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Alternativen zur Repressanda 2010

Von Peter Grottian/Wolf-Dieter Narr/Roland Roth *

Die “Agenda 2010” ist Ausdruck interessierter Unverantwortlichkeit. Das, was die Bundesregierung und die etablierten Parteien rund um die herzöglichen Hartzereien bieten, kennzeichnet zugleich die Unfähigkeit und Gleichgültigkeit dessen, was als “Politische Klasse” bezeichnet wird. Unfähig sind diese professionellen “Volksvertreter”, den global erweiterten, neoliberal-kapitalistischen Interessen eine grundrechtlich demokratisch ausweisbare Politik entgegenzusetzen. Gleichgültig sind sie, weil sie die massenhaften Verelendungen, die jede Bürgerin und jeder Bürger persönlich schicksalshaft erfährt, hinter gesetzlich aufgewirbelten “Reform”- Staub geschehen lassen, ja geschehen machen. Statt dem längst betrogenen “mündigen Bürger” die Wahrheit zu sagen, selbst wenn sie unbequem sein sollte, wird so getan, als müssten nur die reichen Wirtschaftsbosse zusätzlich reich machend gestreichelt und die Bürger, je weiter es nach unten geht, getreten werden. Und prompt ereignen sich morgen, in jedem Fall übermorgen - die ewig betörende Fata Morgana neoliberaler Habens- und Herrschaftsmacht: Arbeit und Wohlstand für alle. Nein. Dieser unhandliche, von niemandem ganz durchschaubare Gesetzeswust, genannt “Reformen” funktioniert nicht einmal unter seinen eigenen Voraussetzungen. Er wirkt allein als Mittel der Disziplinierung nach unten bei denen, die ohnehin nichts haben und bei denen, der Mehrheit, die Angst haben, in eine solche Situation zu geraten. Mit Ökonomie hat er nichts, mit Habensherrschaft hat er viel zu tun. Darum ist es höchste Zeit, dass wir und andere dagegen opponieren. All das, was rund um die “Agenda 2010” geschieht, die unterdrückend, allein den Namen “Repressanda” verdient hat, funktioniert sozialpolitisch demokratisch nicht. Auch ein Rückgriff auf die ‘herkömmliche’ Sozialpolitik und das, was als “Sozialstaat” bezeichnet worden ist, hilft nicht weiter. Diskriminierung inmitten und in der Art der sozialen Sicherungen und bürokratisches Verfahren kennzeichneten denselben. Nur ein neuer Ansatz eröffnet die Chance, eine Sozialpolitik zu organisieren, die den demokratisch menschenrechtlichen Normen gemäß eine Antwort auf die großen Fragen der Zeit darstellt: das Ende der eindeutig und immer schon dominanten Erwerbsarbeit; die Zunahme der ausgrenzenden Konkurrenz, die alte Un-Gleichheiten bestätigt und neue schafft; der wachsenden Chance der Unternehmen, ihrer Verantwortung klassenspezifisch globalisierend auszubüchsen; der erneut selbst im Rahmen der vergleichsweise wohlständischen Länder anwachsenden Verelendung, der Vorurteile und in deren Folge nationaler und internationaler Aggressionen. Das, was wir vorschlagen, sind nur erste bescheidene Schritte. Sie müssen jedoch endlich gegangen werden. Grundsicherung, die ihren Namen verdient, Schaffung anderer Arbeit und anderer, von den Arbeitenden bestimmte Arbeitsplätze, überfällige Arbeitszeitverkürzungen, die endlich auch Geschlechterdemokratie zur großen Chance machen und nicht zuletzt ein demokratisches, das heißt zu allererst lokal organisiertes Steuersystem - so lauten die ersten Schritte, die wir zur Diskussion stellen.

Vier Hebelpunkte zum politischen Handeln

1. Menschenrechtsgemäße Grundsicherung statt Sozialhilfe

A l l e Bürgerinnen und Bürger sollen als gleiche und freie Personen ohne existentielle Ängste leben können. Das macht eine notwendige Qualität der gesellschaftlichen Infrastruktur aus. Dieses Versprechen kann in einer arbeitsteiligen, mit teilweise unvermeidlichen Ungleichheiten versehenen, sich fortdauernd verändernden Gesellschaft nur einigermaßen eingehalten werden, wenn der soziale Grund a l l e n Mitgliedern der Gesellschaft erwartbar politisch demokratisch gewährleistet wird. Das heißt rechtssicher und ohne Angst vor den wechselnden Klimazonen des eigenen Schicksals. Eine solche Sicherung des sozialen Grundes, auf dem jeder und jeder menschenrechtsgemäß gehen kann, muss sich wenigstens durch folgende Kriterien auszeichnen:

- Der Sockelbetrag, den jede Person erhält, muss so hoch sein, dass er ein bürgerliches Leben ohne Not gestattet.
- Der erheblich über dem gegenwärtigen Sozialhilfesatz liegende Sockelbetrag verletzt die persönliche Integrität derjenigen nicht, die ihn beziehen. Das ist ein entscheidender Unterschied zur Sozialhilfe. Der individuelle Rechtsanspruch für alle muss verbürgt sein. Er wird an die lokalen Lebensbedingungen angepasst. Er ist unabhängig von der öffentlichen Kassenlage.
- In kleinen sozialen Einheiten, an jedem Ort, in jedem Stadtteil wird der Fond der Grundsicherung öffentlich zugänglich verwaltet. Der Verwaltungsaufwand ist infolge der kleinen, allenfalls in die Hunderte gehenden Zahl und des nicht diskriminierenden Charakters der Mittelvergabe gering. An den Entscheidungen, der Vergabe- und den Überprüfungen, die öffentlich gemachten Einwänden gelten, sind vor allem diejenigen angemessen zu beteiligen, die primär von der Grundsicherung leben.
- Es ist strikt darauf zu achten, dass die basisdemokratische Prägung bleibt. Die nötigen Willensbildungs- und Entscheidungsverläufe richten sich von unten nach oben. Die Anträge zur Grundsicherung sind auf wenige, leicht überprüfbare Fragen zu beschränken. Sie greifen nicht tief in die Integrität der Personen ein. Die wichtigsten Entscheidungen fallen lokal. Die übergeordneten regionalen und überregionalen Instanzen informieren, und koordinieren ohne Sanktionen. Probleme werden öffentlich gemacht. Sie werden zwischen den Instanzen und ihren lokal unmittelbar von den Beziehern der Grundsicherung gewählten Vertretern ausgehandelt.

Die Leistungen der Grundsicherung. Erst die Grundsicherung schafft die Voraussetzung der Freiheit von Angst. Erst eine solche Freiheit von Angst macht demokratisches Verhalten möglich. Erst sie erlaubt der übergroßen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger, ihre Menschenrechte zu leben. Erst der grundgesicherte soziale Boden macht es möglich, Arbeiten aller Art zu leisten: Tätigkeiten, die Menschen zu ihrer politisch kulturellen Reproduktion brauchen. Außerdem Tätigkeiten, die erforderlich sind, damit eine Gesellschaft nicht in vereinzelnder Konkurrenz auseinanderfalle. Gesellschaft kann erst durch produktive Verbindungen werden.

Warum eine solche Grundsicherung heute, wie soll sie prinzipiell finanziert werden? Grundsicherung wird zum ersten Gebot, wenn Erwerbsarbeit nicht allen in gleicher Weise gewährleistet werden kann. Auch während der ‘besten’ Zeiten herkömmlicher Sozialpolitik gab es erhebliche Diskriminierungen. Heute wäre es schuldhaft blind, wollte man das System sozialer Sicherungen weiter von der (vollen) Erwerbsarbeit abhängig machen. Soziale Sicherung als die Voraussetzung aller öffentlichen und privaten Lebensqualität und der prinzipiellen Gleichheit der Lebenschancen ist als wahrhaft allgemeine Steuer zu veranlagen. Kurzum: die Grundsicherung ist die positive Antwort auf die strukturelle Krise der kapitalistisch verfassten Arbeitsgesellschaft. Dieser struktureller Krise ist immanent, sprich: mit den Mitteln der Arbeitsgesellschaft nicht beizukommen. Allein neue Formen des Mittelaufkommens und der Mittelvergabe lassen sie bewältigen.

Hemmungen, das Konzept einer allgemeinen Grundsicherung auch nur zu denken, geschweige denn zu verwirklichen. Das ist die neue Qualität der Grundsicherung, dass erst sie gesellschaftlich dem politisch demokratischen Anspruch entspricht. Demokratische Verhaltenserwartungen liefen nicht zuletzt ob des Mangels solcher Grundsicherung weithin ins Leere. Sie blieben abstrakte Postulate. Diese Qualität auf Freiheit und Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger abgestimmte Qualität ist es aber, die dem anders getrimmten gesellschaftlichen Bewusstseins- und Verhaltensformen zuwiderläuft. Sie reibt sich am vorherrschenden, neoliberal erneuerten negativen Freiheitsbegriff. Frei ist, wer seine Ellbogen benutzen kann. Wer in diesem Sinne ellbogenstark “leistet”, hat Besitz und Bildung und gutes Einkommen und Wohlstand verdient. Diejenigen, die ellbogenschwach nicht mitkommen oder ihre Chancen nicht zu nutzen vermochten, sind selbst schuld. Auf keinen Fall geht es, ihnen einen angemessenen sozialen Raum der Sicherheit zu gewähren und von den “Leistungsstärkeren” an die “Leistungsschwächeren” etwas abzugeben. Soll die Idee sozialer Grundsicherung praktische Gestalt gewinnen, müssen wenigstens die Vielen anfangen, die nicht zu den Habendherrschenden gehören, die Diskriminierungen von oben nach unten nicht weiter zu praktizieren. In diesem Sinne müsste Solidarität neu gelernt werden. Sie wird heute fast nur abstrakt und oftmals repressiv verlangt. Stößt der Gedanke sozialer Grundsicherung schon auf die Blockade der eingetrimmten Vorstellungen, so ist der Widerstand noch erheblicher, der aus kapitalistischer Logik entspringt. Das, was andere und wir als soziale Grundsicherung vorschlagen, stellt kein materielles Problem dar. Wir wollen soziale Grundsicherung steuerlich demokratisieren. Soziale Grundsicherung bedeutete aber einen Kapitalismus, der auf die immer vorhandene “Reservearmee” der Arbeitslosen verzichtete. Das sind nämlich die wahren Arbeitskosten (!) kapitalistischer Vergesellschaftung, dass sie nicht nur das “Elend dieser Welt” wenigstens mitproduziert. Das tut sie ganz im Unterschied zur kapitalistischen Utopie, Wachstum werde bald alle Mäuler satt stopfen. Der kapitalistische Arbeitsmarkt lebt davon, dass mit dem Mittel der Entlohnung Ungleichheit noch und noch geschaffen wird. Mit dem damit verbundenen Mittel der Entlassung wird bis ins tz der individuellen Schicksale der ungleich Arbeitenden und der verelendenden Arbeitslosen geherrscht. Darum sind die Behauptungen der neoklassischen Ökonomen pseudowissenschaftlich. Nicht ökonomische Gesetzmäßigkeiten verhindern eine soziale Grundsicherung als notwendige demokratisch menschenrechtliche Basis der Gesellschaft in heutiger Zeit. Die elitär klassenspezifischen sozialen Voraussetzungen, die Habens- und Herrschaftsziele kapitalistischer Vergesellschaftung sind es vielmehr, die grundsätzlich andere soziale Sicherungen bis heute blockieren.

2. Arbeitsmarkt von unten dynamisieren

Arbeiten bleibt nötig. Grundsicherung meint nicht, es sei gleichgültig, ob Bürgerinnen und Bürger, gesellschaftlich anerkannt, arbeiten können oder nicht. Im Gegenteil. Soziale Grundsicherung macht endlich alle frei. Sie müssen nicht mehr, gekrümmt und verängstigt, jede Arbeit nehmen, die bezahlt wird. Selbst im Umkreis eines richtig verstandenen, utopischen “Lobs der Faulheit” müssen sich Menschen gesellschaftlich mit anderen reproduzieren. Das bedeutet eine Fülle unterschiedlicher Arbeiten selbst wenn es gelingen sollte, qua technologischer Automation die menschliche Mühe, die nötige “Maloche” zu verringern. Menschen entwickeln außerdem ihre Fähigkeiten nur dann und nur insoweit, als sie in sozialen Zusammenhängen mit anderen Menschen kooperieren und sich mit allen möglichen Gegenständen handwerklich, künstlerisch, sozial, literarisch auseinandersetzen. Menschen erfahren sich selbst vor allem, indem sie sich arbeitend entäußern, in diesen Entäußerungen von anderen anerkannt werden und das, was sie dabei erfahren haben, lernend, in ihrem Selbst wachsend, in sich zurücknehmen. Arbeit ist füllig vorhanden. Abgesehen vom allgemeinen Wirklichkeitswert von Arbeit für alle Menschen von Kindesbeinen bis zum krummen Rücken ist es eine rundum sichtbare soziale Tatsache, dass Arbeit die Fülle vorhanden ist. Erfordernisse nach Arbeit liegen auf Halde. Arbeit von Menschen mit anderen Menschen für sich selbst und andere in allen sozialen Zusammenhängen ist schon allein quantitativ üppiger vorhanden denn je. Ob man in den Bildungsbereich, das riesige Gebiet der Krankenversorgung, den Umgang mit alten Menschen und Leuten ansieht, die nicht für sich selbst sorgen können, ob man den Zustand öffentliche Räume, alle möglichen Infrastruktureinrichtungen betrachtet, überall hallt wie ein stummer Schrei durch die Lande: wir brauchen Arbeitende! Warum aber “gibt” diese Arbeit niemand, die in allen sozialen Schlaglöchern verlangt wird? Weil sich diese anderen Arbeiten (kapitalistisch profitabel) “nicht rechnen”. Darum werden selbst im öffentlichen Dienst Stellen für Lehrer, Krankenschwestern und Verwaltungsbeamte, ja selbst Polizisten gekürzt. Auch in Sachen Arbeit gilt es einer menschenrechtlich demokratischen Logik eine sich erweiternde Gasse zu öffnen. Erwerbsfähigen und Erwerbswilligen werden unkonventionell Arbeitsplätze unterschiedlichen Typs angeboten. Diejenigen, die brach liegende Arbeit tun wollen, können sich selbst einen Arbeitsplatz entlang ihren Qualifikationen, Motivationen und Möglichkeiten suchen. Bürgerinnen und Bürger bestimmen über ihre Erwerbstätigkeit in Inhalt und Form, nicht primär ein vermachtet unberechenbarer Markt und eine kafkaesk verstellte und verschiebende Bürokratie. Ein großes Spektrum von Arbeitschancen dehnt sich attraktiv. Diejenigen, die sich selbst eine Arbeit geben, arbeiten als Betreuer von Alten, von Schülern, von Behinderten und Kindern. Als Stadtteilhelferin, Fußball-Fanclub-Begleiterin, Rechercheurin in Forschungsprojekten, Fliegende Cafe-Dienstleisterin, Märchenerzählerin für Kinder, Festivalhelfer, Ökologieassistenten, City-Cleanern, Lehrerassistenten, Quartiersmanagerin und Musikassistentin. Die neuen Arbeitnehmleute finden, erfinden, wählen und suchen ihre Arbeitsplätze. Sie haben die Wahl. Sie schließen einen Arbeitsvertrag über Teil- oder Vollarbeitszeit, der zunächst auf drei Jahre begrenzt ist. Vor Ablauf der Zeit ist von beiden Seiten neu zu verhandeln. Die Arbeitsverträge müssen einigen Minima entsprechen. Die Arbeit ist so zu entgelten, dass der Lohn der Arbeit erheblich über der Grundsicherung liegt. Die üblichen Entgeldifferenzierungen zwischen herkömmlich verschiedenen
Lohn- und Gehaltsgruppen sind allerdings nicht strikt einzuhalten. Darüber ist öffentlich zu diskutieren. Wie oben schon apostrophiert worden ist, ist das, was “leistungsgerecht” heißt und entsprechend unterschiedlich belohnt wird, neu zu bestimmen. Leuten, die darauf beharren, dass sie konventionell gestaffelt bezahlt werden, soll Genüge getan werden. Die Arbeit muss von denjenigen, die sie ausüben, mitbestimmt werden. Wechselseitige Verbindlichkeit und zuverlässige Absprachen sind vonnöten. Dieses Postulat gilt vor allem für die Dauer der Arbeit. Der erste dreijährige Abschnitt ist - unbeschadet der Optionschancen der Arbeitenden - , zeitlich so zu gliedern, dass rechtzeitig über das Ob und das Wie einer Vertragsverlängerung bzw. andere Arbeitsmöglichkeiten befunden wird. Weitere Vertragsminima kommen hinzu: menschenwürdige Arbeitsbedingungen, Verbot von Diskriminierungen; Recht auf Aus- und Weiterbildung. Mindestlohnstandards im Sinne der Europäischen Menschenrechts-Charta (1989).

Das Programm will arbeitslose oder schlecht beschäftigte Personen ermutigen. Sich selbst etwas zu trauen, selbst nach Arbeit zu suchen und Neugier auf möglicherweise ungewohnte Tätigkeitsfelder zu entwickeln. Wenn diejenigen, die gesellschaftlich entlohnte Arbeit suchen, selbst aktiv werden - das ist unsere Annahme -, dann werden ihre erfolgreichen Beispiele andere mitziehen. Die Arbeitslosen, die sich jetzt Arbeit nehmen, motivieren und mobilisieren sich und andere. Das geschieht im Gegensatz zu den lähmenden und isolierenden Effekten der Arbeitslosigkeit bis heute. Nicht der Humbug von “Ich-AGs” und der stressreich zusammengesuchten Mini-Jobs sind die Alternative, selbstbestimmte Arbeiten des aufrechten Gangs sind es. Der Arbeitsvertrag wird zur Regelungsinstanz dieses Projekts. Werden sich, herkömmlich gesprochen, “Arbeitgeber” und “Arbeitnehmer” einig, dann ist der Arbeitsplatz gegeben.

Stufen der selbstorganisierten Arbeitsplätze

Zwei Stufen dieses Programms öffentlichen Arbeitsangebots zu verwirklichen, sind vorgesehen:
Erste Stufe: Erwerbslose probieren bei vollem Gehalt für drei Monate einen Arbeitsplatz aus. Darüber hinaus erhalten sie einen Qualifikationszuschuss. Mit dessen Hilfe können sie sich beraten und von verschiedenen Beratungsagenturen unterstützen lassen. Diese Beratungsagenturen machen im Konsens mit dem “Arbeitgeber” und dem “Arbeitnehmer” Vorschläge über die Zukunft des Arbeitsplatzes, seine Qualifikationserfordernisse und die Art der Fortbildung. Entscheidend ist es, dass “Arbeitgeber” und “Arbeitsnehmer” übereinstimmen. Die Beratungsagenturen können ehrenamtliche lokale Gremien, private Agenturen, Handwerker oder Arbeits-, Jugend- und Sozialämter sein. Sie sind die Joblotsen mit Kompetenz und Überzeugung, aber ohne die Marterwerkzeuge von negativen Sanktionen.

Zweite Stufe: Auf drei Jahre begrenzt werden in der ersten Etappe öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt, um in den Beruf einzusteigen. Wir sind optimistisch dass sich diese unkonventionellen Prozesse, ein Tätigkeitsfeld zu finden, rasch dynamisch entwickeln. Der Bedarf ist so groß, wie die qualifizierte Nachfrage. Jede Umfrage unter Erwerbslosen und Sozialhilfeempfängern informiert darüber, dass diese gut wissen, was sie gerne arbeiteten. Modellprojekte für Jugendliche, die ihre Arbeit selbst suchen konnten, sind erfolgreich verlaufen (in Berlin und Thüringen). Unser Projekt, Arbeit lohnend zu machen, die gesellschaftlich im Überfluss vorhanden ist, besitzt einen “Hauch von Anarchie”. Bürgerinnen und Bürger machen endlich selbst das, was sie bedürfen. Die Ansprüche ökonomischer Regulierung oder politischer Steuerung werden aufgegeben. Niemand kann vorweg sagen, was am Ende herauskommen wird, wie viele Erwerbslose im Handwerk, dem Stadtteilquartier oder einer gemeinnützigen Organisation landen. Nichts wäre politisch erfolgreicher als eine solche Vielfältigkeit. Alles andere als beliebig. Wir sehen keinen Jahrmarkt der Möglichkeiten vor, auf dem unverbindlich gehandelt wird. Der zentrale Impuls besteht darin, Menschen mit ihren Qualifikationen, Motivationen und Möglichkeiten ernst zu nehmen: Sie sollen selbst zum Initiator und ausführenden “Organ” ihres eigenen Programms werden. Damit der Eigeninitiative angemessen entsprochen werden kann, sind einige Beschränkungen und Präzisierungen des Vorhabens angezeigt. Öffentliche und private Schwerpunkte sind festzulegen, bei denen ein hoher gesellschaftlicher Bedarf unterstellt werden kann. Kommunale Einrichtungen sind vorzusehen, die solche Bereiche gesellschaftlichen Bedarfs öffentlich vorschlagen. An ihrer Entscheidungsbildung sind die Betroffenen einflussreich zu beteiligen. Den Kommunen sollte eine vermittelnde Schlüsselrolle zufallen, ohne sie zur neuen Zentralinstanz zu machen. Die Kommunen können mit Hilfe solcher Arbeitsprojekte ihre Infrastruktur erheblich verbessern. Bei den privatwirtschaftlichen Branchen könnte mit einem Katalog von Prioritäten gearbeitet werden. Dieser ist seinerseits öffentlich zur Diskussion zu stellen. Für Zigarettenschmuggel und Aktivitäten, die Ausländerfeindlichkeit verbreiten, werden keine Arbeitsplätze geschaffen werden. Mitnahmeeffekte und Missbräuche sind nicht vermeidbar. Allein die durchgehaltenen Prinzipien der Öffentlichkeit, der Zugänglichkeit und der Mitbestimmung dürften sie bei weitem unter der üblichen bürokratischen Korruptionsschwelle halten. Um den Missbrauch im wirtschaftlichen Bereich einzuschränken, sind Mittel- und Großunternehmen auszuschließen. Das von uns vorgeschlagene Programm, gegebene Arbeit mit bezahlender Anerkennung zugänglich zu machen, folgt nicht der Devise “Berufsarbeit um jeden Preis”. Diese entspräche einem verengten Arbeitsverständnis. Alle möglichen Initiativen können gefördert werden, ohne dafür den Preis der Professionalisierung und Bürokratisierung zahlen zu müssen. Die Übergänge zwischen herkömmlicher Erwerbsarbeit, ehrenamtlicher Arbeit aller Art, politische Aktivitäten eingeschlossen, sollten flexibel gehandhabt werden. In diesem Aufbrechen starrer, sachlich obsoleter Berufs- und Nicht-Berufsarbeitsfronten besteht nicht der geringste Sinn dieses Vorhabens.

Es ist finanzierbar - und zwar sofort!

Wer soll das bezahlen? Wie hoch die Kosten sein werden, lässt sich vorweg nicht genau voraussagen. Klar ist, es darf kein kleinteiliges Modellprojekt sein, das man nach drei Jahren abbricht. Das Experiment neuer Arbeit wird nur sinnvoll, wenn zunächst wenigstens 1 - 2 Mio. Erwerbslosen eine Chance eröffnet wird. Wenn diese im Durchschnitt Verdienste hätten, die mindestens 15.000 Euro im Jahr über der Sozialhilfe/Arbeitslosenhilfe lägen, dann sind 15 - 30 Mrd. Euro jährlich öffentlich aufzubringen. Gewiss ist, dass die Kosten erheblich geringer sein werden, als diejenigen, die rund um die Arbeitslosigkeit anfallen. Deren persönliche und politische Kosten sind ohnehin nicht zu bezahlen. Vor allem das, was demokratisch menschenrechtlich gewonnen werden kann, übersteigt bei weitem alle materiellen “Verluste”. Letztere werden im Sinne neuer und veränderter Arbeitsleistungen ohnehin rasch ausgeglichen. Arbeit der neuen Vielfältigkeit ist selbst rechnerisch das mit Abstand wohlfeilste Politikvorhaben. Gegenwärtig flössen fast 40 % der Ausgaben durch Steuern, Sozialbeiträge, Mehrwertsteuern u.ä.m. wieder in irgendeiner Form an die öffentlichen Haushalte zurück. Abbau von Arbeitsmarkt- und Sozialverwaltungen. Wer menschenrechtsgemäße Grundsicherung und selbstbestimmte, vielfältigste Arbeitsplätze neu denkt, kommt nicht daran vorbei, die Schlussfolgerungen für Arbeits- und Sozialämter ebenfalls neu zu denken. Das Konzept zöge einen Abbau bzw. Umbau nach sich. Bei unseren Vorschlägen geht es primär um Phantasie, Kreativität und Beratung. Diese können die Sozial- und Arbeitsämter ohnehin nicht leisten. Als eine der wenigen Aufgaben bliebe ihnen die förmliche Prüfung der neuen Arbeitsverträge. Der mittelfristige Einspareffekt könnte bei jährlich 10 Mrd. Euro liegen. Hinzu kämen der Abbau und Umbau von Beratungseinrichtungen der Kommunen, Wohlfahrtsverbände und Kirchen.

3. Umverteilung von aller Arbeit statt Arbeitszeitverlängerung

Das von uns vorgeschlagene Projekt “Arbeitsplätze von unten” ergibt nur einen Sinn, wenn gleichzeitig das vorhandene Arbeitsvolumen so verteilt wird, dass möglichst viele Menschen zusätzlich einen Arbeitsplatz finden können. Die jetzt geforderte Arbeitszeitverlängerung ist eine perverse Antwort auf die Notwendigkeit, durch Verkürzung von individueller Arbeitszeit neue Arbeitsplätze zu schaffen. Zu Arbeitszeitkürzungen zählen: eine staatlich flankierte Verkürzung der Wochen- und Tagesarbeitszeit; die Förderung freiwilliger Teilzeitarbeit; die besondere Förderung von Teilzeit für junge Paare; Vorruhestandsregelung; Einstellungskorridore für die jüngere Generation. Das Problem besteht aktuell darin, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften wenig daran interessiert sind, die Arbeitslosigkeit als den zentralen Gegenstand der Tarifverhandlungen anzusehen. Eine Mindestforderung wäre, zumindest das Finanzvolumen von 0,5 der jeweiligen Tarifangebote (2 - 4 ) in neue Arbeitsplätze unterschiedlichen Typs umzuwandeln. Für den öffentlichen und privaten Sektor könnten auf diese Weise jährlich 300- 600.000 neue Arbeitsplätze in Teilzeit oder Vollzeit gewonnen werden. Tarifverträge neuen Typs mit Arbeitszeitkoppelung entsprächen den Zeichen der Zeit. Sie minderten den Machtverlust der Gewerkschaften. Jenseits der Lohnprozente-Forderung würden sie für Erwerbslose, Arbeitnehmer und Öffentlichkeit sichtbar werden. Wer über eine Verteilung gesellschaftlich notwendiger und wünschbarer Arbeit redet, darf über die Potenziale, die in einer Geschlechterdemokratie steckten, nicht schweigen. In den öffentlichen Debatten wird darüber der Mantel des Schweigens gelegt. Die Frage wird allenfalls der Familienpolitik zugeordnet. Ein angemessenes Verständnis von Arbeit meint Erwerbsarbeit, Hausarbeit, Erziehungsarbeit und vielfältige Formen soziokultureller Arbeit. Gegenwärtig wird Arbeits- und Machtteilung zwischen den Geschlechtern mehr gewünscht. Sie wird aber nicht gefördert, sondern geradezu bestraft. Erst wenn Geschlechterdemokratie als Produktivkraft entdeckt wird, erhält sie ihre mögliche gesamtgesellschaftliche Wirkung. Der wirkungsvollste Hebel wäre, diejenigen, die Arbeit mit Partnerschaften, Allein-Leben, Familie mit Kindern als balanciertes Lebensmodell praktizieren wollen, gesellschaftlich zu belohnen. Das Ehegattensplitting in Verbindung mit weitreichenden Teilzeitangeboten abzuschaffen, könnte eine erhebliche Dynamik auslösen. Spezifische Vereinbarungen der Tarifpartner sollten diese ergänzen. Die von uns vorgeschlagene doppelte Option von selbstbestimmten Arbeitsplätzen und Grundsicherung hat auch ein geschlechterdemokratisches, antipatriarchales Ziel.

4. Eine kommunalbegünstigende Steuerreform

Unsere ersten beiden, eng miteinander gekoppelten Vorschläge, die Grundsicherung und das Angebot von Arbeitsplätzen, sind ohne eine Steuerreform, die die Kommunen stärkt, angemessen nicht umzusetzen. Beide Male ist die lokale Ebene entscheidend. Mitbestimmende Organisierung von Grundsicherung und vor allem lokal organisierte Arbeitswahl sind nur kommunal denkbar. Die Kommunen können ihrerseits nur demokratisch organisieren, wenn sie über eigene Einnahmen verfügen und in neuer Form Einnahmen und Ausgaben öffentlich miteinander verbinden. Die kommunale Verwaltung muss ihrerseits in die Lage versetzt werden, die Vielzahl der Tätigkeitschancen anzubieten oder nutzen zu lassen, die lokal ‘an sich’ vorhanden sind. Zuerst müssen deshalb die Kommunen über einen veränderten vertikalen Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden mit den nötigen Mitteln ausgestattet werden, um die nötigen Infrastrukturleistungen erbringen zu können. Ein eigenes kommunales Recht, Steuern zu erheben, ist angezeigt. Das ist vor allem in Zeiten von Notlagen der Städte und Gemeinden geboten. Öffentliche Armut und privater Reichtum klaffen immer weiter auseinander. Dass die Kommunen beispielsweise mit Hilfe einer eigenen Einkommenssteuer die belastungsfähigeren Bürger stärker heranzögen und dadurch eine Kommune erst zur Kommune machten. Zusätzlich ist der Prozess der Mittelvergabe öffentlich zu gestalten (Bürgerhaushalt). Anders lassen sich die beiden neuen Aufgaben der Grundsicherung und des nicht-repressiven Arbeitsangebots nicht verwirklichen.

Mobilisierung über Sozialforen mit neuen Protesttypen koppeln

Konzeptionen auf dem Papier sind wichtig. Sollen sie aber mehr als Papier werden, bedürfen sie der außerinstitutioneller Mobilisierung. Langer Atem ist hierfür erforderlich. Ein Lernprozess traditioneller Institutionen aus sich selbst heraus und ohne Druck von außen ist nicht zu erwarten. Einen Anknüpfungspunkt bilden einerseits die globalisierungskritische Sozialbewegung in ihren Ausprägungen des Europäischen Sozialforums (ESF) in Florenz und Paris an (Nov. 2003). Andererseits bieten die sich langsam entwickelnden Sozialforen unterschiedlichen Typs (Köln, Hamburg, Berlin u.a.) in den Städten und Regionen eine Möglichkeit. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass der internationale Protest programmatisch, institutionell und in den Protestformen weiter entwickelt ist, als die noch kleinmütigen Anstrengungen in Deutschland. Zwischen beiden Ebenen besteht fast keine Verbindung.

Das Europäische Sozialforum (ESF) in Florenz war vor allem deshalb ein großer Erfolg, weil sich der Protest gegen den drohenden Irak-Krieg mit der Globalisierungskritik und der innenpolitischen Konfrontation zur Regierung Berlusconi verbinden konnte. Das Europäischen Sozialforum in Paris (12. - 16.11.03 ESF) hat entschieden, im Frühjahr 2004 einen “zweiten 15. Februar” in abgewandelter Form, als internationalen Protesttag ein Jahr nach dem Beginn des Irak-Kriegs zu organisieren (20.3.04). Die Themen Krieg und Sozialabbau sollen miteinander in zwei Protesttagen verknüpft werden. Hinzu kommt eine Protestallianz zur Europäischen Verfassung. Erheblich anders sieht es in Deutschland aus. Auch hier gibt es erhebliche Protestmobilisierungen. Sie blieben jedoch eher isoliert und parzelliert. Eine Debatte zu Alternativen der Agenda 2010 fand nicht statt. Die Oppositionskräfte in der SPD, Bündnis90/Die Grünen und der PDS wurden mit Brosamen gesättigt. Die Gewerkschaftsführungen können (und wollen) bis jetzt nicht mobilisieren, sodass der herrschenden Rot-Grün-Schwarz-Gelben-Einparteienkurs in Schwierigkeiten gebracht würde. Quantitativ überraschend erfolgreich war die bundesweite basisaufständische Protestdemonstration gegen Sozialkahlschlag am 1. November 2003 mit 100.000 Telnehmern in Berlin. Programmatisch-praktische Alternativ-Vorstellungen waren jedoch Mangelware (Memo-Gruppe, WSI-Initiative, attac u.a.). Mit anderen Worten: Vor allem die außerinstitutionellen Akteure und Akteurinnen sind jenseits des “Neins” zum Sozialstaatsabbau weitgehend ohne Perspektive. Ein Deutsches Sozialforum (DSF) ist in der Diskussion. Auf der Ebene der lokalen und regionalen Sozialforen hat sich, von der überregionalen Öffentlichkeit unbemerkt, einiges getan. In etwa 30 Städten gibt es inzwischen Sozialforen (Berlin, Wuppertal, München, Stuttgart, Tübingen, Hamburg, Köln, Düsseldorf, Witten u.a.), die ähnliche Ziele verfolgen und die sich untereinander zu koordinieren beginnen. Wenn die von uns vorgeschlagene Strategie auch nur einigermaßen überzeugend ist, dann wäre zunächst ein eher programmatischer Verständigungsprozess auf den lokalen und regionalen Ebenen dringlich, der Zug um Zug mit internationalen und bundesweiten Aktivitäten zu verbinden ist. Eine Akteurs-Konferenz zur Vorbereitung des international gleichzeitig stattfindenden Protesttages im April 2004 könnte einen Selbstverständigungsprozess in Gang setzen.

Wer sinnvolle Arbeitsplätze etablieren will, muss eine sinnstiftende Kontroverse vom Zaume brechen. Wir plädieren dafür, zu experimentieren:

- Instandbesetzungen von gesellschaftlich sinnvollen und
konsensfähigen Arbeitsplätzen. Ein geschlossenes Jugendzentrum könnte wieder eröffnet und die dort geleistete Arbeit öffentlichkeitswirksam vermittelt werden. Nach 5 - 6 Tagen ist eine “fürsorgliche Belagerung” von politisch Verantwortlichen denkbar. Damit diese Arbeit öffentlich finanziert werde. Dieser Aktion könnte ein “Spaziergang zu den Wohlhabenden” in den besseren Stadtteilen korrespondieren, um deren Mitverantwortlichkeit zu bekunden. Sie sollten dafür gewonnen werden, die tiefen Spaltungen in den Städten zu überwinden.

- Armutsproteste neuen Typs. Wer für eine bedingungslose
Grundsicherung eintritt, muss die Gesellschaft mit dem Ausmaß von verdeckter, offener und erreichter Armut anders als bisher konfrontieren. Wo keine gesellschaftliche Teilhabe angeboten wird, ist Armutsprotest geboten. Lumpen-Demonstrationen anlässlich festlicher Ereignisse (Pressebälle, Staatsbesuche, G7-Gipfel), demonstrative Aufrufe und Bezahlung schwarzfahrender Erwerbsloser, Obdachloser, Sozialhilfeempfänger und andere Armen könnte zu erheblichen politischen Auseinandersetzungen führen. Bettel-Demonstrationen in den wohlhabenden Wohnvierteln sind überfällig. Armut muss ihr Gesicht den Habenden und Herrschenden zeigen.

- Symbolische Schließung von Arbeitsämtern. Unsere Forderung nach
Grundsicherung und Arbeitsplätzen zieht die Problematisierung der Arbeitsämter nach sich, die die Arbeitslosen und Arbeit Suchenden bürokratisch formieren. Wenn sie für eine sinnvolle Sozial- und Arbeitsmarktpolitik teilweise entbehrlich sind, dann ist ihre symbolische Schließung folgerichtig. Wieviel Gewalt durch diese Ämter ausgeübt wird, ist längst zum öffentlichen Konflikt zu machen.

- Gewaltfreier ziviler Ungehorsam von denjenigen, die in den
Institutionen nicht mehr loyal sein können oder wollen. Der außerinstitutionelle Ungehorsam und Protest wird erst seine Wirkung entfalten, wenn diesem Akte zivilen Ungehorsams von denjenigen korrespondiert, die zur Loyalität innerhalb der Institutionen verpflichtet sind. Erst wenn Jugendarbeiter, die 150 Jugendliche betreuen sollen, erst wenn Hochschullehrer, die mit 120 Studierenden Seminare gestalten sollen, erst wenn Sozialbeamte, die 180 Sozialhilfeempfänger sinnvoll betreuen sollen, sich diesen Aufgaben verweigern und die Arbeit demonstrativ niederlegen, wird sich die herrschende Politik herausgefordert sehen. Vorerst hat ein Generalstreik keine Chancen. Begründete, von Teilen der Gewerkschaften mitgetragene Arbeitsniederlegungen, könnten jedoch die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen anschieben. Der mangelnde Streit um Alternativen zur Repressanda 2010 beunruhigt am meisten.

Die programmierte Erfolglosigkeit der Agenda 2010 im Sinne eines täuschenden Wachstums- und Beschäftigungsversprechens sollte die Courage für Alternativen künftig befördern.

Die Hebelpunkte in Richtung einer Sozialpolitik, die diesen Namen verdient, sind Teil einer 70seitigen Memorandums. In diesem Memorandum sind zusätzlich folgende Teile enthalten: Eine Kritik der herkömmlichen Sozialpolitik, die Skizze eines sozialpolitischen Ansatzes, der den unabgegoltenen Normen von Demokratie und Menschenrechten folgt, eine Kritik der Agenda 2010 und der von ihr symptomatisch repräsentierten Richtung eines sozial und politisch kahl schlagenden Neoliberalismus. Dieser ist das Hauptproblem selbst; er verstellt die in etablierter Ökonomie und Politik gegebenen Probleme.

Die Autoren:
Grottian, Peter (61), Hochschullehrer für Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin;
Narr, Wolf-Dieter (66), Hochschullehrer für Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin;
Roth, Roland (54), Hochschullehrer für Politikwissenschaft an der Hochschule Magdeburg.

  • Eine Kurzfassung dieses Artikels von Peter Grottian, Wolf-Dieter Narr und Roland Roth zur “Repressanda 2010” war in der Frankfurter Rundschau vom 29.11.2003 abgedruckt. Ein längerer Aufsatz, der vor allem die Kritik am Sozialstaat weiter ausführt, kann bestellt werden bei: Elke Steven, Komitee für Grundrechte und Demokratie, Aquinostr. 7 - 11, 50670 Köln, Tel.: 0221 - 97269 -30, Fax: - 31

Veröffentlicht am

17. Dezember 2003

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