Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS
 

IRAK: amnesty international fordert systematische Untersuchung sämtlicher Vorwürfe von Folter und Misshandlung

Die schockierenden Fotos von gefolterten und misshandelten Häftlingen aus dem Abu-Ghraib-Gefängnis sind für amnesty keine bedauerlichen Einzelfälle. ai erhielt wiederholt Berichte von Folterungen und Misshandlungen durch die Koalitionsstreitkräfte. Die Menschenrechtsorganisation fordert dringend gründliche und unparteiische Untersuchungen aller Vorwürfe von Folter und Misshandlungen im Irak.

Bereits im Juli 2003 wies ai in einem umfassenden Memorandum auf unerträgliche Haftbedingungen im Irak hin. Im März 2004 erneuert die Menschenrechtsorganisation ihre Vorwürfe in dem Bericht ‘Iraq: One year on the human rights situation remains dire’ (Irak - ein Jahr danach: Die Menschenrechtssituation ist noch immer unbefriedigend) und fordert dringend unabhängige Untersuchungen der zahlreichen Berichte über Folterungen und Misshandlungen durch die Besatzungstruppen.

Zahlreiche Berichte über Folter und Misshandlung

Abdallah Khudhran al-Shamran, ein saudiarabischer Staatsbürger, wurde Anfang April 2003 von alliierten Besatzungstruppen festgenommen, als er von Syrien nach Bagdad reiste. Shamran berichtete, Soldaten hätten ihn geschlagen und mit Elektroschocks gefoltert, er sei an den Füßen aufgehängt und vier Tage gehindert worden zu schlafen. Danach wurde er in ein Krankenhaus in Um Qasr gebracht. Dort wurde er verhört, man nahm ihm Geld und Pass ab und ließ ihn frei. Kurz darauf wurde er erneut festgenommen und in ein anderes Krankenhaus gebracht, wo er eigenen Angaben zufolge wiederum verhört und gefoltert wurde: Nach seiner Aussage wurde er diesmal lange Zeit der prallen Sonne ausgesetzt, dann in einen Container gesperrt und mit den Hinrichtung bedroht.

Solche Berichte über Folter und Misshandlungen durch Angehörige der Besatzungstruppen erreichten ai im letzten Jahr immer wieder. In den ersten Wochen des Krieges bzw. der Besatzung wurden Gefangene trotz extremer Hitze in Zelten ohne ausreichend Trinkwasser und ohne geeignete sanitäre Anlagen festgehalten; man zwang sie, offene Gräben als Toiletten zu benutzen, sie konnten ihre Kleidung nicht wechseln, erhielten weder Bücher noch Zeitungen oder Schreibutensilien.

ai erhielt auch immer wieder Berichte, dass Gefangene insbesondere in den ersten 24 Stunden ihrer Haft routinemäßig grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen werden. Handschellen aus Plastik, die von US-Truppen verwendet werden, fügten den Häftlingen unnötige Schmerzen zu. Ehemalige Häftlinge berichteten darüber, dass sie gezwungen wurden, sich bäuchlings auf den Boden zu legen und man sie mit Handschellen fesselte. Man stülpte ihnen Kapuzen über den Kopf, verband ihnen die Augen, verweigerte ihnen Nahrung, Wasser und den Gang zur Toilette.

Zahlreiche Häftlinge sagten gegenüber ai, dass sie von britischen oder amerikanischen Soldaten während eines Verhörs gefoltert und misshandelt wurden. Zu den gebräuchlichsten Foltermethoden gehörten demnach lang anhaltender Schlafentzug, Schläge und erzwungenes Ausharren in schmerzvollen Positionen. Die Gefangenen wurden lauter Musik oder grellem Licht ausgesetzt und mussten über längere Zeiträume hinweg Kapuzen tragen.

Auch der “Geheimdienst” im Südirak foltert

Berichten zufolge wurde vor Monaten ein so genannter “Geheimdienst” im Irak gegründet, der offenbar von der Organisation Badr kontrolliert wird. Sie ist der bewaffnete Arm der größten politischen Gruppierung der Schiiten, des Hohen Rates für die Islamischen Revolution im Irak. Mehrere Personen wurden Angaben zufolge in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt gehalten und in der “Geheimdienstzentrale” in Basra gefoltert. Zu den Foltermethoden gehören das Auspeitschen und Schläge mit einer plastikummantelten Eisenstange auf den Rücken.

Die britischen Militärbehörden in Basra wissen Berichten zufolge von den Anschuldigungen, wonach Gefangene von Angehörigen des Geheimdienstes gefoltert werden, haben jedoch bisher keine Maßnahmen ergriffen, um die Anwendung von Folter zu unterbinden.


Gemäß Artikel 4 der IV. Genfer Konvention zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten sind die Provisorischen Koalitionsbehörden ebenso wie die Besatzungsmächte dazu verpflichtet, die Rechte von Zivilisten in besetzten Gebieten zu respektieren. Nach Artikel 71 und 76 der Genfer Konvention haben Gefangene das Recht auf Kontakt zur Außenwelt, den Schutz vor Folter und den Kontakt zu Vertretern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK).


Mindestens vier Menschen starben in britischer Haft

Mindestens vier Menschen starben bislang in Basra in britischer Haft. In mindestens einem dieser Fälle war die Todesursache vermutlich Folter: Baha’Dawud al-Maliki, Mitarbeiter des Ibn-al-Haytham-Hotels in Basra, wurde am 14. September 2003 mit sieben weiteren Irakern festgenommen, nachdem im Hotel Waffen gefunden worden waren. Die Männer wurden zum Verhör auf einen britischen Armeestützpunkt gebracht, wo al-Maliki drei Tage später starb. Berichten zufolge wies sein Leichnam schwere Prellungen auf und war blutverschmiert. Ein weiterer Gefangener musste ins Krankenhaus eingeliefert und wegen Nierenversagen und schwerer Prellungen der oberen Bauchpartie und der rechten Brusthälfte behandelt werden.

Im Februar 2004 gab ein ehemaliger US-Marine-Offizier anlässlich der Untersuchung des Todes von Najem Sa’doun Hattab im Juni 2003 im Haftzentrum Camp Whitehorse zu Protokoll, dass es allgemein üblich gewesen sei, Gefangene die nicht kooperierten, zu treten und zu schlagen. Man hatte dem Marine-Offizier im Gegenzug für seine Aussage Straffreiheit zugesichert. Najem Sa’doun Hattab, ein Mitglied der früheren Baath-Partei, war im Juni 2003 gestorben, nachdem er von einem US-Marine-Reservisten geschlagen und gewürgt worden war.

Ungesetzliche Haft ohne Kontakt zur Außenwelt

Das riesige Abu-Ghraib-Gefängnis im Südwesten von Bagdad war unter der Führung von Saddam Hussein das am meisten gefürchtete Haftzentrum des Landes. Heute heißt das Gebäude offiziell “Baghdad Correctional Facility”. Noch immer müssen die Verwandten der Häftlinge vor dem Gebäude auf Neuigkeiten ihrer Angehörigen warten, und noch immer wird Anwälten der Zugang verwehrt. Der Vater eines Häftlings berichtete, dass man ihn mit den Worten, er möge in vier Monaten wiederkommen, weggeschickt habe, als er im November 2003 seinen Sohn besuchen wollte.

Die provisorische Zivilverwaltung im Irak veröffentlichte im Internet eine Namensliste von 8.500 Häftlingen im Irak. Die meisten dieser Gefangenen sind auf unbestimmte Zeit und ohne offizielles Urteil in Haft - sie gelten als “mutmaßliche Terroristen” oder “Sicherheits-Gefangene”. Laut Auskunft der Angehörigen wurden die meisten Häftlinge im Rahmen von willkürlich durchgeführten Razzien festgenommen. Viele Menschen wissen nicht, wo sich ihre verhafteten Angehörigen befinden; sie haben meist auch keinen Zugang zum Internet, um ihren Aufenthaltsort zu recherchieren.

Verdächtige, die von Angehörigen der alliierten Besatzungstruppen festgenommen werden, haben weniger Rechte als solche, die von irakischen Sicherheitskräften in Haft genommen werden: So müssen Menschen, die von den Besatzungstruppen verhaftet werden, erst nach 90 Tagen vor einen Richter gebracht werden (laut Memorandum Nr. 3 der provisorischen Zivilverwaltung). Dagegen müssen die Fälle von Verdächtigen, die im Rahmen des geltenden irakischen Strafrechts verhaftet werden, nach 24 Stunden untersucht werden.

In vielen Gefängnissen des Landes sind die Haftbedingungen äußerst mangelhaft. Unbestätigten Berichten zufolge fanden bereits mehrere Hungerstreiks und Gefängnisrevolten statt. Die provisorische Koalitions-Zivilverwaltung bestätigte, dass bei einem Aufstand im Abu Ghraib Gefängnis am 24. November 2003 drei Gefangene getötet und acht verwundet wurden.

Weitere Informationen von ai

Quelle: amnesty international vom 04.05.2004.


Werden Sie aktiv !? - Kritische Anmerkungen zur ai-Aktion

ai fordert auf, nun aktiv zu werden und an US-Präsident Bush, US-Verteidigungsminister Rumsfeld, den britischen Premierminister Blair sowie Verteidigungsminister Hoon zu appellieren, gegen Folter, Misshandlung und ungesetzliche Haft im Irak vorzugehen und alle dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen ( “Werden Sie aktiv!” - die Kampagne wird am Ende des Artikels vorgestellt). Natürlich kann sich jede und jeder, der möchte, an dieser Aktion beteiligen. Die Frage ist allerdings, ob diese nicht viel zu kurz greift.

Kriege stellen immer Massenmord dar und beinhalten Orgien von Grausamkeiten und Verbrechen. Wenn sich nun ausgerechnet Kriegs-Präsident Bush und sein Adjutant Blair über die Gräueltaten ihrer Soldaten und Soldatinnen gegenüber irakischen Gefangenen empört zeigen, dann ist das pure Heuchelei. Insbesondere die US-Regierung und - als willige Unterstützerin - die britische Regierung sind für die Gräueltaten der Folterknechte im Militär verantwortlich.

Für den renommierten US-Psychologen Philip Zimbardo sind die Misshandlungen irakischer Gefangener durch amerikanische Soldaten und Soldatinnen kein Zufall. Die Situation im Irak bringe die Soldaten und Soldatinnen regelrecht dazu, Gräueltaten zu verüben. Krieg verwandle die Mehrzahl guter Menschen in Übeltäter, Männer wie Frauen.

“Die allgegenwärtige Ursache ist das Übel des Krieges”, schreibt der Psychologe, “die vorgeschobene Geschichte von der ‘Nationalen Sicherheit’ und den übertriebenen Ängsten vor dem Terrorismus, die durch zehn ‘glaubwürdige’ Terrorwarnungen erzeugt worden sind. Sie verwandeln unsere Nation in eine Kultur der Opfer und unsere Soldaten in brutale Quäler anderer Menschen.”

Wenn Bush nun seinen Verteidigungsminister Rumsfield angewiesen hat, die Verbrechen aufzuklären und die Verantwortlichen zu bestrafen, so ist das nichts als politische Augenwischerei. Das Pentagon hat in der Vergangenheit so gut wie nichts gegen diese Verbrechen unternommen, obwohl diese Vorwürfe längst bekannt waren.

Was ist also jetzt zu tun? Bush muss seinen Verteidigungsminister entlassen und die US-Wähler und -wählerinnen sollten ihren jetzigen Präsidenten bei der Wahl im November in die politische Wüste schicken. Diejenigen, die für Massenmord und Folter verantwortlich sind, müssen von verantwortlichen Wählerinnen und Wählern abgewählt werden!

Michael Schmid

Weitere Hinweise zum Thema:

Veröffentlicht am

06. Mai 2004

Artikel ausdrucken

Weitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von