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Friedensmacht Europa? Forget it or fight for it!
Zur EU-Militarisierung nach dem Verfassungsentwurf
vom Juni/Juli 2003
Von Albert Fuchs
Vorbemerkungen
- Nach längerer Vorarbeit hat der sog. EU-Konvent zum EU-Gipfel in Thessaloniki im Juni 03 einen Entwurf für eine EU-Verfassung (VE) vorgelegt. Er umfasst rund 260 Seiten, ist in vier Teile gegliedert und beinhaltet über die eigentlichen Verfassungsartikel hinaus verschiedene Anhänge, denen ebenfalls Verfassungsrang zugedacht ist. Auf dem Gipfel in Brüssel im Dezember 03 sollte die EU-Verfassung verabschiedet werden. Dieser Plan ist vorerst gescheitert, im Wesentlichen an Fragen der Stimmengewichtung bei Beschlüssen der obersten EU-Gremien. Damit erhalten Friedensbewegungen und -initiativen die auf absehbare Zeit letzte Chance, sich intensiver und kompetenter mit der militärpolitischen Seite des europäischen Integrationsprozesses auseinanderzusetzen.
- Die einschlägigen Bestimmungen sind über alle Teile des Verfassungsentwurfs zerstreut. Die ganze Dramatik der eingeschlagenen militärpolitischen Richtung wird erst deutlich, wenn man versucht, diese Bestimmungen systematisch zusammenzustellen. Im Folgenden geschieht das unter den Rubriken “Integration durch Militarisierung” - “Mit allen militärmachtpolitischen Mitteln” - “Wohin soll marschiert werden?” - “Wer bläst den Marsch?” und “Wo stehen die ‘Noten’?” Innerhalb dieser Rubriken bzw. entsprechender Unterrubriken werden die einschlägigen Artikel in ihrer Abfolge im VE wiedergeben, vielfach allerdings bis auf Satzniveau auseinandergenommen, um den sachlogischen Zusammenhang zu verdeutlichen. Dass dabei lästige Wiederholungen deutlich werden, wird in Kauf genommen.
- Die Textwiedergabe (jeweils Auszüge aus dem VE) wird hier strikt von der Kurzkommentierung (jeweils als Bemerkungen/Fragen im Anschluss an den jeweiligen Abschnitt) getrennt - um die Texte zunächst sich selbst “erklären” zu lassen und um der LeserIn eine unabhängige Meinungsbildung zu erleichtern.
- Bei Einbezug des gesamten Textcorpus des Entwurfs mögen sich einige Akzente verschieben; i.B. dürfte im Lichte der finanz- und wirtschaftspolitischen Bestimmungen das instrumentelle Verhältnis der Konventsmitglieder zum Militär (“Politik mit anderen Mittel”!) deutlicher hervortreten. Der Gesamteindruck eines gigantischen EU-Militarisierungsprogramms dürfte davon jedoch kaum berührt werden.
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Artikel als PDF-Datei
Auszug aus dem Entwurf für eine EU-Verfassung (VE)
Integration durch Militarisierung - Ziele und Zuständigkeiten der Union
- Präambel: … In der Überzeugung, dass ein nunmehr geeintes Europa… ein Kontinent bleiben will, der offen ist für Kultur, Wissen und sozialen Fortschritt, dass es Demokratie und Transparenz als Wesenszüge seines öffentlichen Lebens stärken und auf Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität in der Welt hinwirken will, …
- Art. I-3 (1): Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern.
- Art. I-3 (4): In ihren Beziehungen zur übrigen Welt schützt und fördert die Union ihre Werte und Interessen. Sie trägt bei zu Frieden, Sicherheit, nachhaltiger Entwicklung der Erde, Solidarität und gegenseitiger Achtung unter den Völkern, freiem und gerechtem Handel, Beseitigung der Armut und Schutz der Menschenrechte, insbesondere der Rechte des Kindes, sowie zur strikten Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts, insbesondere zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen.
- Art. I-3 (5): Diese Ziele werden mit geeigneten Mitteln entsprechend dem Umfang der Zuständigkeiten verfolgt, die der Union in der Verfassung übertragen werden.
- Art. I-11 (4): Die Union ist dafür zuständig, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik einschließlich der schrittweisen Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik zu erarbeiten und zu verwirklichen.
- Art. I-15 (1): Die Zuständigkeit der Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik erstreckt sich auf alle Bereiche der Außenpolitik sowie auf sämtliche Fragen im Zusammenhang mit der Sicherheit der Union, einschließlich der schrittweisen Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik, die zu einer gemeinsamen Verteidigung führen kann.
- Art. I-39 (1): Die Europäische Union verfolgt eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die auf einer Entwicklung der gegenseitigen politischen Solidarität der Mitgliedstaaten, der Ermittlung der Fragen von allgemeiner Bedeutung und der Erreichung einer immer stärkeren Konvergenz des Handelns der Mitgliedstaaten beruht.
- Art. I-40 (1): Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist integraler Bestandteil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Sie sichert der Union die auf zivile und militärische Mittel gestützte Fähigkeit zu Operationen. Auf diese kann die Union bei Missionen außerhalb der Union zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit gemäß den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zurückgreifen. Sie erfüllt diese Aufgaben mit Hilfe der Fähigkeiten, die von den Mitgliedstaaten bereit gestellt werden.
- Art. I-40 (2, S. 1 u. 2): Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik umfasst die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik der Union. Diese führt zu einer gemeinsamen Verteidigung, sobald der Europäische Rat einstimmig darüber beschlossen hat.
- Art. I-42 (1, S. 1 u. 2): Die Union und ihre Mitgliedstaaten handeln gemeinsam im Geiste der Solidarität, wenn ein Mitgliedstaat von einem Terroranschlag oder einer Katastrophe natürlichen oder menschlichen Ursprungs betroffen ist. Die Union mobilisiert alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, einschließlich der ihr von den Mitgliedstaaten bereitgestellten militärischen Mittel, (…)
- Art. III-195 (1): Die Union erarbeitet und verwirklicht im Rahmen der Grundsätze und Ziele ihres auswärtigen Handelns eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die sich auf alle Bereiche der Außen- und Sicherheitspolitik erstreckt.
- Art. III-195 (3): Die Union verfolgt ihre Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, indem sie
- die allgemeinen Leitlinien bestimmt,
- Europäische Beschlüsse über i) Aktionen der Union, ii) Standpunkte der Union, iii) die Umsetzung der Aktionen und Standpunkte erlässt und
- die systematische Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Führung ihrer Politik ausbaut
Bemerkungen/Fragen
- Hehre friedenspolitische Ziele werden im Entwurf nicht in konkrete Verpflichtungen “übersetzt”.
- Die Bestimmungen zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) bzw. zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) sind ein zentrales Element, wenn nicht der Kern des vorliegenden Verfassungsentwurfs.
- Außenpolitische und militärpolitische Aspekte erscheinen nach Wortlaut und Kontext der einschlägigen Klauseln nahezu deckungsgleich; jedenfalls wird die EU sozusagen konstitutionell als Militärunion verankert.
- Nach den Vorstellungen des EU-Konvents soll die gemeinsame Militärpolitik sowohl Ausdruck wie Instrument der Integration der EU-Staaten werden.
- Die WEU, die nach dem EU-Vertrag “integraler Bestandteil der Entwicklung der Union” sein soll (Art. 17), findet demgegenüber im VE keine Erwähnung, besteht aber formal weiter.
- Es wird nicht näher ausgeführt, wie dieses Politikfeld in die Grenzen der Friedenssicherungsmechanismen der UN einzufügen ist. (s.u.)
- Noch weniger ist eine konstruktive “weltinnenpolitische” Perspektive erkennbar; “Sicherheit” und “Interessen der Union” stellen den (alleinigen) Orientierungshorizont dar.
- Dabei werden die “Interessen der Union” ohne Spezifikation und ohne Angabe, wer sie wie feststellt, als “harte Währung” unterstellt.
- Gegenüber den vermutlich divergierenden Interessen der beteiligten einzelstaatlichen Akteure soll dieser Orientierungshorizont anscheinend im Wege der EU-internen Vormachtbildung zur Geltung kommen. (s.u.)
- Trotz der Erwähnung “ziviler Mittel” bleiben gewaltfreie Mittel der Konfliktbearbeitung im gesamten Entwurf praktisch ausgeblendet; dagegen werden militärische Mittel voraussetzungslos als Option der GSVP aufgeführt und detailliert.
- Der Entwurf lässt nicht erkennen, ob und wie der neutrale / blockfreie Status von Mitgliedstaaten berücksichtigt werden soll.
Auszug aus dem VE
Militärpolitische »Vorreiter«
- Art. I-40 (6): Die Mitgliedstaaten, die anspruchsvollere Kriterien in Bezug auf die militärischen Fähigkeiten erfüllen und die im Hinblick auf Missionen mit höchsten Anforderungen untereinander festere Verpflichtungen eingegangen sind, begründen eine strukturierte Zusammenarbeit im Rahmen der Union. (…)
- Art. I-40 (7, S. 1 u. 2): Solange der Europäische Rat keinen Beschluss im Sinne des Absatzes 2 gefasst hat, wird im Rahmen der Union eine engere Zusammenarbeit im Bereich der gegenseitigen Verteidigung eingerichtet. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit leisten im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines an dieser Zusammenarbeit beteiligten Staates die anderen beteiligten Staaten gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen alle in ihrer Macht stehende militärische und sonstige Hilfe und Unterstützung.
- Art. I-43 (1): Die Mitgliedstaaten, die untereinander eine verstärkte Zusammenarbeit im Rahmen der nicht ausschließlichen Zuständigkeiten der Union begründen wollen, können in den Grenzen und nach den in diesem Artikel und den Artikeln III-322 bis III-329 vorgesehenen Modalitäten die Organe der Union in Anspruch nehmen und diese Zuständigkeiten unter Anwendung der einschlägigen Verfassungsbestimmungen ausüben. Eine verstärkte Zusammenarbeit ist darauf ausgerichtet, die Verwirklichung der Ziele der Union zu fördern, ihre Interessen zu schützen und ihren Integrationsprozess zu stärken. Sie steht bei ihrer Begründung und anschließend gemäß Artikel III-324 jederzeit allen Mitgliedstaaten offen.
- Art. I-43 (2): Die Ermächtigung zur Einleitung einer verstärkten Zusammenarbeit wird vom Ministerrat als letztes Mittel gewährt, wenn im Ministerrat festgestellt worden ist, dass die mit dieser Zusammenarbeit angestrebten Ziele von der Union insgesamt nicht innerhalb eines vertretbaren Zeitraums verwirklicht werden können, und sofern an der Zusammenarbeit mindestens ein Drittel der Mitgliedstaaten beteiligt ist. (…)
- Art. I-43 (3): Nur die Mitglieder des Ministerrates, welche die an der verstärkten Zusammenarbeit beteiligten Staaten vertreten, nehmen an der Annahme der Rechtsakte im Ministerrat teil. An den Beratungen des Ministerrates dürfen jedoch alle Mitgliedstaaten teilnehmen. Die Einstimmigkeit bezieht sich allein auf die Stimmen der Vertreter der an der verstärkten Zusammenarbeit beteiligten Staaten. Als qualifizierte Mehrheit gilt die Mehrheit der Stimmen der Vertreter der beteiligten Staaten, sofern diese mindestens drei Fünftel der Bevölkerung dieser Staaten repräsentiert. (…)
- Art. III-213 (1): Die im Protokoll [Titel] aufgeführten Mitgliedstaaten, die anspruchsvollere Kriterien in Bezug auf die militärischen Fähigkeiten erfüllen und die im Hinblick auf Missionen mit höchsten Anforderungen festere Verpflichtungen in diesem Bereich eingehen wollen, begründen eine strukturierte Zusammenarbeit im Sinne von Artikel I-40 Absatz 6. Das betreffende Protokoll enthält die von diesen Mitgliedstaaten festgelegten Kriterien und Zusagen hinsichtlich der militärischen Fähigkeiten.
- Art. III-213 (2): Sollte sich ein Mitgliedstaat unter Übernahme aller daraus für ihn entstehenden Pflichten zu einem späteren Zeitpunkt an dieser Zusammenarbeit beteiligen wollen, so setzt er den Europäischen Rat von seiner Absicht in Kenntnis. Der Ministerrat berät über den Antrag des entsprechenden Mitgliedstaats. An der Abstimmung nehmen nur die Mitglieder des Ministerrates teil, die an der strukturierten Zusammenarbeit beteiligte Mitgliedstaaten vertreten.
- Art. III-213 (3): Wenn der Ministerrat die Europäischen Beschlüsse über den Gegenstand der strukturierten Zusammenarbeit erlässt, nehmen nur die Mitglieder des Ministerrates, die an der strukturierten Zusammenarbeit beteiligte Mitgliedstaaten vertreten, an den Beratungen und an der Abstimmung über diese Beschlüsse teil. Der Außenminister der Union nimmt an den Beratungen teil. Die Vertreter der anderen Mitgliedstaaten werden ordnungsgemäß und in regelmäßigen Abständen vom Außenminister der Union über die Entwicklung der strukturierten Zusammenarbeit informiert.
- Art. III-214 (1): An der engeren Zusammenarbeit auf dem Gebiet der gegenseitigen Verteidigung gemäß Artikel I-40 Absatz 7 können sich alle Mitgliedstaaten der Union beteiligen. Ein Verzeichnis der an der engeren Zusammenarbeit beteiligten Mitgliedstaaten ist in der Erklärung [Titel] enthalten. Sollte sich ein Mitgliedstaat zu einem späteren Zeitpunkt unter Übernahme der dadurch für ihn entstehenden Pflichten beteiligen wollen, so setzt er den Europäischen Rat davon in Kenntnis und unterzeichnet die genannte Erklärung.
- Art. III-214 (2): Ein an dieser Zusammenarbeit beteiligter Mitgliedstaat, der einem bewaffneten Angriff auf sein Hoheitsgebiet ausgesetzt ist, setzt die anderen beteiligten Mitgliedstaaten von der Lage in Kenntnis und kann sie um Hilfe und Unterstützung ersuchen. Die beteiligten Mitgliedstaaten treten zu Beratungen auf Ministerebene zusammen, wobei sie von ihren jeweiligen Vertretern im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee sowie im Militärausschuss unterstützt werden.
- Art. III-325 (2): Im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik wird der Antrag der Mitgliedstaaten, die untereinander eine verstärkte Zusammenarbeit begründen möchten, an den Ministerrat gerichtet. Der Antrag wird dem Außenminister der Union, der zur Kohärenz der verstärkten Zusammenarbeit mit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Union Stellung nimmt, sowie der Kommission übermittelt, die insbesondere zur Kohärenz der beabsichtigten verstärkten Zusammenarbeit mit der Politik der Union in anderen Bereichen Stellung nimmt. Der Antrag wird ferner zur Unterrichtung dem Europäischen Parlament übermittelt. Die Ermächtigung zur Einleitung einer verstärkten Zusammenarbeit wird mit einem Europäischen Beschluss des Ministerrates erteilt.
- Art. III-326 (2): Jeder Mitgliedstaat, der sich an einer verstärkten Zusammenarbeit im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beteiligen möchte, teilt dem Ministerrat, dem Außenminister und der Kommission seine Absicht mit. Der Ministerrat bestätigt die Teilnahme des betreffenden Mitgliedstaats nach Anhörung des Außenministers der Union. Er stellt gegebenenfalls fest, dass etwaige Beteiligungsvoraussetzungen erfüllt sind. Der Ministerrat kann auf Vorschlag des Außenministers der Union ferner die für notwendig erachteten Übergangsmaßnahmen zur Anwendung der im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit bereits erlassenen Rechtsakte erlassen. Ist der Ministerrat jedoch der Auffassung, dass etwaige Beteiligungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind, gibt er an, welche Schritte zur Erfüllung dieser Voraussetzungen notwendig sind, und legt eine Frist für die erneute Prüfung des Antrags auf Beteiligung fest. Für die Zwecke dieses Absatzes beschließt der Ministerrat gemäß Artikel I-43 Absatz 3.
Bemerkungen/Fragen
- Im militärpolitischen Kontext kommt die “Kerneuropa”-Idee, wie sie u.a. J. Fischer in seiner Rede an der Humboldt-Universität (2000) skizziert hat, voll zur Geltung. Damit wird eine Hierarchisierung und Zentralisierung der EU parallel zur Erweiterung betrieben: Das militärpolitische “Avantgardeeuropa” (Fischer) wird die Führung übernehmen.
- Es ist nicht klar, ob die Ausdrücke “engere Zusaammenarbeit”, “verstärkte Zusammenarbeit” und “strukturierte Zusammenarbeit” dasselbe bedeuten. Da nach Art. I-43 (2) “Die Ermächtigung zur Einleitung einer verstärkten Zusammenarbeit … vom Ministerrat als letztes Mittel gewährt” wird und nach Art. I-43 (3) “Nur die Mitglieder des Ministerrates, welche die an der verstärkten Zusammenarbeit beteiligten Staaten vertreten, .. an der Annahme der Rechtsakte im Ministerrat teil”-nehmen sollen, muss es eine der formellen Zusammenarbeit vorausgehende Phase der informellen Zusammenarbeit geben, in der sich u.a. dieser “Kernministerrat” zusammenfindet., der über die formelle Zusammenarbeit befinden soll.
- Wie auch immer: Die Machteliten der großen Nationalstaaten können auf diese Weise sicher stellen, dass sich ihre Interessen - definiert als “Interessen der Union” - möglichst reibungsarm durchsetzen.
- Der “Kern” diktiert i.B. auch die Bedingungen, unter denen sich die restlichen Mitgliedstaaten am weiteren Ausbau der EU-Militärmacht beteiligen können.
- Anscheinend besteht im Falle eines bewaffneten Angriffs nur für die an der “strukturierten Zusammenarbeit” beteiligten Mitgliedstaaten eine Art Beistandsgarantie; nur in diesem Zusammenhang wird im Übrigen mit einem UN-Charta-konformem Verteidigungsbegriff operiert.
Auszug aus dem VE
Pflichten der Mitgliedstaaten
- Art. I-15 (2): Die Mitgliedstaaten unterstützen die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union aktiv und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität und achten die Rechtsakte der Union in diesem Bereich. Sie enthalten sich jeder Handlung, die den Interessen der Union zuwiderläuft oder ihrer Wirksamkeit schaden könnte.
- Art. I-40 (3, S. 1 bis 3): Die Mitgliedstaaten stellen der Union für die Umsetzung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zivile und militärische Fähigkeiten als Beitrag zur Verwirklichung der vom Ministerrat festgelegten Ziele zur Verfügung. Die Mitgliedstaaten, die untereinander multinationale Streitkräfte bilden, können diese auch für die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik zur Verfügung stellen.
- Art. III-195 (2): Die Mitgliedstaaten unterstützen die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik aktiv und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität. Die Mitgliedstaaten arbeiten zusammen, um ihre gegenseitige politische Solidarität zu stärken und weiterzuentwickeln. Sie enthalten sich jeder Handlung, die den Interessen der Union zuwiderläuft oder ihrer Wirksamkeit als kohärente Kraft in den internationalen Beziehungen schaden könnte. Der Ministerrat und der Außenminister der Union tragen für die Einhaltung dieser Grundsätze Sorge.
- Art. III-206 (2, S. 2 u. 4): Die Mitgliedstaaten, die auch Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen sind, stimmen sich ab und halten die übrigen Mitgliedstaaten sowie den Außenminister der Union in vollem Umfang auf dem Laufenden. (…) Wenn die Union einen Standpunkt zu einem Thema festgelegt hat, das auf der Tagesordnung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen steht, beantragen die dort vertretenen Mitgliedstaaten, dass der Außenminister der Union aufgefordert wird, den Standpunkt der Union vorzutragen.
Bemerkungen/Fragen
- Trotz der Exklusivität des “Kerns” sollen alle Mitgliedstaaten “aktiv und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität” ihren “Beitrag zur Verwirklichung der vom Ministerrat festgelegten Ziele” leisten.
- Andererseits haben die Verpflichtungen Allerweltscharakter und es scheint vor allem an zwischenstaatliche Zusammenarbeit bzw. an Zusammenarbeit zwischen Regierungen gedacht zu sein.
Auszug aus dem VE
Mit allen militärmachtpolitischen Mitteln - Aufrüstung von Verfassungs wegen
- Art. I-40 (3, S. 4): Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Es wird ein Europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten eingerichtet, dessen Aufgabe es ist, den operativen Bedarf zu ermitteln und Maßnahmen zur Bedarfsdeckung zu fördern, zur Ermittlung von Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Grundlage des Verteidigungssektors beizutragen und diese Maßnahmen gegebenenfalls durchzuführen, sich an der Festlegung einer europäischen Politik im Bereich Fähigkeiten und Rüstung zu beteiligen sowie den Ministerrat bei der Beurteilung der Verbesserung der militärischen Fähigkeiten zu unterstützen.
- Art. III-212 (1): Aufgabe des dem Ministerrat unterstellten Europäischen Amtes für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten ist es,
- bei der Ermittlung der Ziele im Bereich der militärischen Fähigkeiten der Mitgliedstaaten und der Bewertung der Erfüllung der von den Mitgliedstaaten in Bezug auf diese Fähigkeiten eingegangenen Verpflichtungen mitzuwirken;
- auf eine Harmonisierung des operativen Bedarfs sowie die Festlegung effizienter und kompatibler Beschaffungsverfahren hinzuwirken;
- multilaterale Projekte vorzuschlagen, durch die die Ziele im Bereich der militärischen Fähigkeiten erfüllt werden, und für die Koordinierung der von den Mitgliedstaaten durchgeführten Programme sowie die Verwaltung spezifischer Kooperationsprogramme zu sorgen;
- die Forschung auf dem Gebiet der Verteidigungstechnologie zu unterstützen, gemeinsame Forschungsaktivitäten sowie Studien zu technischen Lösungen, die dem künftigen operativen Bedarf gerecht werden, zu koordinieren und zu planen;
- dazu beizutragen, dass zweckdienliche Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis des Verteidigungssektors und für einen gezielteren Einsatz der Verteidigungsausgaben ermittelt werden, und diese Maßnahmen gegebenenfalls durchzuführen.
- Art. III-212 (2): Alle Mitgliedstaaten können auf Wunsch an der Arbeit des Amtes teilnehmen. Der Ministerrat erlässt mit qualifizierter Mehrheit einen Europäischen Beschluss, in dem die Rechtsstellung, der Sitz und die Funktionsweise des Amtes festgelegt werden. Dieser Beschluss trägt dem Umfang der effektiven Beteiligung an den Tätigkeiten des Amtes Rechnung. Innerhalb des Amtes werden spezielle Gruppen gebildet, in denen Mitgliedstaaten zusammen kommen, die gemeinsame Projekte durchführen. Das Amt versieht seine Aufgaben erforderlichenfalls in Verbindung mit der Kommission.
- Artikel III-342 (1): Die Verfassung steht folgenden Bestimmungen nicht entgegen:
- Ein Mitgliedstaat ist nicht verpflichtet, Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seines Erachtens seinen wesentlichen Sicherheitsinteressen widerspricht;
- jeder Mitgliedstaat kann die Bestimmungen erlassen, die seines Erachtens für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich sind, soweit sie die Herstellung von Waffen, Munition und Kriegsmaterial oder den Handel damit betreffen; diese Bestimmungen dürfen auf dem Binnenmarkt die Wettbewerbsbedingungen hinsichtlich der nicht eigens für militärische Zwecke bestimmten Waren nicht beeinträchtigen.
Bemerkungen/Fragen
- Rüstungspolitik gehört realpolitisch zum “normalen” Geschäft der meisten Staaten; die Dreistigkeit und reaktionäre Energie, Aufrüstungspolitik in Verfassungsrang zu erheben - und damit maximal gegenüber politischen Veränderungen abzuschotten -, haben bisher nur die Mitglieder des EU-Konvents aufgebracht.
- Für diese Aufrüstungspolitik soll - ebenfalls im Verfassungsrang - ein institutionelles Antriebssystem geschaffen werden: ein “Europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten”.
- Die “Verbesserung ” der militärischen Fähigkeiten auf kollektiver Ebene wird durch den Vorbehalt der Art. III-342 (1) relativiert.
Auszug aus dem VE
Nuklear-Streitkräfte eingeschlossen
- PROTOKOLL ZUR ÄNDERUNG DES EURATOM-VERTRAGS
DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN, UNTER HINWEIS DARAUF, dass die Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft weiterhin volle rechtliche Wirkung entfalten müssen, IN DEM WUNSCH, diesen Vertrag an die neuen im Vertrag über eine Verfassung für Europa festgelegten Vorschriften, insbesondere in den Bereichen Organe und Finanzen, anzupassen, HABEN die folgenden Bestimmungen ERLASSEN, die dem Vertrag über eine Verfassung für Europa beigefügt sind und durch die der Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft wie folgt geändert wird: (…)
Bemerkungen/Fragen
- Wichtige politische und militärische EU-Repräsentanten haben seit Beginn der 1990er Jahre die Weichen in Richtung einer gesamteuropäischen Nuklearmacht gestellt.
- Durch Integration der EURATOM-Vertrags in die Verfassung können diese militärischen Ambitionen weiter hinter der zivilen (“friedlichen”) Nutzung der Atomengergie versteckt werden.
Auszug aus dem VE
Wohin soll marschiert werden? - Interventionen weltweit
- Art. III-210 (1): Die in Artikel I-40 Absatz 1 vorgesehenen Missionen, bei deren Durchführung die Union auf zivile und militärische Mittel zurückgreifen kann, umfassen gemeinsame Abrüstungsmaßnahmen, humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, Aufgaben der militärischen Beratung und Unterstützung, Aufgaben der Konfliktverhütung und der Erhaltung des Friedens sowie Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewältigung einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen und Operationen zur Stabilisierung der Lage nach Konflikten. Mit allen diesen Missionen kann zur Bekämpfung des Terrorismus beigetragen werden, unter anderem auch durch die Unterstützung für Drittstaaten bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet.
Bemerkungen/Fragen
- Bereitschaft zu exterritorialen Militäreinsätzen wird zur verfassungsmäßigen Pflicht erhoben.
- Für diese EU-Militäreinsätze soll es offensichtlich keinerlei geographische Begrenzung geben.
- Ziel und Zweck der “gemeinsame Abrüstungsmaßnahmen” umfassenden “Missionen” scheint einzig die Durchsetzung der Abrüstung anderer Akteure zu sein.
- Welche Krisen durch Kampfeinsätze “bewältigt ” werden sollten, bleibt unbestimmt.
- Die “Unterstützung für Drittstaaten” unter dem Vorwand der “Bekämpfung des Terrorismus” ermöglicht weltweite Aufstandsbekämpfung (wobei “Freiheitskämpfer” und “Terroristen” nach Interessenlage bestimmt werden).
Auszug aus dem VE
Einsätze im Innern
- Art. I-40 (5): Der Ministerrat kann zur Wahrung der Werte der Union und im Dienste ihrer Interessen eine Gruppe von Mitgliedstaaten mit der Durchführung einer Mission im Rahmen der Union beauftragen. Diese Mission wird nach Maßgabe von Artikel III-211 durchgeführt.
- Art. I-42 (1): Die Union und ihre Mitgliedstaaten handeln gemeinsam im Geiste der Solidarität, wenn ein Mitgliedstaat von einem Terroranschlag oder einer Katastrophe natürlichen oder menschlichen Ursprungs betroffen ist. Die Union mobilisiert alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, einschließlich der ihr von den Mitgliedstaaten bereitgestellten militärischen Mittel, um
- terroristische Bedrohungen im Hoheitsgebiet von Mitgliedstaaten abzuwenden; die demokratischen Institutionen und die Zivilbevölkerung vor etwaigen Terroranschlägen zu schützen; im Falle eines Terroranschlags einen Mitgliedstaat auf Ersuchen seiner politischen Organe innerhalb seines Hoheitsgebiets zu unterstützen;
- im Falle einer Katastrophe einen Mitgliedstaat auf Ersuchen seiner politischen Organe innerhalb seines Hoheitsgebiets zu unterstützen.
Bemerkungen/Fragen
- Minderheitenproblemen multi-ethnischer europäischer Staaten sollen künftig anscheinend (auch) mit militärischer Gewalt “geregelt” werden.
- Alle politischen Bewegungen, die die allerhöchsten “Werte der Union und… ihre Interessen” in Frage stellen, erhalten einen deutlichen Wink mit dem Militärknüppel.
Auszug aus dem VE
Wer bläst den Marsch? - Europäischer Rat und Ministerrat
- Art. I-39 (2): Der Europäische Rat bestimmt die strategischen Interessen der Union und legt die Ziele ihrer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik fest. Der Ministerrat gestaltet diese Politik im Rahmen der vom Europäischen Rat festgelegten strategischen Leitlinien nach Maßgabe von Teil III.
- Art. I-39 (3): Der Europäische Rat und der Ministerrat erlassen die erforderlichen Europäischen Beschlüsse.
- Art. I-39 (5): Die Mitgliedstaaten stimmen einander im Europäischen Rat und im Ministerrat zu jeder außen- und sicherheitspolitischen Frage von allgemeiner Bedeutung ab, um ein gemeinsames Vorgehen festzulegen. Bevor ein Mitgliedstaat in einer Weise, die die Interessen der Union berühren könnte, auf internationaler Ebene tätig wird oder eine Verpflichtung eingeht, konsultiert er die anderen Mitgliedstaaten im Europäischen Rat oder im Ministerrat. Die Mitgliedstaaten gewährleisten durch konvergentes Handeln, dass die Union ihre Interessen und Werte auf internationaler Ebene geltend machen kann. Die Mitgliedstaaten sind untereinander solidarisch.
- Art. I-39 (7): Im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik erlassen der Europäische Rat und der Ministerrat außer in den in Teil III vorgesehenen Fällen Europäische Beschlüsse einstimmig. Sie beschließen auf Vorschlag eines Mitgliedstaates, des Außenministers der Union oder des Außenministers mit Unterstützung der Kommission. Europäische Gesetze und Rahmengesetze sind ausgeschlossen.
- Art. I-39 (8): Der Europäische Rat kann einstimmig beschließen, dass der Ministerrat in anderen als den in Teil III genannten Fällen mit qualifizierter Mehrheit beschließt.
- Art. I-40 (4): Europäische Beschlüsse zur Durchführung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, einschließlich der Beschlüsse über die Einleitung einer Mission nach diesem Artikel, werden vom Ministerrat einstimmig auf Vorschlag des Außenministers der Union oder eines Mitgliedstaates erlassen. Der Außenminister der Union kann gegebenenfalls gemeinsam mit der Kommission den Rückgriff auf einzelstaatliche Mittel sowie auf Instrumente der Union vorschlagen.
- Artikel III-196 (1): Der Europäische Rat bestimmt die allgemeinen Leitlinien der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, und zwar auch bei Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen. Wenn eine internationale Entwicklung es erfordert, beruft der Präsident des Europäischen Rates eine außerordentliche Tagung des Europäischen Rates ein, um die strategischen Vorgaben für die Politik der Union angesichts dieser Entwicklung festzulegen.
- Artikel III-196 (2): Der Ministerrat erlässt die für die Festlegung und Durchführung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik erforderlichen Europäischen Beschlüsse auf der Grundlage der vom Europäischen Rat festgelegten allgemeinen Leitlinien und strategischen Vorgaben.
- Art. III-198 (1): Verlangt eine internationale Situation ein operatives Vorgehen der Union, so erlässt der Ministerrat die erforderlichen Europäischen Beschlüsse. In diesen Beschlüssen werden die Ziele, der Umfang, die der Union zur Verfügung zu stellenden Mittel sowie die Bedingungen und erforderlichenfalls der Zeitraum für die Durchführung der Aktion festgelegt. Tritt eine Änderung der Umstände mit erheblichen Auswirkungen auf eine Frage ein, die Gegenstand eines solchen Europäischen Beschlusses ist, so überprüft der Ministerrat die Grundsätze und Ziele dieser Aktion und erlässt die erforderlichen Europäischen Beschlüsse. Solange der Ministerrat nicht entschieden hat, bleibt der Europäische Beschluss über die Aktion der Union bestehen.
- Art. III-198 (2): Diese Europäischen Beschlüsse sind für die Mitgliedstaaten bei ihren Stellungnahmen und ihrem Vorgehen bindend.
- Art. III-198 (3): Jede einzelstaatliche Stellungnahme oder Maßnahme, die im Rahmen eines Europäischen Beschlusses nach Absatz 1 geplant ist, wird so rechtzeitig mitgeteilt, dass erforderlichenfalls eine vorherige Abstimmung im Ministerrat stattfinden kann. Die Pflicht zur vorherigen Unterrichtung gilt nicht für Bestimmungen, die eine bloße Umsetzung der Europäischen Beschlüsse auf einzelstaatlicher Ebene darstellen.
- Art. III-198 (4): Bei zwingender Notwendigkeit aufgrund der Entwicklung der Lage können die Mitgliedstaaten mangels eines neuen Europäischen Beschlusses unter Berücksichtigung der allgemeinen Ziele des in Absatz 1 genannten Europäischen Beschlusses die erforderlichen Sofortmaßnahmen ergreifen. Der Mitgliedstaat, der solche Maßnahmen ergreift, unterrichtet den Ministerrat unverzüglich davon.
- Artikel III-208: Unbeschadet des Artikels III-247 verfolgt ein Politisches und Sicherheitspolitisches Komitee die internationale Lage in den Bereichen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und trägt auf Ersuchen des Ministerrates, des Außenministers der Union oder von sich aus durch an den Ministerrat gerichtete Stellungnahmen zur Festlegung der Politik bei. Ferner überwacht es die Durchführung der vereinbarten Politik; dies gilt unbeschadet der Zuständigkeiten des Außenministers der Union. Im Rahmen dieses Kapitels nimmt das Komitee unter der Verantwortung des Ministerrates und des Außenministers der Union die politische Kontrolle und strategische Leitung von Krisenbewältigungsoperationen im Sinne des Artikels III-210 wahr. Der Ministerrat kann das Komitee für den Zweck und die Dauer einer Krisenbewältigungsoperation, die vom Ministerrat festgelegt werden, ermächtigen, geeignete Maßnahmen hinsichtlich der politischen Kontrolle und strategischen Leitung der Operation zu erlassen.
- Art. III-210 (2, S. 1): Der Ministerrat erlässt die Europäischen Beschlüsse über Missionen im Sinne des Absatzes 1 einstimmig; in den Beschlüssen sind Ziel und Umfang der Missionen sowie die für sie geltenden allgemeinen Durchführungsbestimmungen festgelegt.
- Art. III-211 (1): Im Rahmen der nach Artikel III-210 erlassenen Europäischen Beschlüsse kann der Ministerrat die Durchführung einer Mission einer Gruppe von Mitgliedstaaten übertragen, die über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen und sich an dieser Mission beteiligen wollen. Die betreffenden Mitgliedstaaten vereinbaren im Benehmen mit dem Außenminister der Union untereinander die Ausführung der Mission.
- Art. III-211 (2): Der Ministerrat wird von den an der Durchführung der Mission beteiligten Mitgliedstaaten regelmäßig über den Stand der Mission unterrichtet. Er wird von diesen Mitgliedstaaten sofort befasst, wenn sich aus der Durchführung der Mission neue weit reichende Konsequenzen ergeben oder das vom Ministerrat nach Artikel III-210 festgelegte Ziel der Mission, ihr Umfang oder ihre Modalitäten geändert werden müssen. Der Ministerrat erlässt in diesen Fällen die erforderlichen Europäischen Beschlüsse.
- Art. III-213 (4): Der Ministerrat kann die an der strukturierten Zusammenarbeit beteiligten Mitgliedstaaten mit der Durchführung einer Mission nach Artikel III-210 im Rahmen der Union betrauen.
Bemerkungen/Fragen
- Die Entscheidungsgewalt in Sachen EU-Militärpolitik liegt allein beim Ministerrat und beim Europäischen Rat; das gilt für die Grundlinien wie für konkrete Situationen und Maßnahmen; die Mitgliedstaaten sind also i.W. Vollzugsorgane des Ministerrats.
- In den Art. I-40 (4), III-198 (1) und III-210 (2) bleibt unklar, ob die “Europäische(n) Beschlüsse zur Durchführung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, einschließlich der Beschlüsse über die Einleitung einer Mission” im Ministerrat einstimmig unter Einschluss oder unter Ausschluss der an der “strukturierten Zusammenarbeit” nicht beteiligten Mitgliedstaaten gefällt werden sollen.
- Ebenso ist unklar, nach welchen Modalitäten der Europäische Rat gemäß Art. III-196 (1) “die strategischen Vorgaben für die Politik der Union angesichts dieser Etnwicklung” festlegen soll.
- Diese Unklarheiten sind um so gravierender, als der Ministerrat die “Kerneuropäer” “mit der Durchführung einer Mission… im Rahmen der Union betrauen” können soll.
- Für die militärische Kommandostruktur gibt es keine Regelung im VE; die durch den Vertrag von Nizza geschaffenen Institutionen Militärausschuss und Militärstab werden nicht verfassungsrechtlich verankert. Das ebenfalls in Nizza kreierte “Politische und Sicherheitspolitische Komitee” soll unter der Verantwortung des Ministerrats die “Krisenbewältigungsoperationen” politisch und strategisch überwachen.
Auszug aus dem VE
Außenminister
- Art. I-27 (1): Der Europäische Rat ernennt mit qualifizierter Mehrheit mit Zustimmung des Präsidenten der Kommission den Außenminister der Union. Dieser leitet die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union. Der Europäische Rat kann das Mandat des Außenministers nach dem gleichen Verfahren beenden.
- Art. I-27 (2): Der Außenminister der Union trägt durch seine Vorschläge zur Festlegung der gemeinsamen Außenpolitik bei und führt sie im Auftrag des Ministerrates durch. Er handelt ebenso im Bereich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
- Art. I-39 (4): Diese Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik wird vom Außenminister der Union und von den Mitgliedstaaten mit den einzelstaatlichen Mitteln und denen der Union durchgeführt.
- Art. III-210 (2, S. 2): Der Außenminister der Union sorgt unter Aufsicht des Ministerrates und in engem und ständigem Benehmen mit dem Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee für die Koordinierung der zivilen und militärischen Aspekte dieser Missionen.
Bemerkungen/Fragen
- Auch die Zuständigkeit des Außenministers der Union für GASP und GSVP lässt die enge Verzahnung beider Politikbereiche erkennen - und damit die avisierte Militarisierung der Außenpolitik.
Auszug aus dem VE
Europäisches Parlament
- Art. I-39 (6): Das Europäische Parlament wird zu den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden Weichenstellungen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik regelmäßig gehört und über ihre Entwicklung auf dem Laufenden gehalten.
- Art. I-40 (8): Das Europäische Parlament wird zu den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden Weichenstellungen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik regelmäßig gehört und über ihre Entwicklung auf dem Laufenden gehalten.
- Art. III-205 (1): Der Außenminister der Union hört das Europäische Parlament zu den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden Weichenstellungen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspoitik, einschließlich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, und achtet darauf, dass die Auffassungen des Europäischen Parlaments gebührend berücksichtigt werden. Das Europäische Parlament wird vom Außenminister der Union regelmäßig über die Entwicklung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Union, einschließlich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, unterrichtet. Die Sonderbeauftragten können zur Unterrichtung des Europäischen Parlaments mit herangezogen werden.
- Art. III-205 (2): Das Europäische Parlament kann Anfragen oder Empfehlungen an den Ministerrat und den Außenminister der Union richten. Zweimal jährlich führt es eine Aussprache über die Fortschritte bei der Durchführung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, einschließlich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Bemerkungen/Fragen
- Das Europäische Parlament soll weder an den “grundlegenden Weichenstellungen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik” noch an der konkreten Beschlussfassung in entscheidender Weise beteiligt sein; Anbörungs- und Informationspflicht der Exekutivorgane beinhalten kein Beschlussrecht der Legislative.
- Selbst bei dieser minimalen demokratischen Partizipation ist das Parlament auf die Gnade des Außenministers angewiesen.
- Im Lichte dieser Bestimmungen erscheint die Erarbeitung eines “Entsendegesetzes” für die Bw (nach SPD-Entwurf nur noch bewaffnete Einsätze zustimmungspflichtig, Verlängerungen autoamtisch) als Vorbereitung auf die sich hier abzeichnende militärpolitische Parlamentsentmächtigung.
- Durch effektive Nichtbefassung der Parlamentarier mit der Militärpolitik der Union wird auch die Öffentlichkeit davon ausgeschlossen.
Auszug aus dem VE
Wo stehen die “Noten”? - UN und internationale Organisationen
- Art. I-3 (4, S. 2): Sie [Die Union - AF] trägt bei zu Frieden, Sicherheit, nachhaltiger Entwicklung der Erde, Solidarität und gegenseitiger Achtung unter den Völkern, …, sowie zur strikten Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts, insbesondere zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen.
- Art. I-40 (1, S. 2): Auf diese [auf zivile und militärische Mittel gestützte Fähigkeit zu Operationen - AF] kann die Union bei Missionen außerhalb der Union zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit gemäß den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zurückgreifen.
- Art. I-40 (7, S. 2): Im Rahmen dieser [der sog. strukturierten - AF] Zusammenarbeit leisten im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines an dieser Zusammenarbeit beteiligten Staates die anderen beteiligten Staaten gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen alle in ihrer Macht stehende militärische und sonstige Hilfe und Unterstützung.
- Art. III-193 (1): Die Union stützt sich bei ihrem Handeln auf internationaler Ebene auf die Grundsätze, welche die Grundlage für ihre eigene Entstehung, Entwicklung und Erweiterung bildeten und denen sie durch ihr Handeln auch weltweit zu stärkerer Geltung verhelfen will: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die universelle Gültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Achtung der Menschenwürde, der Grundsatz der Gleichheit und der Grundsatz der Solidarität sowie die Achtung des Völkerrechts gemäß den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen. Die Union strebt an, die Beziehungen zu Drittländern und zu regionalen oder weltweiten internationalen Organisationen, die diese Werte teilen, auszubauen und Partnerschaften mit ihnen aufzubauen. Sie setzt sich insbesondere im Rahmen der Vereinten Nationen für multilaterale Lösungen bei gemeinsamen Problemen ein.
- Art. III-193 (2): Die Union legt die gemeinsame Politik sowie Maßnahmen fest und führt diese durch und setzt sich für ein hohes Maß an Zusammenarbeit auf allen Gebieten der internationalen Beziehungen ein, um
- die Werte, die grundlegenden Interessen, die Sicherheit, die Unabhängigkeit und die Unversehrtheit der Union zu gewährleisten;
- Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die Menschenrechte und die Grundsätze des Völkerrechts zu festigen und zu fördern;
- gemäß den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen den Frieden zu erhalten, Konflikte zu verhüten und die internationale Sicherheit zu stärken;
- die nachhaltige Entwicklung in Bezug auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt in den Entwicklungsländern zu fördern mit dem vorrangigen Ziel, die Armut zu beseitigen;
- die Integration aller Länder in die Weltwirtschaft zu fördern, unter anderem auch durch den allmählichen Abbau von Beschränkungen des internationalen Handels;
- zur Entwicklung von internationalen Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der Qualität der Umwelt und der nachhaltigen Bewirtschaftung der weltweiten natürlichen Ressourcen beizutragen, um eine nachhaltige Entwicklung sicherzustellen;
- den Völkern, Ländern und Regionen, die von Naturkatastrophen oder von Menschen verursachten Katastrophen betroffen sind, zu helfen; und
- eine Weltordnung zu fördern, die auf einer verstärkten multilateralen Zusammenarbeit und einer verantwortungsvollen Weltordnungspolitik beruht.
- Art. III-193 (3): Die Union wahrt bei der Ausarbeitung und Umsetzung ihres auswärtigen Handelns in den verschiedenen unter diesen Titel fallenden Bereichen sowie der externen Aspekte der übrigen Politikbereiche die in den Absätzen 1 und 2 aufgeführten Grundsätze und Ziele. Die Union achtet auf die Kohärenz zwischen den einzelnen Bereichen ihres auswärtigen Handelns sowie zwischen diesen und ihren übrigen Politikbereichen. Der Ministerrat und die Kommission, die vom Außenminister der Union unterstützt werden, stellen diese Kohärenz sicher und arbeiten zu diesem Zweck zusammen.
- Art. III-206 (2, S. 3): Die Mitgliedstaaten, die Mitglieder des Sicherheitsrats sind, setzen sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unbeschadet ihrer Verantwortung aufgrund der Charta der Vereinten Nationen für die Standpunkte und Interessen der Union ein.
Bemerkungen/Fragen
- Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung erscheint die Absicht, zur “Weiterentwicklung des Völkerrechts” beitragen zu wollen, höchst ambivalent.
- Der Entwurf kennt keine Festlegung auf eine Mandatierung (von EU-Militäreinsätzen) durch die UN oder ein regionales System kollektiver Sicherheit, sondern nur eine Orientierung an den “Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen”.
- Wird demnach das Gewaltverbot von Art. 2 Ziff. 4 ChVN nur allgemein und “grundsätzlich” anerkannt? Wie mit den “Grundsätzen” der ChVN umgegangen werden kann, hat jedenfalls die NATO im Kosovo-Krieg vorexerziert.
- Haben im Konfliktfall “die Standpunkte und Interessen der Union” Vorrang vor der internationalen Verantwortung der SR-Mitglieder?
Auszug aus dem VE
NATO-Vertrag
- Art. I-40 (2, S. 4): Die Politik der Union nach diesem Artikel berührt nicht den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten; sie achtet die Verpflichtungen bestimmter Mitgliedstaaten, die ihre gemeinsame Verteidigung in der Nordatlantikvertrags-Organisation verwirklicht sehen, aufgrund des Nordatlantikvertrages und ist vereinbar mit der in jenem Rahmen festgelegten gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
- Art. I-40 (7, S. 3): Bei der Umsetzung der engeren Zusammenarbeit im Bereich der gegenseitigen Verteidigung arbeiten die beteiligten Staaten eng mit der Nordatlantikvertrags-Organisation zusammen.
Bemerkungen/Fragen
- Damit wird das Strategische Konzept der NATO vom April 1999 implizit anerkannt.
- Statt die Rückführung (der NATO) auf die Kernaufgaben eines Verteidigungsbündnisses zu fordern, orientiert man sich an diesem Konzept
Auszug aus dem VE
Verfassung der Mitgliedstaaten
- Art. I-40 (2, S. 3): Er [der Europäische Rat - AF] empfiehlt in diesem Fall [der schrittweisen Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik der Union - AF] den Mitgliedstaaten, gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften einen Beschluss zu diesem Zweck zu erlassen.
- Art. II-10 (2): Das Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen wird nach den einzelstaatlichen Gesetzen anerkannt, welche die Ausübung dieses Rechts regeln.
Bemerkungen/Fragen
- Eine Ratifizierung der EU-Verfassung läuft auf eine grundlegende Verfasssungsänderung hinaus - im Falle der BRD i.B. betr. Art. 87a (1 u. 2) und Art. 26 (1) GG und müsste gemäß Art. 79 GG mit 2/3 Mehrheit von Bundestag und Bundesrat erfolgen.
- Da EU-Recht immer deutsches Recht bricht, sind dann die neuen Regelungen im Militärbereich den grundgesetzlichen Regelungen übergeordnet.
- Keine situationsbedingte KDV für Zeit- und Berunfssoldaten, unabhängig von der einzelstaatlichen Wehrverfassung
Quelle:
http://european-convention.eu.int
[12.12.03]
Literatur:
- Komitee für Grundrechte und Demokratie (Hrsg.) (2004).
EU-Militarisierung zerstört die “Zivilmacht Europa”. Köln: Herausgeber.
- Pflüger, Tobias (2003)
Eine Militärverfassung für die Europäische Union oder Auch die EU ist auf Kriegskurs. IMI-Analyse 2003/036. Verfügbar unter:
http://www.imi-online.de
[12.12.03]
- Schirmer, Gregor (2004)
Militarisierung der Europäischen Union. Textanalyse der außen- und sicherheitspolitischen Bestimmungen im EU-Verfassungsentwurf. Kassel: Friedensratschlag. Verfügbar unter:
http://uni-kassel.de/fb10/frieden
[29.01.04]
- Schroedter, Elisabeth (1999)
Die Militarisierung der EU ami, 29 (11). Verfügbar unter:
http://userpage.fu-berlin.de/~ami/ausgaben/1999/11-99_5.htm
[23.03.04]
- Singe, Martin (2003)
Die Militarisierung der Europäischen Union Friedens-Forum, 16 (5-6), 31-34.
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