politische Macht wird durch die Androhung und den Einsatz militärischer Gewalt von den USA und zunehmend auch von der EU abgesichert. Diese Politik wird selbst zu einer Ursache von Hass und Gewalt. 2.3. Destabilisierung Durch viele Faktoren werden gesellschaftliche und staatliche Gefüge destabilisiert: Demografische Veränderungen, knapper werdende Ressourcen, Umweltkatastrophen bedingt durch den einsetzenden Klimawandel. Gesundheitliche Folgeerscheinungen wie Tuberkulose, HIV/AIDS, Malaria, Cholera und Ebola kommen hinzu. Landflucht und die Entstehung riesiger Ballungszentren, die kaum noch menschlich gestaltbar sind, sind Ausdruck dieser Fehlentwicklungen. 2.4. Fundamentalismus All dies vermengt sich mit kulturellen, religiösen und ethnischen Konfliktursachen oder führt zu nachträglichen “Aufladungen” durch diese Faktoren. Fundamentalismen aller Seiten vertiefen die Differenzen; Minderheiten fühlen sich oder sind real unterdrückt. Oft werden sie noch von anderen Mächten und Interessen missbraucht. 2.5. Einhaltung der Menschenrechte Frieden ist auf Dauer nur zu gewinnen, wenn die wachsende Spaltung der Welt abgebaut und der Teufelskreis von Angst, Rache und Vergeltung überwunden wird. Alle Menschen haben ein unveräußerliches Grundrecht auf ein Leben ohne Ausbeutung und Verelendung, ohne Armut und Hunger, ohne Verfolgung und Vertreibung, ohne Gewalt, Terror und Krieg. 3. Sicherheitsbedürfnis - Sicherheitspolitik Das verbreitete und auch geschürte Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung wird durch eine militärisch fixierte Sicherheitspolitik missbraucht. Die Bundesrepublik Deutschland wird aktuell und auf absehbare Zeit militärisch nicht bedroht. Alle Länder, die von ihrer wirtschaftlichen und geostrategischen Lage aus Deutschland angreifen könnten, sind mit ihm verbündet. 3.1. Ein anderer Sicherheitsbegriff Während in der Vergangenheit die Sicherheit eines Landes in erster Linie als Sicherheit vor militärischen Angriffen auf sein Territorium definiert wurde, wird seit Ende des Ost-West-Gegensatzes zunehmend ein erweiterter Sicherheitsbegriff konstruiert. Er bezieht eine Vielfalt so genannter “Risiken” in die Bedrohungsanalyse ein, insbesondere solche, denen sich die deutsche Wirtschaft im globalen Konkurrenzkampf ausgesetzt sieht. Wir halten die militärische Sicherung von Rohstoffen, Märkten und Transportwegen nicht für einen Akt der Bedrohungsabwehr, sondern für Aggression gegenüber weniger stark gerüsteten Volkswirtschaften. Der “Human security”-Ansatz der UN bietet eine Basis für nicht-militärische Sicherheitsstrategien. Eine umfassende Analyse der vielfältigen heutigen Sicherheitsbedrohungen (ökologische Katastrophen, sozioökonomische Verwerfungen, Erosion von demokratischen und menschenrechtlichen Normen) führt unweigerlich zu einem alternativen Sicherheitsbegriff, der menschliche Sicherheit durch Entwicklung, Recht und demokratische Partizipation fördert. 3.2. Neue private Gewalt-Akteure An die Stelle klassischer militärischer Konfrontation zwischen Staaten treten mehr und mehr so genannte asymmetrische gewaltsame Konflikte innerhalb von Staaten und Gesellschaften. Beispiele hierfür sind die Bürgerkriege in Tschetschenien, Liberia, Kongo oder Sri Lanka. Private “Gewaltunternehmer” wie kriminelle Organisationen und Terrorismusnetzwerke, oft unterstützt von staatlichen und wirtschaftlichen Interessensgruppen, beeinflussen entscheidend Form und Ausgang von gewaltsamen Konflikten und Kriegen - und damit die sich entwickelnden politischen Ordnungssysteme. Diese Konflikte betreffen die Sicherheit Deutschlands höchstens mittelbar, indem sie regional destabilisierend wirken und einen Nährboden für kriminelle und terroristische Strukturen darstellen. Dem Sicherheitsbegriff einer weltweiten “Human security” verpflichtet, muss Deutschland jedoch aktiv an der Deeskalation und Beilegung dieser Konflikte mitwirken. Gerade für solche Konfliktlagen setzen wir auf die Weiterentwicklung und den Ausbau der Krisenprävention und Zivilen Konfliktbearbeitung. 3.3. Krieg gegen Terror: der falsche Weg Eine Bedrohung für die deutsche Gesellschaft, der nicht mit polizeilichen Mitteln begegnet werden könnte, geht vom “internationalen Terrorismus” derzeit nicht aus. Je mehr sich die deutsche Außenpolitik an militärischen Interventionen weltweit beteiligt, desto mehr wird jedoch auch die Gefahr von Anschlägen gegen die Bundesrepublik zunehmen. Die beste Prävention gegenüber Terrorismus ist die Beseitigung seiner Ursachen. Wer terroristischen Gruppierungen den Boden entziehen will, muss auf militärische Interventionen verzichten und stattdessen in die Bekämpfung der Armut investieren. Wer Terror bekämpfen will, muss sich für Völkerverständigung und für Brücken zwischen den Kulturen engagieren, der muss wirksame Beiträge für die Lösung regionaler Konflikte (Nahost) leisten, der muss neokoloniale Machtpolitik abbauen und diesen Tendenzen in der internationalen Politik entgegentreten, der muss sich für eine auf Gleichberechtigung und Partnerschaft basierende Politik zwischen den Regionen der Welt engagieren. 3.4. ABC-Waffen - eine Gefahr nicht nur in “falschen” Händen Die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen ist ein ernst zu nehmendes Risiko für den Frieden. Dabei geht die Gefahr nicht nur von diktatorischen Regimen oder Terrororganisationen aus. Der Besitz von Massenvernichtungswaffen eröffnet immer auch die Option ihres Einsatzes. Die Militärdoktrin der USA und die aktuelle NATO-Strategie sehen ihn ganz offen vor. Der Einsatz uranhaltiger Munition und die Entwicklung taktischer Atomwaffen senken die atomare Hemmschwelle. Die willentlich aufrecht erhaltene Teilung der Welt in Atomwaffen-Besitzer und Nicht-Besitzer sowie das unterminierende Verhalten vieler Staaten bei weiteren Verträgen zu Massenvernichtungswaffen fördert ihre Proliferation. Eine Weiterverbreitung von Atomwaffen kann nur erfolgreich verhindert werden, wenn - wie im Atomwaffensperrvertrag festgelegt - auch die Atomwaffenstaaten ihre Arsenale vollständig abrüsten. Für die Bundesrepublik bedeutet das, den Beschluss des internationalen Gerichtshofes zur Ächtung der Atomwaffen in konkrete Politik umzusetzen. 3.5. Der Krieg in den Datennetzen Die Abhängigkeit der Informationsgesellschaften vom globalen elektronischen Datenaustausch bringt neue Sicherheitsrisiken mit sich. Die Vernichtung und Manipulation von Daten im “Cyberwar” kann die Infrastruktur eines Landes lahm legen und seine Wirtschaft zerstören. Notwendig sind daher international verbindliche Normen, die solche Angriffe verbieten und ahnden. 4. Solidarität mit den Opfern der Kriege Die Kriege des 20. Jahrhunderts haben mehr als 60 Millionen Menschen unmittelbar das Leben gekostet. Bei den gegenwärtigen Konflikten sind 80 Prozent der Opfer ZivilistInnen. In den 90er Jahren kamen fast 3,6 Millionen Menschen in Kriegen ums Leben, darunter fast die Hälfte Kinder, ungefähr 1,5 Millionen. Vier Millionen Menschen sind behindert und weitere 10 Millionen traumatisiert. Die Zahl der Kriegsflüchtlinge und Binnenvertriebenen stieg im selben Jahrzehnt um 50% auf 12,1 Millionen (UNHCR). In großer Zahl werden Frauen bei kriegerischen Auseinandersetzungen Opfer sexueller Gewalt. Es gibt weltweit schätzungsweise 300.000 KindersoldatInnen. Jährlich fordern die in 90 Ländern der Welt liegenden Landminen und Munitionsreste bis zu 20.000 Opfer. Diese zerstörerischen Kriegsfolgen gehen über die unmittelbaren Verluste an Leben und Gesundheit hinaus. Die Kriegsschäden an der natürlichen Umwelt, an der notwendigen sozialen und ökonomischen Infrastruktur, aber auch an rechtlichen und ethischen Normen des Zusammenlebens schaffen die Basis für weitere gewaltsame Konflikte. Aus der Erfahrung mit Krieg und Gewalt und aus der Betroffenheit über deren Folgen ist die Friedensbewegung entstanden und gewachsen. Es ist nur zu verständlich, wenn angesichts dieser Tatsachen Menschen in vielen Ländern der Erde die Steuern für Militär und Rüstung verweigern und ein Friedenssteuergesetz fordern. Solidarität mit den Kriegsopfern bedeutet, ihren Anspruch auf Wiederherstellung ihrer Fähigkeiten und auf aktive Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse zu respektieren, und die dazu notwendigen Mittel einzufordern und bereitzustellen. Für Schutz, Betreuung und Hilfe zur Selbsthilfe der Opfer sind u.a. folgende Schritte erforderlich:
5. Friedenspolitik als Querschnittsaufgabe - was kann die Bundesregierung tun? Neben dem Abbau von Gewalt will eine Strategie des Friedens Bedingungen für die Gestaltung des positiven Friedens erhalten, herstellen und optimieren, und zwar auf allen Ebenen des Handelns und in allen Feldern des Lebens: politisch, ökonomisch, ökologisch, soziokulturell, individuell. Das unterscheidet eine Strategie des Friedens von einem Verständnis von Sicherheitspolitik, das den vorbeugenden Einsatz politischer, diplomatischer und ökonomischer Mittel nie ohne das militärische - als letztes oder als äußerstes - Mittel sieht. Friedenspolitik in einem umfassenden Sinn beschäftigt sich nicht nur mit der Abwehr konkreter Kriegsgefahr, sondern schafft mittel- und langfristig Bedingungen für einen Frieden, der auf Gerechtigkeit, Solidarität und einem nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Lebensgrundlagen beruht. Deswegen ist Friedenspolitik nicht nur Thema für das Außen- oder Verteidigungsressort, sondern gehört als Querschnittaufgabe in alle Politikbereiche. 5.1. Außenpolitik Außenpolitik ist ein Kernbereich der Friedenspolitik. Die Beziehungen zu anderen Staaten sind so zu gestalten, dass gewaltsame Konflikteskalation ausgeschlossen wird. Die dazu notwendigen Methoden und Institutionen müssen fortlaufend weiter entwickelt werden. Gleichzeitig tritt eine friedensorientierte Außenpolitik in allen internationalen Bündnissen für deren Entmilitarisierung und für die Einhaltung völkerrechtlicher Normen und Verträge ein. Grundlage ist die Erkenntnis, dass in unserer Welt die einseitige Durchsetzung eigener nationaler Interessen letztlich dem Überlebensinteresse der ganzen Menschheit zuwider läuft. 5.2. Verteidigungspolitik Verteidigungspolitik, die den Frieden sichern will, muss dafür sorgen, dass militärische Bedrohungspotenziale abgebaut werden - auch und zuerst im eigenen Land sowie in den Bündnissen, in denen Deutschland mitwirkt. Erst recht in einer Situation wie heute, in der Deutschland militärisch nicht bedroht ist, gibt es eine Chance zum Umbau der Verteidigungspolitik zu einer nicht-militärischen Sozialen Verteidigung, das bedeutet die Verteidigung von Werten und Normen mit gewaltfreien Mitteln. 5.3. Innen- und Justizpolitik In der Innenpolitik und im Justizwesen ist ein Paradigmenwechsel erforderlich. Eine Gesellschaft, die innere Konflikte gewaltförmig eskalieren lässt, kann nach außen nicht gewaltvermeidend wirken. Insbesondere im Umgang mit MigrantInnen und Flüchtlingen und auch im Erhalt der sozialen Netze zeigt sich die Friedensfähigkeit einer Gesellschaft. Hier wird in den vergangenen Jahren von der offiziellen Politik vorwiegend auf Abschreckung und Aufrüstung gegen die Armutsmigration gesetzt, wodurch Ausländerfeindlichkeit befördert wird. Vielerorts ist die Zivilgesellschaft da schon weiter: umfangreiche Projekte der Integration und Kooperation, Zivilcouragetrainings, StreitschlichterInnenprogramme und Mediation sind Ansätze, die es noch stärker als bisher zu fördern und zu gestalten gilt. 5.4. Wirtschafts- und Energiepolitik Eine Frieden fördernde Wirtschaftspolitik stellt nicht die Entwicklung der eigenen Volkswirtschaft in das Zentrum ihres Wirkens, sondern richtet sich auch nach den Interessen der Länder des Südens. Sie sorgt dafür, dass diese eine echte Entwicklungschance haben (Steuer- und Zollerleichterungen für fair gehandelte Produkte; Abbau von Zöllen, Einfuhrbeschränkungen, nationalen Subventionen). Eine solche politische Ausrichtung verbietet die Förderung von Rüstungsproduktion und -export und erfordert massive Anstrengungen zur Rüstungskonversion. Die deutsche Wirtschaft kann in relativ kurzer Zeit eine Umstellung auf zivile Produkte erreichen. Gerade auch die Energiepolitik bedarf im Interesse des Friedens tiefgreifender Umstrukturierungen, weg von den fossilen Ressourcen. Eine konsequente Ausrichtung auf erneuerbare Energien und dezentrale Energieversorgung würde nicht nur die eigene Sicherheit vor militärischen oder terroristischen Angriffen erhöhen, sondern zugleich dazu beitragen, Kriegen um die Kontrolle fossiler Energien oder ihrer Transportwege den Boden zu entziehen. 5.5. Forschungs- und Bildungspolitik Friedensforschung und Friedenserziehung sind ein wichtiger Teil friedlicher Zukunftsgestaltung. Sie zu fördern und weiter auszubauen ist daher zwingender Bestandteil umfassender Friedenspolitik. Friedenserziehung darf sich dabei nicht nur auf die gewaltfreie Lösung von Alltagskonflikten beziehen, sondern muss Kinder, Jugendliche und Erwachsene ermutigen und befähigen, sich mit politischen und sozialen Konflikten weltweit zu beschäftigen und eigene Beiträge zu ihrer Lösung zu entwickeln. Dazu wäre - über die StreitschlichterInnenkurse hinaus - ein eigenes Unterrichtsfach “Gewaltfreie Konfliktaustragung” oder “Zivile Konfliktbearbeitung” ab Sekundarstufe I einzuführen, um systematisch zur Vertiefung und Verbreitung einer “Kultur des Friedens” (UN) beizutragen. 5.6. Entwicklungspolitik Eine auf Friedensförderung ausgerichtete Entwicklungspolitik kann Wesentliches zur Vermeidung und zur Beendigung von Gewalt beitragen. Hierbei geht es nicht nur, aber auch um Quantität: Die Bundesregierung steht seit dreißig Jahren in der Pflicht, die UN-Forderung von 0,7% des Bruttosozialproduktes für Entwicklungszusammenarbeit umzusetzen. Friedensfördernd ist eine Entwicklungspolitik, wenn sie die Lebensgrundlagen und Partizipationsmöglichkeiten der Armen verbessert, den Bildungsstand erhöht und die besonderen Belange von Frauen berücksichtigt. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ist derzeit mitverantwortlich für den Zivilen Friedensdienst, der als Friedensfachdienst Projekte der Gewaltprävention und der Konflikttransformation umsetzt. Diese Projekte sind massiv auszubauen, in neue politische Strukturen zu überführen und regelmäßig auf ihre Wirkung hin zu evaluieren. 6. Bundeswehr: Abrüstung und Entmilitarisierung 6.1. Militärische Verteidigung ist überflüssig. Die aktuelle Sicherheitslage (s. Kap.3) bietet die Möglichkeit zu umfassender Abrüstung und Entmilitarisierung. Daraus ergeben sich materielle, personelle, strukturelle und finanzielle Konsequenzen: Die Bundeswehr kann schrittweise abgebaut werden. Ziel ist eine Bundesrepublik ohne Armee. Wichtige Schritte auf diesem Weg sind: die drastische Reduzierung der Truppenstärke, die Abschaffung der Wehrpflicht und Standortkonversion, die sukzessive Senkung des Militär- und Rüstungshaushaltes. Die Auflösung der UdSSR und des Warschauer Paktes, die Wiedervereinigung Deutschlands und die Osterweiterung der EU haben auch die Bündnisverteidigung im ursprünglichen Sinn überflüssig gemacht. Jetzt erst recht: Die NATO ist aufzulösen. Terrorismusbekämpfung ist primär eine polizeiliche und nachrichtendienstliche Aufgabe in internationaler Zusammenarbeit. Militär kann dieser Bedrohung nicht wirksam begegnen und ist kontraproduktiv. Hier gibt es keine Aufgabe für die Bundeswehr. 6.2. Vorübergehende Aufgabe: Peacekeeping Über jeden Einsatz der Bundeswehr hat der Bundestag mit Zweidrittelmehrheit zu entscheiden. 6.3. Kriegsfolgen-Beseitigung durch zivile Kräfte Für spezialisierte Aufgaben wie Minenräumung, medizinische Betreuung und Wiederaufbau in Krisen- und Kriegsgebieten sind Technische Hilfswerke und neue zivile Formationen nötig. Diese brauchen neben der handwerklichen Qualifizierung vor allem eine auf Friedensstiftung (Kommunikation, Mediation, …) ausgerichtete Ausbildung. Der Schutz ziviler AufbauhelferInnen hat durch polizeiliche Kräfte zu erfolgen. Auch ehemalige Soldaten der Bundeswehr können als umgeschulte Fachkräfte zur Verschrottung von Waffen - auch von Massenvernichtungswaffen - ausgebildet und eingesetzt werden. 6.4. Schritte zur Abrüstung Abrüstung verlangt klare Strukturen, braucht Arbeitskraft und kostet Geld. Aufgaben wie die Verschrottung und Vernichtung von Waffen - gerade von Atomwaffen, Chemiewaffen - und die Minenräumung sind kostenintensiv und aus dem bisherigen Verteidigungshaushalt zu finanzieren. Dafür wird jährlich der Verteidigungshaushalt um fünf Prozent gekürzt. Mit diesen steigenden Mitteln werden Abrüstung und Konversion, aber auch Projekte ziviler Konfliktbearbeitung und später auch Entwicklungs- und Sozialaufgaben finanziert. Ein Vorschlag für die Organisation der Abrüstung, der Umwandlung militärischer Liegenschaften und der Umstellung der Rüstungsindustrie auf zivile Fertigung ist die Einrichtung eines neuen Bundesministeriums/Bundesamtes für Abrüstung und Konversion. 6.5. Beendigung von Rüstungsexporten - Konversion Die umfassende Abrüstung in der Bundesrepublik ermöglicht auch eine umfassende Konversion. Ziel ist es, Rüstungsforschung, 7. Europa: Friedens- statt Militärmacht im UN-Rahmen Europa trägt besondere Verantwortung für den Frieden - nach innen und in der Welt. Deutschland hat hier eine wichtige Gestaltungsaufgabe. Unser Kontinent blickt auf eine leidvolle Geschichte kriegerischer Auseinandersetzungen zurück. Zwei Weltkriege mit Millionen von Opfern erschütterten die Alte Welt im jüngst vergangenen Jahrhundert. Die europäischen Kolonialmächte haben die von ihnen beherrschten Völker und Regionen mit einer blutigen Spur von kriegerischer Unterwerfung, Unterdrückung und Ausbeutung überzogen. Auch heute, im Zeitalter der Globalisierung, übt Europa strukturelle Gewalt aus, unter der die Menschen im Süden unseres Globus leiden. Zudem tragen Rüstungsexporte, Militärhilfe und Söldnerfirmen aus Europa zur Verschärfung gewaltsamer Konflikte in der “Dritten Welt” bei. Darüber hinaus intervenieren europäische Mächte einzeln oder im Verbund immer wieder direkt militärisch in den Ländern des Südens - mit zunehmender Tendenz. 7.1. Frieden nach innen - Gewalt nach außen Innerhalb Europas konnten nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs große Fortschritte zu einer Friedensordnung gemacht werden. Die zunächst westeuropäische Integration (EWG - EG - EU) hat dazu beigetragen, dass gewaltsamer zwischenstaatlicher Konfliktaustrag - auch zwischen ehemaligen “Erzfeinden” wie Frankreich und Deutschland - innerhalb des Integrationsraums undenkbar geworden ist. Auch wenn kriegerische Gewalt im EU-Gebiet nicht völlig verschwunden ist (Nordirland, das Baskenland, Korsika), so kann die EU doch im Vergleich zu anderen Weltregionen als Friedenszone gelten. Mit der Überwindung der Ost-West-Blockkonfrontation konnte auch die Gefahr eines (nuklearen) Dritten Weltkriegs, der vor allem auf europäischem Boden ausgetragen worden wäre, gebannt werden. Der KSZE-Prozess und die OSZE haben zur Ausweitung der europäischen Friedenszone beigetragen; die EU-Erweiterung kann diese Entwicklung weiter befördern und stabilisieren. Die Kehrseite dieser Friedens-Medaille jedoch ist die Ausgrenzung des armen “Restes” der Welt, die Abschottung der Reichtums-Festung EU-Europa und eine militärgestützte Interventionspolitik nach außen. Opfer dieser Politik sind die Staaten und Völker an der europäischen Peripherie (Balkan, Kaukasus) und im Süden, die ihrem - von der EU mitverursachten - Schicksal von Armut, Unterentwicklung und Gewaltkonflikten überlassen werden. 7.2. Militarisierung Europas im Wettlauf mit den USA Insbesondere in der jüngsten Vergangenheit sind die Weichen der EU-Politik in eine friedenspolitisch völlig falsche Richtung gestellt worden: die EU wird militarisiert. Eine Militärgroßmacht EU-Europa nimmt in atemberaubendem Tempo und mit großen Schritten Gestalt an. Hatte bereits der Vertrag von Maastricht eine gemeinsame EU-Sicherheitspolitik und eine Europäische “Verteidigungs”union als Ziele festgelegt, so sind unter dem Schlagwort “Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik” (ESVP) seit den EU-Gipfeln von Köln und Helsinki 1999 eine ganze Reihe von entsprechenden konkreten Maßnahmen beschlossen und zum Teil bereits umgesetzt worden: Einrichtung eines ständigen sicherheitspolitischen Komitees und eines Militärstabes und -ausschusses in Brüssel sowie eines Ad-Hoc-Ausschusses der beitragenden Länder im Falle von EU-Militäroperationen u.a. Die Aufstellung einer EU-Eingreiftruppe von rund 60.000 Mann und Frau ist der sichtbarste und bedenklichste Ausdruck dieses Militarisierungsprozesses. Der Entwurf der EU-Verfassung und auch das Solana-Papier (Herbst 2003) verdeutlichen die Strategie einer militärischen EU-Außenpolitik, die - sogar unter Umgehung des Europa-Parlaments - Militäreinsätze europäischer Soldaten auf der ganzen Welt ermöglichen soll. Sowohl der Verfassungsentwurf als auch die aktuellen Strategiediskussionen sehen dafür eine Aufrüstung Europas vor. Die im Verfassungsentwurf vorgeschlagene “European Armaments, Research und Capabilities Agency” weist in die falsche Richtung: Statt Strukturen der Kriegsvorbereitung sollten Strukturen ziviler Konfliktbearbeitung ausgebaut werden. Außerdem ist zu beachten, dass das Verfassungsrecht der EU nicht die im Grundgesetz festgeschriebenen Grenzen des Rückgriffes auf militärische Maßnahmen aushöhlen darf. Die EU ist nicht mehr nur Zivilmacht. Dieser Euromilitarismus wird nicht zuletzt anti-amerikanisch begründet. Um unabhängig(er) von den USA handlungsfähig zu sein und mehr Einfluss auf die Entscheidungen der US-Regierung zu bekommen - so die herrschenden Eliten in EU-Europa -, müsse man militärisch stärker werden. In der Konsequenz läuft dieser Ansatz auf eine zusätzliche Militarisierung hinaus. Da auf die (US-geführte) NATO nicht verzichtet werden soll, kommt zu dieser eine EU-Militärmacht noch hinzu. Nichts allerdings spricht angesichts der Geschichte und des aktuellen Verhaltens der europäischen Staaten dafür, dass eine EU-Militärmacht von ihren Mitteln “zurückhaltender”, “verantwortungsbewusster”, “völkerrechtskonformer” Gebrauch machen wird als die USA. Die zunehmende Militarisierung der Weltordnung, die maßgeblich von den USA vorangetrieben wird, wird durch eine Militarisierung der EU nicht gestoppt werden können - im Gegenteil. 7.3. Von der Militärmacht zur Friedensmacht Wenn die EU tatsächlich zum Frieden in der Welt beitragen und “Friedensmacht” werden will, dann müssen die angesprochenen Militarisierungs-Schritte wieder rückgängig gemacht werden. Insbesondere muss auf die Fähigkeiten zur militärischen Intervention verzichtet werden. Statt mehr militärisches Gewicht in die Waagschale der weltpolitischen Machtkonkurrenzen zu legen, sollte die EU in Abgrenzung zur militarisierten Politik der Hegemonialmacht USA (und anderen) bewusst auf die militärische Komponente in ihrer Politik verzichten und ein eigenständiges Profil als friedensfördernde Akteurin entwickeln. Bescheidene Ansätze hierfür gibt es bereits: Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP) sieht auch Maßnahmen der Nicht-militärischen Krisenbewältigung und Konfliktprävention vor. So wurden ein Ausschuss und Koordinierungsmechanismen für nicht-militärische Aspekte der Krisenbewältigung gebildet; für europäische Friedenskonsolidierungs- und Präventions-Missionen wird ein Kontingent von bis zu 5000 PolizeibeamtInnen bereit gestellt; ein Programm für Konfliktprävention wurde verabschiedet, entsprechende Strukturen ansatzweise aufgebaut. Doch stehen diese Maßnahmen in Hinsicht auf politische Bedeutung und finanzielle Ausstattung ganz im Schatten der militärischen Dimension, sind dieser ein- und untergeordnet. Dieses Verhältnis muss umgekehrt werden. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) muss zu einer Gemeinsamen Außen- und Friedenspolitik (GAFP) umgewandelt werden, was nur bei vollständigem Verzicht auf die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspölitik (ESVP) und auf das Ziel einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion (ESVU) möglich ist. 7.4. Keine europäische Atommacht 7.5. Die Mauern der Festung Europa einreißen Friedenspolitik geht weit über den engeren Bereich von Sicherheit und Konfliktbearbeitung hinaus. Will die EU Friedensmacht sein, dann muss sie sich für Flüchtlinge und Asylsuchende öffnen, ihre entwicklungspolitischen Anstrengungen massiv verstärken und eine im Nord-Süd-Verhältnis Gerechtigkeit schaffende globale Strukturpolitik betreiben. Das bedeutet z.B. Öffnung der eigenen Märkte, Abbau der Agrarsubventionen, Schuldenerlass für die ärmsten Länder des Südens. 7.6. Das Völkerrecht stärken, die UN reformieren, die OSZE aufwerten Die Staaten der EU sollen für eine Stärkung des Völkerrechts und die Reform der UN eintreten. Dies kann geschehen durch eine aktive Unterstützung der Initiativen von Seiten der NGOs zum Abschluss weiterer Abrüstungsverträge, durch Rücknahme nationalstaatlicher Vorbehalte gegenüber völkerrechtlichen Verträgen (z.B. des deutschen Vorbehalts gegenüber der UN-Kinderkonvention), durch Stärkung der zivilen Kompetenz der OSZE, durch ein Abstimmungsverhalten in der UN-Generalversammlung, welches allein dem Ziel der Abrüstung und der Fortentwicklung des internationalen Rechts verpflichtet ist. Bezüglich der UN sind Bestrebungen zur Reform der UN-Charta nachdrücklich zu unterstützen (z.B. Verzicht auf die Sonderstellung der fünf Großmächte im Sicherheitsrat). Das Gewaltverbot der UN-Charta muss angesichts der völkerrechtswidrigen Kriege gegen Jugoslawien 1999 und gegen den Irak 2003 von allen Staaten erneuert und bekräftigt werden. Der internationale Strafgerichtshof ist als verbindlicher Ort für eine persönliche Verantwortung der Regierenden weiter zu entwickeln sowie als Instanz zur Aufarbeitung von Regierungsverbrechen und vergleichbaren Verbrechen gegen die Menschheit anzuerkennen. 8. Zivile Konfliktbearbeitung als Alternative zum Militär ausbauen Weil das Zusammenleben von Menschen und Völkern immer von Konflikten geprägt ist, werden Strukturen und Methoden der zivilen Konfliktbearbeitung gebraucht. 8.1. “Zivile Konfliktbearbeitung” (ZKB) ist der bewusste Einsatz nicht-militärischer Mittel zur Vermeidung, Beilegung und Nachsorge gewaltsamer Auseinandersetzungen. ZKB ist ein weites Aufgabenfeld und zugleich ein Gesamtsystem von Institutionen und Mitteln. Der Grundgedanke ist die Suche nach Lösungen, die für alle Beteiligten eines Konfliktes akzeptabel sind. Die ZKB ist von der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden und zu fördern, auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene. Auf keinen Fall sind ZKB-Maßnahmen in militärische Maßnahmen einzuordnen oder diesen unterzuordnen. 8.2. Instrumente der Zivilen Konfliktbearbeitung Für internationale Konflikte werden u.a. folgende Instrumente der ZKB genutzt: - Friedenssicherung und Gewaltprävention (peacekeeping): Frühwarnsysteme, die rechtzeitig vor einem gewaltsamen Ausbruch warnen und Möglichkeiten aufzeigen, wie gewaltverhütend eingegriffen werden kann, werden aufgebaut, bzw. bestehende wie das Konfliktverhütungszentrum der OSZE in Wien werden unterstützt. Im Zentrum dieser Arbeit steht die genaue Beobachtung der Konfliktgegenstände, der Anliegen der Konfliktparteien, der Gefahren der Eskalation sowie der Sichtweisen aller Beteiligten. Ebenso wichtig ist das Monitoring, d.h. die Beobachtung und Überwachung umstrittener Ereignisse, z.B. von Wahlen, um damit internationale Präsenz zu zeigen, zu dokumentieren und Öffentlichkeit herzustellen. Eine weitere Möglichkeit ist der Schutz gefährdeter Personen durch Begleitung internationaler Beobachter. - Friedensschaffung, Problemlösungsansatz (peacemaking): Mit Hilfe von stiller Diplomatie können indirekte Kontakte zwischen Konfliktparteien etabliert oder Verhandlungsvoraussetzungen geschaffen werden (z.B. einen Verhandlungsort zur Verfügung stellen). Mediation kann angeboten werden, um in den Verhandlungsvorgang vermittelnd einzugreifen. Gewalterfahrungen führen oft zu kollektiven Traumata. Deswegen sind Methoden wichtig, mit denen der Beziehungsaspekt der beteiligten Gruppen auf unterer gesellschaftlicher Ebene wieder verbessert werden kann. Genauso wichtig ist die Stärkung der Konfliktbearbeitungskompetenz der Konfliktparteien, welche durch Friedenserziehung, Beratung, Schulung usw. zu erreichen ist. Auch durch Schiedsgerichtsbarkeit, durch positive und negative Sanktionen kann zwar mittels Druck, aber auf nicht-militärischem Wege, Einfluss in Richtung Problemlösung genommen werden. Friedenskonsolidierung (peacebuilding): Durch Aufbau-, Entwicklungs-, Flüchtlings- und humanitäre Hilfe wird zur Stabilisierung des Friedens beigetragen. Kredite, Fachkräfte und Wiedereingliederungsbeihilfen sind dabei weitere Möglichkeiten. 8.3. Notwendiger Ausbau des Zivilen Friedensdienstes Der Zivile Friedensdienst, ein von Nichtregierungsorganisationen mit professionellen Fachkräften angebotenes Konfliktmanagement, das in nationalen und internationalen Konflikten mit den Methoden der gewaltfreien Konfliktaustragung tätig wird, ist weiter auszubauen. 8.4. Vernetzung der Zivilen Konfliktbearbeitung In der nächsten Zukunft ist vor allem die Vernetzung der Träger ziviler Konfliktbearbeitung (national, international und auf unterer, mittlerer und oberer gesellschaftlicher Ebene) und die Öffentlichkeitsarbeit zur ZKB eine wichtige Aufgabe der Politik, um diese Methoden in der Gesellschaft bekannt zu machen und zu verankern. Auch die friedenspolitische Bildung ist deshalb ein wichtiges Anliegen, ebenso die Forschung über und für die ZKB im Rahmen der Friedens- und Konfliktforschung. Institutionen, die dazu beitragen, sind zu fördern bzw. auszubauen z.B. “Die Deutsche Stiftung für Friedensforschung (DSF)” und die “Plattform Zivile Konfliktbearbeitung”. Für diese Arbeit müssen die entsprechenden Ressourcen bereitgestellt werden. Es geht nicht an, dass das Militär als “letztes Mittel” tausendfach besser ausgestattet ist, als die Mittel der ersten Wahl, die Mittel ziviler Konfliktbearbeitung. 9. Eine Kultur des Friedens aufbauen Die Erfolgsaussicht einer Friedensstrategie liegt im frühen Einwirken auf Anlässe und Motive von Konflikten. Das bedarf der beständigen kritischen Überprüfung der gesellschaftlichen Funktionen von Konflikten im wechselnden sozialen Zusammenhang. Dem Aufbau einer Kultur des Friedens kommt inner- und zwischengesellschaftlich größte Bedeutung zu. Dabei sind eine Ethik des persönlichen Gewaltverzichts und das Training von Dialog und Kommunikation zu fördern. Die Erfahrungen und Strategien von Kriegsdienstverweigerung und Friedensdiensten sind unverzichtbar und müssen produktiv weiterentwickelt werden. Die Mitglieder der Kooperation für den Frieden setzen auf die Kraft der Gewaltfreiheit. Gegen die herrschende Militärpolitik sind Widerspruch und Protest notwendig. Darüber hinaus gibt es Formen des direkten gewaltfreien Widerstandes und zivilen Ungehorsams gegen Militär, Kriegsvorbereitungen und Krieg. Wir verstehen solchen Widerstand in der Tradition des gewaltfreien zivilen Ungehorsams, den z.B. Mahatma Gandhi, Martin Luther King, Nelson Mandela und Aung San Soo Kyi ausgeübt haben. Die gewaltfreien Widerstandsaktionen in Mutlangen gegen die atomare Aufrüstung mit Pershing-II-Raketen bis hin zu den Airbase-Blockaden gegen den Irak-Krieg sind beispielhaft. Frieden wird uns nicht von oben geschenkt, wir müssen ihn von unten auch durch gewaltfreien zivilen Ungehorsam erstreiten! Ermutigung zum Ungehorsam ist das friedenspädagogische Gebot der Stunde! Anhang Eine Strategiekonferenz der Kooperation für den Frieden, die im September in Dortmund stattfand, schlug den Friedensorganisationen vor, sich an folgenden Kampagnen zu beteiligen: Resist now - 200 Gruppen in die FREIe HEIDe Zentrales Element der modernen Kriegsführung sind Bombenangriffe aus großer Höhe wie in Jugoslawien, Afghanistan und Irak. In der Bundesrepublik könnten sie nur auf dem Bombodrom bei Wittstock, einem der größten Luft-Boden-Schießplätze Europas, trainiert werden. Die Umsetzung der neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien, des unbegrenzten Einsatzes der Bundeswehr in der ganzen Welt, wird hier möglich gemacht. Damit erhält der Widerstand gegen ein solches militärisches Konzept einen lokalen Kristallisationspunkt. Vergleichbar mit Mutlangen und dem Hunsrück wird hier wieder konkret erfahrbarer Widerstand gegen ein Aufrüstungskonzept möglich. Der Slogan: “200 Gruppen in die FREIe HEIDe, 200 Oben-Ohne-Tage.” Der Ansatz: 200 Gruppen aus Friedensorganisationen, Kirchenkreisen, Betrieben, Gewerkschaften usw. fahren in die FREIe HEIDe, um diese für einen Tag “touristisch” zu nutzen, sodass ein militärischer Übungsbetrieb an diesem Tag nicht möglich ist. Auftakt der Aktionen ist Ostern 2004 oder der sogenannte B-Tag (der Tag, an dem die ersten Bomben fallen), wenn dieser früher stattfinden sollte. Kontakt: Andreas Will, FREIe HEIDe Berlin/Neuruppin Mail: andreaswill@email.de 20.3.2004 - Gegen Massenvernichtungswaffen - Kriege verhindern Während des Europäischen Sozialforums in Paris im November 2003 wurde auf Antrag US-amerikanischer Friedensgruppen der Vorschlag eines weltweiten Aktionstages beschlossen, der im Januar 2004 auch vom Weltsozialforum in Indien angenommen werden soll. Am 20.3.2004 werden gleichzeitig europa- und weltweit Protestmärsche zu Atomwaffenlagern, Atomwaffenfabriken und zu anderen Orten von großer militärischer Bedeutung organisiert, in Deutschland nach Ramstein. Die Idee dazu lieferte die IPPNW, allen voran Prof. Horst-Eberhard Richter. Auch das Bombodrom (s.o.) könnte das Ziel von Aktionen werden. Die Aktivitäten sollen klarstellen, dass die falsch im Irak verortete Weltbedrohung durch Massenvernichtungswaffen in Wahrheit von der Macht ausgeht, die mit ihrer offiziellen “Nationalen Sicherheitsstrategie” verkündet, jede ihre nukleare Überlegenheit antastende Nation präventiv angreifen zu wollen. Angesichts der erstrebten eigenen Unverwundbarkeit durch den zu bauenden Raketenabwehrschild bedeutet das den Anspruch auf eine neue unilaterale, auf nukleare Erpressung gegründete Weltherrschaft anstelle der auf Gleichheit und Ebenbürtigkeit der Länder gegründeten Ordnung der Vereinten Nationen. Die Themen: nukleare Erpressung, Androhung neuer Angriffskriege gegen “Schurkenstaaten”, Anheizung eines neuen Wettrüstens, Verweigerung atomarer Abrüstung sollen im Brennpunkt der koordinierten internationalen Aktionen stehen. Kontakt: Prof. Horst-Eberhard Richter, IPPNW; Mail: H.E.Richter@t-online.de “Stoppt den Mauerbau in Palästina/Israel” Der israelisch-palästinensische Konflikt hat zentrale Bedeutung im gegenwärtigen globalen Krieg, weit über die Region hinausgehend. Er repräsentiert Elemente des Nord-Süd-Konflikts, und wurde zum Symbol von Feindbildern: Islam gegen christlich-jüdischen Okzident. Handlungsangebote: Erarbeitung eines gemeinsamen Aufrufs, rasche Verbreitung, Gewinnen von unterstützenden Organisationen und Einzelpersonen, nach Möglichkeit Veröffentlichung auch durch Zeitungsannonce, Sammeln und Erstellen von Info-Material zur Nutzung für dezentrale Veranstaltungen. Dabei soll auch der Kontext mit anderen Mauern erörtert werden und die Begriffe gegenseitige Sicherheit versus Trennung thematisiert werden. Geplant sind öffentliche Aktionen, z.B. “Konzert an der Mauer”. Kontakt: Matthias Jochheim, IPPNW, Mail: Matthias.Jochheim@t-online.de Für ein ziviles Europa: “Europa-Wahl 2004 - Wir mischen uns ein.” Europa beginnt sich von den USA zu emanzipieren. Die einen wollen dies durch ein militärisch starkes Europa erreichen (Stichwort: Militarisierung Europas). Die andere Perspektive ist die eines Europas, das friedenspolitische Impulse setzt und den Weg in eine zukunftsfähige Entwicklung zeigt. Deshalb ist es wichtig, dass die Friedensbewegung sich zum ersten Mal intensiv in den Wahlkampf einmischt. Die Wahlkampfzeit ist eine politisch sensible Zeit, die genutzt werden sollte, in erster Linie um friedenspolitische Inhalte in die öffentliche Diskussion einzubringen. Eine Möglichkeit: eine öffentliche KandidatInnenbefragung durchführen. Dafür soll ein KandidatInnenfragebogen entwickelt werden, der allen friedenspolitisch interessierten und engagierten Organisationen vor Ort zur Verfügung gestellt wird. Damit besteht die Möglichkeit, mit dem/der Europakandidaten/in im Wahlkreis in einen Dialog über europäische Friedens- und Sicherheitspolitik einzusteigen. Ablauf der Kampagne vor Ort - nachdem Material (u.a. ein Fragebogen) entwickelt wurde: 1. Anschreiben der EU-KandidatInnen aller Parteien im Wahlkreis und Vorstellung des Befragungsvorhabens mit der Bitte, den Fragebogen auszufüllen. 2. Möglich ist es, eine Wahlveranstaltung mit allen KandidatInnen des Wahlkreises durchzuführen und den ausgefüllten Fragebogen als Grundlage für die Diskussion zu nutzen (rechtzeitig terminieren!). 3. Möglich ist aber auch der Besuch von Wahlveranstaltungen: Mit Hilfe der Fragen und/oder schon mit den Ergebnissen der Befragung kann man aktiv mitdiskutieren, kommentieren, eigene Gegenvorschläge entwickeln… 4. Die Ergebnisse der Befragung können veröffentlicht und kommentiert werden. Zum Frieden umsteuern Krieg ist ein Verbrechen. Trotzdem werden wir gezwungen, durch unsere Steuern Militär, Rüstung, Krieg und alle Folgen zu finanzieren. Wir fordern ein Friedenssteuergesetz! Ziel der Kampagne ist es, durch breite Öffentlichkeitsarbeit, an der sich möglichst viele Gruppen und Organisationen der Friedensbewegung beteiligen - mit schon vorbereiteten und weiteren Materialien - zu erreichen, dass im Bundestag eine interfraktionelle Arbeitsgruppe mit der Erarbeitung eines solchen Gesetzes beauftragt wird (Vorschläge und interessierte MdBs gibt es schon). Wir peilen an, dass das am 15.2.05 soweit ist und dass aus diesem Anlass ein großes Friedensfest vor und im Bundestag stattfindet. Im Kampagnenrat arbeitet aus jeder Organisation eine Person mit. Das erste Treffen findet am 6.2.04 in München statt (am Vorabend der großen Gegendemo zur Münchener Sicherheitskonferenz). Kontakt: Michael Held, Netzwerk Friedenssteuer, email: A-P-S@gmx.de Kontakt: Kooperation für den Frieden, c/o Netzwerk Friedenskooperative, Römerstr. 88, 53111 Bonn, E-Mail: koop.frieden@gmx.de Die “Friedenspolitischen Richtlinien” sind auch als schön gestaltete Broschüre zu erhalten. Sie können
hier
von der Website von Pax Christi heruntergeladen oder bestellt werden bei: Bund für Soziale Verteidigung, Schwarzer Weg 8, 32423 Minden, Tel. 0571-29456 E-Mail: Soziale_Verteidigung@t-online.de. Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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