Apartheid nach der Apartheid - Eine kritische Bilanz nach zehn Jahren Demokratie in SüdafrikaVon Theo Kneifel, 27. April 2004, am zehnten Jahrestag der ersten demokratischen Wahlen in Südafrika. 1 Seit den ersten demokratischen Wahlen Südafrikas im April 1994 sind jetzt zehn Jahre vergangen. Zeit für eine kritische Bilanz. Zeit zu fragen, was aus dem Hoffnungsträger Südafrika geworden ist; wohin die Reise geht. Die Euphorie über das “Wunder” der friedlichen Abschaffung der gesetzlichen Apartheid hat sich gelegt; die historische Persönlichkeit eines Nelson Mandela, der zusammen mit dem ehemaligen Erzbischof von Kapstadt Desmond Tutu die Politik der Versöhnung der ersten Legislaturperiode eindrucksvoll verkörperte, hat seinem Nachfolger Thabo Mbeki Platz gemacht. Dieser hat sich außenpolitisch mit seinem Appell zu einer “Afrikanischen Wiedergeburt” profiliert und innenpolitisch auf Umverteilung zugunsten der schwarzen Bevölkerung (“Black Economic Empowerment”, BEE) gesetzt. Die demokratische Regierung hat wichtige Erfolge bei der Beseitigung der hinterlassenen ungerechten Strukturen der Apartheid aufzuweisen. Trotz zunehmender Tendenzen zu einem zentralistischen Führungsstil hat sich eine parlamentarische Demokratie konsolidiert; dies im Rahmen einer der modernsten Verfassungen mit einem übergeordneten Grundrechtekatalog, vor dem sich die konkrete Regierungspolitik zu verantworten hat. In wegweisenden Urteilen in Prozessen um garantierte wirtschaftliche und soziale Grundrechte hat das Oberste Verfassungsgericht seine Unabhängigkeit bewiesen. Dank der Regierungsbeteiligung des wichtigsten Gewerkschaftsverbands COSATU wurde eine fortschrittliche Arbeitsgesetzgebung durchgesetzt. Wichtige Schritte sind erfolgt bei der Integration der Sicherheitskräfte, beim Umbau des sozialen Sicherheitsnetzes sowie bei der Umstrukturierung im Erziehungs- und Gesundheitssektor. Es gibt freie medizinische Versorgung für Kinder unter fünf Jahren und Schwangere; 2001 hat die Regierung beschlossen, Haushalten 50 Kilowattstunden Strom und 600 Liter Wasser monatlich gratis zur Verfügung zu stellen; (eine Entscheidung, die von den Kommunen sehr zögerlich umgesetzt wird, und welche die ärmsten Haushalte ohne feste Anschlüsse verfehlt). Eine ambivalente ErfolgsbilanzIn der offiziellen Bestandsaufnahme im Vorfeld der Feierlichkeiten zu zehn Jahren Demokratie, welche die Regierung im November 2003 der Öffentlichkeit vorstellte und auf die sich auch Thabo Mbeki in seiner Rede zur Lage der Nation bei der Parlamentseröffnung Anfang Februar 2004 bezog, wird eine auf den ersten Blick beeindruckende Erfolgsbilanz gezogen: Im Rahmen des Sozialen Wohnungsbauprogramms wurden seit 1994 1,6 Millionen Häuser gebaut; zusätzliche vier Millionen Stromanschlüsse und neue Wasseranschlüsse für sieben Millionen Menschen wurden gelegt. Diese Zahlen relativieren sich jedoch enorm, wenn sie in Beziehung zum benötigten Bedarf gesetzt werden und wenn gleichzeitig nach einem Bericht des Human Sciences Research Council bis Februar 2002 allein 10 Millionen Bewohnern das Wasser abgestellt wurde, weil sie ihre Wasserrechnungen auf Grund der im Zuge der Privatisierung erhöhten Preise nicht mehr bezahlen konnten; und wenn nach einer Studie des Alternative Information and Development Centre der gesamte Stromverbrauch der Privathaushalte wegen der gekappten Anschlüsse gegenüber 1994 zurückging. Während nach dieser Studie die monatliche Sperrrate von Stromanschlüssen wegen unbezahlter Rechnungen 1996 bei 22.320 lag, schnellte sie im Jahre 2001 auf eine monatliche Rate von 98.775 hoch. Diese Zahl von Stromunterbrechungen liegt drei mal so hoch wie die Zahl der monatlichen Neuanschlüsse, die ESKOM nach eigenen Angaben verlegt und zeigt das Ausmaß der Verarmung der schwarzen Haushalte nicht nur auf dem Land, sondern auch in den städtischen Townships.. Trotz Erfolgen … die soziale Zeitbombe ticktDer bisherige weitgehende politische Erfolg ist durch eine sich verschlechternde wirtschaftliche und soziale Notlage der immer noch benachteiligten schwarzen Mehrheit längerfristig extrem gefährdet. Die tickende soziale Zeitbombe hat fünf Namen: Armut, Ungleichheit, Arbeitslosigkeit, Gewalt und Aids. Südafrika hält einige traurige Weltrekorde: die höchste Zuwachsrate an täglichen Aids-Infektionen, die höchste Vergewaltigungsrate sowie die höchste Ungleichheitsrate in der Einkommensverteilung. Die realen Einkommen der ärmsten 40% der Haushalte (dies entspricht etwa der Hälfte der Einwohnerzahl) sind seit 1995 um 16% gesunken. Zur gleichen Zeit kamen auf die 20% der reichsten Haushalte 65% der verfügbaren Einkommen. Letzte Armutsberichte belegen, dass die knappe Hälfte der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt. Diese Armut hat immer noch ein rassistisches Gesicht: während 2,1% der Weißen als “arm” einzustufen sind, sind es bei Schwarzen insgesamt 57%. Am meisten betroffen ist dabei die Gruppe der afrikanischen Frauen. 71% von ihnen leben unter der Armutsgrenze, vorwiegend in ländlichen Gebieten. Dort haben nur 15% der afrikanischen Frauen eine Arbeit im formellen Sektor (zumeist als Hausangestellte oder Farmarbeiterinnen). Die zwei Gesichter SüdafrikasDie Auseinanderentwicklung der Einkommen der schwarzen und weißen Haushalte hat sich seit 1995 weiter verschärft. Während ein durchschnittlicher schwarzer Haushalt in dieser Zeit 19% seines Einkommens einbüßte, stieg dasjenige eines durchschnittlichen weißen Haushalts um 19%, so dass 2002 ein weißer Haushalt im Schnitt das Sechsfache eines schwarzen Haushalts zur Verfügung hatte. Die offizielle Arbeitslosenrate lag 2002 bei 30%. Diese konservative Zahl erhöht sich aber auf 41%, wenn man die Zahl der frustrierten Arbeitslosen hinzuzählt, die ihre Jobsuche aufgegeben haben. Selbst nach Regierungsstatistik ist die offizielle, eng gefasste Arbeitslosenzahl seit 1995 von 15% auf 30%, d.h. um das Doppelte gestiegen. Im formellen Sektor sind außerhalb der Landwirtschaft seit 1995 über eine halbe Million Arbeitsplätze, bedingt durch Rationalisierung, Privatisierung und Deregulierung, verloren gegangen. Die kommerzielle Landwirtschaft hat allein zwischen.1994 und 1996 750.000 Arbeitsplätze abgebaut. Die in dieser Zeit im formellen Sektor neu entstandenen Arbeitsplätze haben nicht einmal die verloren gegangenen Jobs wettgemacht, sodass es sich seit 1995 eindeutig um “jobless growth” gehandelt hat. Dadurch wurden die jährlich etwa 600.000 neuen BewerberInnen auf dem Arbeitsmarkt mehrheitlich in den informellen Sektor abgedrängt, sodass die Zahl der im informellen Sektor Beschäftigten von 450.000 im Jahr 1997 auf 1,9 Millionen im Jahr 2002 angewachsen ist. Aber selbst viele der im formellen Sektor beschäftigten ArbeiterInnen gehören zu den Armen (“working poor”). Nach jüngsten Schätzungen verdienen über vier Millionen im Privatsektor Beschäftigte weniger als 23.000 Rand (ca. 250,00 €); von diesen haben etwa die Hälfte weder einen schriftlichen Arbeitsvertrag noch eine betriebliche Altersvorsorge. Besonders alarmierend ist die Langzeit-Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen. 72% aller Arbeitslosen sind unter 35 Jahren. 73% der Arbeitslosen unter 30 hatten nie einen Arbeitsplatz. 30% davon haben sich länger als 3 Jahre, weitere 30% zwischen 1-3 Jahren, vergeblich um einen Job bemüht. Viele dieser Jugendlichen werden durch die Perspektivlosigkeit in die Kriminalität und Prostitution gedrängt. Zögerliche LandreformTrotz progressiver Gesetzgebung kommt die Landreform in ihren verschiedenen Strängen nur sehr schleppend voran. Ende 2002 waren erst 1,4 Millionen Hektar Land an etwa 130.000 Haushalte umverteilt. Um das von der Regierung gesetzte Ziel, bis 2015 30% des kultivierbaren Landes an die bisher benachteiligte schwarze Bevölkerung umzuverteilen, ist bei der gegenwärtigen Rate klar außer Reichweite. Die in den letzten acht Jahren verteilte Landmenge entspricht nicht einmal der jährlichen Menge, die verteilt werden müsste, um das Ziel umzusetzen. Das marktwirtschaftliche Prinzip “willing buyer, willing seller”, welches die Preise für das umzuverteilende Land nach Angebot und Nachfrage regelt, setzt einer substanziellen Umverteilung enge Grenzen. Seit 2002 hat es in der Landverteilung einen deutlichen Paradigmenwechsel gegeben, der weg von der Umverteilung an Subsistenzlandwirte in die Richtung der Schaffung von schwarzen kommerziellen Farmen geht. Dies im Einklang mit der seit 1999 forcierten Politik des Black Empowerment, die ebenfalls nur einer kleinen Schicht von schwarzen UnternehmerInnen zugute kommt. Das Landrückgabeprogrammm hat in den letzten Jahren an Dynamik gewonnen; von den 63.455 Anträgen waren bis Ende 2002 über die Hälfte, nämlich 36.279, verhandelt. Dabei handelte es sich allerdings fast ausschließlich um die leichten Fälle von Land in den Townships, die meist durch finanzielle Entschädigung gelöst wurden. Die großen, komplexen Fälle stehen noch aus, sodass die von der Regierung mit Ende 2005 gesetzte zeitliche Frist zur abschließenden Regelung aller Rückgabeanträge völlig unrealistisch ist. Die verabschiedeten Gesetze zur Landpachtreform, welche besonders langjährigen FarmarbeiterInnen Landrechte garantieren sollen, werden erst ansatzweise umgesetzt, sodass ihre bisherige Wirkung schwer einzuschätzen ist. Die Gesetzesvorlage über Kommunale Landrechte (Communal Land Rights Bill), die im Eilverfahren noch vor den Wahlen im April 2004 durch das Parlament geschleust wurde, ist in starke Kritik von einschlägigen NROs geraten, da sie den traditionellen Chiefs weitgehende Vollmachten über die Zuteilung von kommunalem Land einräumt. Ursachenforschung: Geburtsfehler und eine verfehlte WirtschaftspolitikDie Ursachen für das weitgehende Scheitern eines sozial gerechten Umstrukturierungsprozesses im demokratischen Südafrika liegen zum einen in den schwerwiegenden Kompromissen der Verhandlungsperiode von 1990-1993, welche die Erfolgschancen des neuen Südafrika von vornherein mit einer schweren Hypothek belasteten; zum anderen in einer radikalen Wende der makroökonomischen Regierungspolitik im Juni 1996, die nicht mehr auf die Formel “Wachstum durch Umverteilung” setzt, wie sie im Wahlmanifesto der Regierungsallianz 1994, im sogenannten Wiederaufbau- und Entwicklungsprogramm RDP, grundgelegt war, sondern auf exportorientiertes Wachstum nach außen und eine rigide Sparpolitik nach innen. Fünf Geburtsfehler sitzen seit der Ende 1993 erzielten friedlichen “Revolution am Verhandlungstisch” wie ein Albatross auf den Schultern des neuen Südafrika:
Diese Kompromisse waren ein hoher, vielleicht zu hoher Preis für die friedliche Beendigung der Apartheid. Nicht zu vergessen ist dabei, dass die “Revolution am Verhandlungstisch” insofern ein letzter Sieg der alten Apartheidregierung war, als sie den Verhandlungsprozess durch eine Gewaltstrategie auf “Sparflamme” (“low-intensity-conflict”) unter Druck gesetzt hat, so dass sie und ihre Unterstützer heute weitgehend straflos und unbeschädigt ein privilegiertes Leben führen, während die Opfer der Apartheid trotz ihrer politischen Freiheiten für die Schulden und Schäden der Apartheid bezahlen. GEAR: der falsche Gang für Südafrikas ZukunftNach zehn Jahren demokratischer Regierungsführung kann die soziale Misere der Mehrheit der Apartheidopfer aber nicht nur dem Erbe der Apartheid und den aufgezwungenen Kompromissen zur Last gelegt werden. Auch die jetzige Regierung muss dafür politische Verantwortung übernehmen. Sie hat sich unter dem Druck der Finanzmärkte wie internationaler Investoren im Juni 1996 mit der autokratisch von oben verfügten Einführung des GEAR Programms (“Growth, Employment and Redistribution”) ein Strukturanpassungsprogramm nach Maßgabe von Internationalem Währungsfonds und Weltbank auferlegt, das fast überall in Ländern des Südens gescheitert ist. Auch in Südafrika sind bisher die prognostizierten Ergebnisse, wie eine jährliche Wachstumsrate von 6% und der Schaffung von jährlich 800.000 neuen Arbeitsplätze bis zum Jahr 2000, ausgeblieben, obwohl die Regierung diese GEAR-Politik ungeachtet der sozialen Folgekosten auf allen Sektoren rigoros durchgezogen hat und dies auch weiterhin tut. Zwar stimmen die makro-ökonomischen Daten, wofür die Regierung regelmäßig gute Noten von den internationalen Finanzagenturen erhält: Die Inflationsrate liegt derzeit knapp unter 4%, das Staatsdefizit liegt mit 2,6% des Sozialprodukts im Maastricht-Bereich. Diese enge Fiskalpolitik erzwingt jedoch eine im internationalen Vergleich hohe Zinsrate, die jedoch wachstumsfeindlich ist und Inlandsschulden in die Höhe treibt. Nach einem starken Absinken gegenüber dem amerikanischen Dollar im Frühjahr 2001 hat der Rand in den vergangenen zwei Jahren gegenüber dem amerikanischen Dollar rund 70%, gegenüber dem Euro rund 30%, gewonnen. Dies, zusammen mit einem in den letzten zwei Jahren stark gestiegenen Goldpreis, hat die südafrikanische Währung stark und attraktiv gemacht, belastet aber auch den Export, und damit die Wachstumsrate, die in den letzten Jahren im Durchschnitt zwischen 2-3% lag, zuwenig, um den Abbau von Arbeitsplätzen aufzuhalten und um die erhofften Auslandsinvestitionen ins Land zu holen. Alternativen zu GEARVon Anfang an stand GEAR in der Kritik von NROs, Kirchen und Gewerkschaften, Diese Kritik wurde zuletzt im Februar 2001 in der Erklärung der Katholischen Bischofskonferenz zum vorgelegten Haushalt 2001/2002 auf den Punkt gebracht: “Wir verkaufen das Tafelsilber, um die Apartheidschulden zu begleichen. Die Betonung der Schuldenreduzierung durch eine rigide Fiskalpolitik und Privatisierungen in den letzten Jahren geht auf die Erbschaft der Apartheidschulden zurück. Die sozialen Folgekosten sind enorm. Wir haben nochmals eine Million Arbeitsplätze verloren, Armut ist gewachsen und Ungleichheit verstärkt worden. Der Transfer der sozialen Kosten der Apartheidschulden zu den Armen bedeutet, dass die Opfer der Apartheid doppelt bezahlen müssen.” Diese Kritik an GEAR kommt jedoch nicht nur von den Kirchen, sondern auch aus dem Regierungslager selbst, von COSATU, dem mit 1,8 Millionen Mitgliedern stärksten Zusammenschluss unter den insgesamt vier Gewerkschaftsverbänden, der zudem mit dem ANC eine Regierungsallianz eingegangen ist. Unter diesem Druck, wohl aber auch unter dem Vorzeichen der anstehenden Parlaments- und Provinzwahlen am 14.4.2004 ist der Anfang Februar 2004 von Finanzminister Trevor Manuel vorgelegte Haushaltsplan ein wenig von der bisherigen strikten Sparpolitik abgerückt. Die zusätzlichen Mittel sollen für öffentliche Beschäftigungsprogramme und Infrastrukturmaßnahmen ausgegeben werden. Gleichzeitig hat jedoch Thabo Mbeki in seiner Regierungserklärung keinen Zweifel daran gelassen, dass dies kein Abweichen vom bisherigen “Reformkurs” unter Gear bedeutet. Es geht auch andersEinen Gegenentwurf zum gegenwärtigen Haushalt der Regierung bildet der vom Südafrikanischen Kirchenrat, von COSATU und SANGOCO (Dachverband von etwa 4000 NROs) jährlich vorgelegten “People`s Budget”, der nicht nur kritisch auf den von der Regierung jeweils zur Eröffnung des Parlaments im Februar vorgelegten Haushalt reagiert, sondern pro-aktiv fundierte, von namhaften Ökonomen ausgearbeitete Alternativen zur gegenwärtigen neo-liberalen, von GEAR bestimmten, Finanz- Steuer- und Sozialpolitik vorstellt. Im aktuellen, Anfang Februar 2004 veröffentlichten alternativen Haushaltsentwurf findet sich neben konkreten Vorschlägen zu einer Umschichtung von Haushaltsprioritäten zugunsten von Armutsbekämpfung und Sozialausgaben auch eine deutliche Kritik an dem größten Waffenbeschaffungsprogramm in der südafrikanischen Geschichte, welches das Kabinett 1999 beschlossen hat. Die ursprünglichen Kosten von über dreißig Milliarden Rand sind mittlerweile fast auf das Doppelte angewachsen und verringern drastisch die für notwendige Sozialausgaben verfügbaren Mittel. Zwar wurde eine diesbezügliche Klage gegen den Finanzminister, dass er in seiner Billigung des Rüstungsdeals, von dem Rüstungskonzerne in Deutschland, Großbritannien, Schweden und Italien profitieren, seine Sorgfaltspflicht verletzt und gegen die Verfassung verstoßen habe, am 5. März 2004 zugunsten von Trevor Manuel entschieden. Aber die Kläger (Economists Allied for Arms Reduction, ECAAR) haben gegen diese auf formalrechtlichen Argumenten fußende Gerichtsentscheidung Berufung eingelegt, sodass dieser stark von Korruptionsvorwürfen auch gegen die beteiligten deutschen Unternehmen belastete Deal für die Regierung noch nicht ausgestanden ist. Falls die Klage Erfolg hat, dürfen die deutschen Steuerzahler die für die deutschen Firmen entstandenen Verluste zahlen, da diese fragwürdigen Geschäfte durch Hermesbürgschaften abgesichert sind. Außerdem finden sich im aktuellen “People`s Budget 2005-2006” kreative Vorschläge zur Streichung der Apartheidschulden und zur Reform der Pensionsfonds. Spezielle Kritik kam von den Kirchen und der maßgeblich von den Kirchen unterstützten Kampagne zur Einführung eines allgemeinen Mindesteinkommens (Basic Income Grant, BIG) von 100 Rand pro Person. Dieses hat die Regierung aus finanziellen Gründen bisher abgelehnt. Die Kritik der Kampagne daran kann gleichzeitig als Kritik an dem bisherigen Wirtschaftskurs der Regierung gelten, der einseitig die Interessen der internationalen Finanzmärkte, der internationalen Investoren und der inländischen Unternehmen bedient: “Der Minister sollte an die verheerenden Konsequenzen der Entscheidung denken, südafrikanischen MitbürgerInnen die aktive Teilname am wirtschaftlichen Aufbau der Wirtschaft zu verweigern. Durch die Weigerung, in ein umfassendes soziales Sicherheitsnetz zu investieren - und dazu gehört ein universelles Mindesteinkommen-, pflegt und zementiert der Minister die wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten, mit denen die Armen vom Moment ihres Aufwachens an stündlich zu kämpfen haben”. Fazit: Angesichts obiger Trends und Zahlen drängt sich, im Gegensatz zur allzu geschönten Regierungsbilanz, das Fazit auf: der Transformationsprozess im demokratischen Südafrika ist bisher nur einer kleinen Elite zugute gekommen. Diese ist nach wie vor weiß und ist nur um eine schwarze Komponente erweitert worden. Der benachteiligten schwarzen Mehrheit geht es heute, trotz der errungenen politischen Freiheiten, sozial und wirtschaftlich weitgehend schlechter als unter der Apartheid. Die gesetzliche und politische Apartheid ist abgeschafft. Die Apartheid des Geldes ist geblieben und hat sich verschärft. Unter dem Strich gibt es, aus der Sicht der Verlierer, am zehnten Jahrestag von Südafrikas Demokratie wenig zu feiern. Was bleibt, ist die Hoffnung, dass Südafrikas vom ANC geführte Regierung die zweite Chance wahrnimmt, die sie mit der satten, bei den Wahlen am 14. April 2004 errungenen Mehrheit bekommen hat. Damit die Dividende von zehn Jahren Demokratie endlich auch bei denen ankommt, die auch heute noch für die Apartheid bezahlen. 1 Theo Kneifel ist Mitarbeiter bei der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA) in Heidelberg.
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