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Cap Anamur: Schily versucht Retter zu Tätern zu machen!

PRO ASYL: “Nicht die Schiffscrew, sondern die europäische Asyl- und Migrationspolitik gehören auf die Anklagebank”

“Es ist unerträglich wie Bundesinnenminister Otto Schily versucht, die Crewmitglieder der Cap Anamur auf eine Stufe mit ‘Schleppern’ und ?Schleusern’ zu stellen. Auf die Anklagebank gehören nicht die Retter der Schiffsbrüchigen, sondern vielmehr eine verfehlte europäische Asyl- und Migrationspolitik”, so Karl Kopp von Pro Asyl.

Otto Schily hat diese europäische Abschottungs- und Abwehrpolitik in den letzten Jahren maßgeblich mit konzeptioniert. Die europäischen Innenminister kennen bis jetzt nur eine Antwort auf das tausendfache Sterben an den Außengrenzen Europas: noch effizientere Abriegelung des Kontinents.

Die Festungsbauer Schily und Pisanu schweigen zu den zentralen Fragen:

  • Gibt es einen “Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts”, wenn der Versuch von Schutzsuchenden diesen zu erreichen, bereits lebensgefährdend ist?
  • Wie viel ist ein verbrieftes europäisches Asylrecht noch wert, wenn der Zugang zum Territorium versperrt bleibt?
  • Können demokratische Staaten und ihre Bürger weiter damit leben, dass um sie herum in der Adria, in der Ägais, in der Meeresenge von Gibraltar Friedhöfe entstehen, die von Tag zu Tag größer werden?

Schily und seine europäischen Kollegen negieren weiterhin ihre Mitverantwortung für den skandalösen Sachverhalt, dass dieses Sterben an den Außengrenzen weiter geht und dass eine boomende Branche kommerzieller Fluchthelfer immer zynischer und menschenverachtender die Dienstleistung “Zugang nach Europa” anbieten können. Die Auseinandersetzung um die Cap Anamur hat diese Fragen auf die europäische Agenda gesetzt.

Kriminalisierung und Diffamierung von humanitärer Hilfe

Schily und Pisanu wollen mit dem Versuch der Kriminalisierung von humanitärer Hilfe ein Exempel statuieren. Schiffsbesatzungen sollen in Zukunft wegschauen und weiterfahren, Flüchtlingsunterstützungsgruppen eingeschüchtert werden. Künftigen Schutzsuchenden wird die Botschaft vermittelt: Falls ihr es bis zu unseren Küsten schafft, dann erwartetet euch Lager und Haft.

Sowohl Italien als auch Deutschland besitzen drakonische Gesetze gegen “Schlepper” und “Schleuser”, die internationale Abkommen unterschreiten. Dagegen ist in der EU-Richtlinie des Rates vom 28. November 2002 zur “Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt” ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, die humanitäre Hilfe straffrei zu stellen.

Niemand zuständig - kein Schutz auf hoher See

Schily sagt, es gibt keine Asylaußenstelle in internationalen Gewässern.
An wen hätten denn die 37 Schiffsbrüchigen ihr Schutzbegehren richten sollen?
Sie haben ihre Asylanträge auf einem deutschen Schiff, gegenüber einem deutschen Kapitän gestellt - und zwar in internationalen Gewässern. Der Kapitän ist deutschen Gesetzen unterworfen und hat pflichtgemäß diese Schutzbegehren an die maßgebliche deutsche Behörde weitergeleitet. Ein Kapitän ist keine Asylbehörde, sondern er hat vor allem eine humanitäre Pflicht: Die Schiffsbrüchigen in einen sicheren Hafen zu bringen. Genau dieser Hafen blieb der Cap Anamur und den 37 Schiffsbrüchigen verwehrt.

Deutschland und Italien hätten dieses Drama bereits am 1. Juli 2004 unspektakulär und humanitär beenden können. Schily und Pisanu mauerten, schwiegen und schoben nach einigen Tagen die Verantwortung auf Malta ab. Der Inselstaat ist berühmt und berüchtigt, dass er Schutzsuchende sofort inhaftiert. Malta antwortete postwendend: Auch wir sind nicht zuständig. Die Europäische Union regelt zwar in einer Verordnung (Dublin I und II), welcher Staat zuständig für eine Asylprüfung sein soll. In diesem Fall zeigte sich, dass diese Zuständigkeitsregelungen im Zweifelsfall zur gemeinsamen Nichtzuständigkeit führen.

Was tun?

Der Abbau der Barrieren und die Schaffung gefahrenfreier Wege für Flüchtlinge nach Europa ist eine Grundvoraussetzung, weil ansonsten selbst ein liberales Asylrecht wirkungslos bleibt. Ein effektiver Zugang zum Territorium und zu einem fairen Asylverfahren ist unerlässlich, damit Mitgliedsstaaten ihren internationalen Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention gerecht werden. Anstatt die Verantwortung für die Flüchtlingsaufnahme noch weiter auszulagern, stehen die europäischen Staaten vielmehr in der Pflicht, die Herkunftsregionen zu entlasten. Es sollte zügig ein großzügiges Flüchtlingsaufnahmeprogramm, wie es die Europäische Kommission vorschlägt, auf EU-Ebene installiert werden. Diese zusätzlichen Zugangs- und Schutzformen dürfen jedoch nicht zu Lasten des individuellen Asylrechts in Europa gehen. “Der Rückbau der Festungsanlagen, die Schaffung eines europäischen Asylrechts, das seinen Namen verdient, und die Eröffnung legaler Einwanderungsmöglichkeiten sind der einzig gangbare Weg, um das tausendfache Sterben an Europas Grenzen zu beenden”, so Kopp abschließend.

Quelle: PRO ASYL - Pressemitteilung vom 15.07.2004.

Siehe ebenfalls folgende Artikel auf der Lebenshaus-Website:

Veröffentlicht am

15. Juli 2004

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