Der lebende Saddam leistet dem Empire gute DiensteVon Paul Street - ZNet 20.12.2003 Vor ‘Desert Storm’ Er hatte nicht den Anstand, sich zu töten, bevor er zu einem im Käfig gehaltenen Public-Relations-Werkzeug der amerikanischen Besatzung gemacht werden konnte. Und so funktioniert der gefangene Saddam Hussein also weiter wie über weite Strecken seiner tödlichen Karriere: als Werkzeug der US-Imperialstrategie. In den 60gern war Saddam in brutaler Weise und in maßgeblicher Position an Aktivitäten der von der CIA gesponserten autoritären, antikommunistischen Baath-Partei beteiligt - eine Partei, die unzählige Linke und linker Gesinnung Verdächtige abschlachten ließ. Nachdem Saddam 1979 die diktatorische Spitze des irakischen Staats erklomm, fegte er Iraks Linke und andere Oppositionelle weitestgehend hinweg - ganz im Sinne der USA. Während der 80ger deckten die USA sein brutales Regime in diplomatischer Weise, und er erhielt von den USA Wirtschafts- und Militärhilfe - sahen diese in Saddams Irak doch ein nützliches Gegengewicht zum Vormarsch des radikalen Islam und des Modells ‘iranische Revolution’ (1979), das mit diesem Vormarsch einherging. Ausdruck dieses Denkens: die USA spielten Saddams Einsatz chemischer Waffen herunter - Waffen, eingesetzt gegen iranische Soldaten und kurdische Zivilisten; dazu gehört auch das Gemetzel an schätzungsweise 100.000 Kurden zwischen 1987 und 1989. Während der Regierungszeit Ronald Reagans (1980-88) unterstützten und finanzierten die USA den brutalen Krieg zwischen Iran und Irak, ein Konflikt, dem rund 1 Million Soldaten zum Opfer fielen; mit ihm nahm im Irak ein Prozess des wirtschaftlichen und sozialen Niedergangs seinen Anfang, dessen brutaler Tiefpunkt in der Zeit des von den USA auferlegten Sanktionen-Regimes lag. Während ‘Desert Storm’ Saddams Kuwait-Invasion lieferte der Ersten Regierung Bush in den Jahren 1990/91 die Gelegenheit, sich - zu unrecht - als humanitäre Verbündete der nationalen Befreiung des Mittleren Ostens zu gerieren. Die Invasion lieferte Bush I die Bühne, um die überwältigende Militärmacht der USA zur Show zu stellen - in der noch jungen “Ära nach dem Kalten Krieg” - und um (zu unrecht) zu behaupten, “wir haben das Vietnam-Syndrom ein- für allemal rausgekickt” (P.S. Vietnamsyndrom = zögerliche Haltung der Bürger Amerikas, ihre Söhne und Töchter freudig auf jene gefährlichen/tödlichen imperialen Missionen zu schicken, die häufig designed sind von bestimmten privilegierten Segmenten der US-Powerelite, die selbst vom Combat-Dienst freigestellt ist). Während des “Kriegs” (von dessen amerikanischen Veteranen inzwischen allgemein “Truthahn-Jagd” genannt) bot der offiziell-erklärte Hass auf ‘Saddam, den Bösen’ der Ersten Bush-Administration nützliche Deckung für ihren illegalen Angriff auf das irakische Volk und die zivile Infrastruktur des Irak. 15.000 (irakische) Zivilisten starben - neben mehr als 100.000 irakischen Soldaten. Interessant: Noch 8 Tage vor Saddams Einmarsch in Kuwait gab das US-Außenministerium Saddam Grund zu der Annahme, seine Aktion würde in den USA zumindest auf stillschweigende Zustimmung treffen. Nach ‘Desert Storm’ Saddam, der Furchtbare wurde ohne größere militärische Probleme besiegt; anschließend sah Bush I in ihm die einzig reelle Alternative zu einer noch weit größeren Gefahr: dass sich das Volk nämlich selbst regiert bzw. “Chaos” in einer muslimischen Nation mit schiitischer Mehrheit ausbricht - eine Nation mit gewaltigen Ölreserven, eine Nation, die ausgerechnet im Herzen der strategisch wichtigsten (weil ölreichen) Region der Welt liegt. So kam es, dass die USA die irakischen Massen zunächst ermutigten, sich gegen ihren Herrscher aufzulehnen, um dann daneben zu stehen, während Saddam seine innenpolitischen Gegner abschlachtete. Im April 1991 weigerte sich das US-Außenministerium, sich mit irgend jemand aus der irakischen Saddam-Opposition zu treffen - im Lichte der jüngsten Ereignisse eine erstaunliche Zurückweisung. Nach dem 1. “Krieg” am Golf hatte die Regierung Bush I, später auch die Clinton-Administration, ‘Saddam, den Bösen’ als wichtiges Werkzeug für sich entdeckt - im Hinblick auf Politik/Public Relations, als es nämlich darum ging, ein ruchloses, brutales Sanktionenprogramm zu installieren, dem 500.000 irakische Kinder zum Opfer fielen; dieses Programm verstärkte die Kontrolle Amerikas über die irakischen Ölressourcen. Die USA nutzten Big Bad Saddam als Vorwand für die illegale Einrichtung und Aufrechterhaltung imperialer “Flugverbotszonen”; sie benutzten ihn als Vorwand für die wiederholte, illegale Bombardierung des Irak (wobei Zivilisten und Militärpersonal starben) sowie für ihre wiederholten Anstrengungen, jenes Waffeninspektoren-Regime zu sabotieren, das schließlich für eine effektive Entwaffnung des Saddam-Regimes sorgte - mehrere Jahre bevor Bush II eine Invasion unternahm, um die Amerikaner vor einer vermeintlich unmittelbaren Bedrohung durch irakische “Massenvernichtungswaffen” (WMDs) zu retten. Für das große Leid, das diese Politik erzeugte, schoben US-Politiker die Schuld kontinuierlich auf die Politik Saddams - obwohl es schon damals erdrückende Beweise gab, die anderes besagten. Konstant erklärten sich die USA zu “humanitären” und “demokratischen” Gegnern Saddams, sie waren von Saddam besessen und lenkten die Aufmerksamkeit der Medien und des Volks von einer US-Politik und -Handlungsweise ab, die im Widerspruch stand zur Standard-Doktrin, dass nämlich die USA von der Vorsehung dazu bestimmt seien, Heimat und Hauptquartier der globalen Freiheit und Gerechtigkeit zu sein - siehe andererseits die langjährige Unterstützung der USA für das bluttriefende Suharto-Regime in Indonesien (1965-1999), für Israels blutige und illegale Okkupation und dessen Apartheids-Regime in Palästina (um nur zwei Beispiele von vielen möglichen zu nennen). Das Ablenken vom Thema Nahost ist dabei besonders wichtig. Schließlich hat diese Region den Status, die gefährlichste und instabilste Region der Welt zu sein, und Israel ist im Besitz von großen Beständen an “Massenvernichtungswaffen”, darunter auch (so die Einschätzung der US-Geheimdienste) mehrere hundert Nuklearwaffen - mit denen Israel UN-Sicherheitsratsresolution 687, Artikel 14, die Stirn bietet. Diese Resolution hat das “Ziel, im Mittleren Osten eine Zone frei von Massenvernichtungswaffen und all ihrer Trägerraketen zu schaffen”. Ironie: Saddam ging innenpolitisch gestärkt aus den von den USA geleiteten Sanktionen bzw. aus dem damit verbundenen “Öl-für-Nahrung”- und Waffeninspektoren-Regime hervor, erlaubten es ihm diese Maßnahmen doch, sämtliche Probleme des Irak - zu unrecht - auf die bösen Imperialisten abzuwälzen. Nach dem 11. September Das aufgeblasene Gespenst ‘Saddam-Regime’ - nach dem 11. September stellte es ein materielles, territorial eingrenzbares Einzelziel dar. Auf dieses Ziel konnte das Weiße Haus die rassistisch angehauchten Angst- und Rachegefühle der Amerikaner, die sie gegenüber den staatenlosen September-Attentätern empfanden, projizieren. Die Attentäter, so hatte man verschwommen begriffen, waren irgendwie muslimisch und arabisch. In den vorherrschenden “Mainstream”-Medien (massiv fusionierte Staats-Konzern-Medien) fand die Administration Bush II überraschend gehorsame Kollaborateure. Diese arbeiteten daran, die Gesichter Saddams und Osama bin Vergessen - der ‘Bösen Fremden’ also - zu einem einzigen Gesicht zu verschmelzen. Gleichzeitig stellte Saddams schutzloses, entwaffnetes Regime ein willkommenes Opfer bzw. Ziel dar - das erste Demonstrationsobjekt für die Bush-Wolfowitz-Doktrin, die verkündete, Amerika habe das Recht, “nach Gutdünken zur Gewalt zu greifen” (wie von Noam Chomsky exzellent zum Ausdruck gebracht) - gegen alles, was als Bedrohung der US-Globalhegemonie wahrgenommen wird, unabhängig von Recht und Gesetz und unabhängig von der Meinung im eigenen Land oder im Ausland. Nun, da der gefangene Ex-Diktator also in Haft ist - unter (wie sinnig) amerikanischem Schutz - wird er den USA zusätzlich Gelegenheit geben, weiter an der Fiktion zu stricken, die USA seien der größte Freund von Freiheit und Demokratie in und außerhalb des Nahen/Mittleren Ostens. Das Schautribunal gegen Saddam wird sicher äußerst lehrreich. Es war Orwell’sche Standardpraxis vor, während und nach den Kriegsverbrechertribunalen in Tokio und Nürnberg, die Siegerverbrechen aus den relevanten offiziellen juristischen und historischen Akten rauszuhalten, so wie auch hier. In diesem Fall geht es unter anderem um 1 Million irakische Sanktionen-Todesopfer und um das Töten irakischer Soldaten, die sich bereits ergeben hatten sowie unschuldiger irakischer Zivilisten in den Jahren 1991 und 2003. Zu einer signifikanten öffentlichen Verdammung der wahren Beweggründe der US-Politik im Nahen/Mittleren Osten wird es nicht kommen - ja noch nicht mal zu deren Anerkenntnis. Diese Beweggründe sind: arabische Demokratie und Selbstbestimmung sollen abgeschreckt werden - im Einklang mit der alten “Großimperialstrategie” der USA, der gemäß Amerika das Sonderrecht bzw. die Sonderverpflichtung genießt, die natürlichen Ressourcen bzw. menschlichen Ressourcen der Welt zu kontrollieren und dem - (nur) von Fall zu Fall anerkannten - Souveränitätsrecht anderer Nationen und Völker wann immer und wo immer nötig zuvorzukommen, um die rechte Weltordnung aufrechtzuerhalten, eine Weltordnung, wie sie von den USA definiert und festgelegt ist (siehe Noam Chomskys ‘Hegemony or Survival: America’s Quest for Global Dominance’*, (New York, NY: Metropolitan Books, 2003), Seiten 11 - 49, 166 - 167, usw.). Dabei sind die USA der weltweit führende Gefängnisstaat - oder auch “das Leuchtfeuer der Welt, so, wie das Leben eben sein soll” (Kay Bailey Hutchinson, republikanische Senatorin aus Texas), eine Nation, die “höher steht und weiter blickt” (Madeleine Albright) als alle anderen Nationen. Die ‘große Strategie’ - sie legte seit den ölabhängigen Tagen des Petro-Kapitalismus, als sie formuliert wurde, immer eine besondere Bedeutung auf den Nahen/Mittleren Osten. Der damalige US-Präsident Dwight Eisenhower sprach von der ” strategisch wichtigsten Region der Welt” (zitiert aus Chomskys ‘Hegemony or Survival’, S. 164). Derweil geht im Irak das Blutvergießen weiter. Zum Teil handelt es sich bei diesem Widerstand um die Reflexion eines kontinuierlichen Widerstands der Iraker und anderer Araber. Und die brauchen das traurige Zirkus-Monster Saddam gar nicht, um ihnen zu sagen, wann, wie oder warum sie die Imperial-Soldaten ‘Georges des Zweiten’ angreifen sollen. Paul Street schreibt zu Themen wie Imperialismus, Klassen- u. Rassenproblematik u. ‘Thoughtcontrol’. Sie können ihn kontaktieren unter pstreet99@sbcglobal.net) Anmerkung d. Übersetzerin: Quelle: ZNet Deutschland vom 25.12.2003. Übersetzt von: Andrea Noll. Orginalartikel: “Saddam’s Living Service to Empire” . Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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