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Abgemahnt - Britisches Referendum zur EU-Verfassung löst deutsche Drohgebärden aus

Die Ankündigung eines britischen Referendums zur EU-Verfassung löst bei deutschen Politikern Drohgebärden aus. Der Verfassungsentwurf 1 wird in Großbritannien mehrheitlich abgelehnt und wegen seiner überstaatlichen Anmaßungen scharf kritisiert. Angesichts eines möglichen Votums gegen den Entwurf kündigen führende Repräsentanten der deutschen Parteien London Konsequenzen an. Großbritannien müsse die maßgeblich von Berlin erarbeitete Verfassung akzpetieren oder werde entlassen. “Ein Nein zur Verfassung”, so Klaus Hänsch (SPD), “bedeutet den Austritt aus der EU.

Unter dem Druck von Teilen seiner eigenen Partei, führender konservativer Kreise und fast 80 Prozent der britischen Wähler hat der Londoner Premierminister eingeräumt, man werde ein Referendum abhalten, um über den vorliegenden Verfassungstext zu entscheiden. Diese demokratische Prozedur wurde in Deutschland mehrfach erwogen, aber von der politischen Elite stets abgelehnt. Auch die deutschen Umfragen weisen eine EU-kritische Majorität aus, die sich von der Berliner Europapolitik keine Vorteile verspricht. Entsprechend gereizt reagieren die deutschen Parteien- und Wirtschaftskreise, sobald sie ihre kontinentale Hegemonialstrategie durch Mehrheitsentscheidungen in Gefahr sehen.

“Unkoordiniert”

Mehrere Staaten haben ein Referendum angekündigt (neben Großbritannien auch Dänemark, Irland und Luxemburg), andere erwägen eine Befragung der Bevölkerung (Niederlande, Polen, Italien, Spanien und Portugal). Die außenpolitischen Beraterstäbe der deutschen Regierung arbeiten seit geraumer Zeit an Plänen, mit denen die Folgen einer eventuellen Zurückweisung der von Berlin gewünschten Verfassung aufgefangen oder abgemildert werden könnten. Eine “unkoordinierte Durchführung von Referenden”, warnt die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), könne dazu führen, dass “einige wenige Staaten” den Verfassungsvertrag nicht ratifizierten. In ihrer jetzigen Form kann die Verfassung nur nach Zustimmung aller Mitgliedsstaaten in Kraft treten.

Weitsichtig

Bereits im November hat die SWP vorgeschlagen, “Staaten (…), deren Bürgergesellschaften ihre Zustimmung zum Verfassungsvertrag verwehren”, zum “Austritt” aus der EU oder zur ?Aushandlung eines Sondermitgliedschaftsstatus” zu bewegen. Dies drohen führende deutsche Europapolitiker nun Großbritannien an. Hans-Gert Pöttering (CDU), Vorsitzender der EVP-ED-Fraktion im Europäischen Parlament, verlangt einen neuen Verfassungsparagraphen, der Staaten, die die Verfassung ablehnen, zum Austritt aus der EU zwingt. Klaus Hänsch (SPD) hat London bereits abgemahnt und hält eine EU-Verkleinerung für “nicht ausgeschlossen”.

Vor dem Hintergrund der Berliner Drohungen und der in Großbritannien erwarteten Abstimmungsschlacht, die sich vor allem in den Print- und TV-Medien abspielen wird, scheint die deutsche Entscheidung zum Kauf einer der größten englischen Tageszeitungen nicht ohne Weitsicht gefallen.

Quellen:

  • Ratifikation durch Referendum? Europas Verfassung nach der Regierungskonferenz; Diskussionspapier der Stiftung Wissenschaft und Politik November 2003
  • Blair: Laßt das Volk das letzte Wort haben; Frankfurter Allgemeine Zeitung 21.04.2004

Anmerkung:

1 Wortlaut des Entwurfs eines Vertrags über eine Verfassung für Europa , der dem Präsidenten des Europäischen Rates am 18. Juli 2003 in Rom überreicht wurde (ausführliche Langfassung - pdf-Datei)

Quelle: Informationen zur Deutschen Außenpolitik vom 22.04.2004

Veröffentlicht am

22. April 2004

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