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Das Verbrechen von Beslan schreit nach einem neuen Tschetschenien-Dialog

Erklärung des Präsidiums von pax christi

Auch Wochen nach dem verbrecherischen Anschlag auf die Schule Nr. 1 in Beslan in Nordossetien, zu dem sich vor wenigen Tagen der für mehrere frühere Verbrechen dieser Art verantwortliche Terrorist Bassajew öffentlich bekannt hat, bleibt die Tat dem Verstehen unzugänglich und fremd. Es gibt keine Rechtfertigung für das hundertfache Morden unschuldiger Menschen; es bleibt abscheulich, wenn Kinder von ihren Peinigern gefoltert und ermordet werden und es spricht dem Kampf um Freiheit und Autonomie Hohn, wenn mehr als tausend Menschen, die in freudiger Erwartung den ersten Schultag begehen wollen, zu hilflosen Geiseln werden.

Das Verbrechen von Beslan muss zu einem Wendepunkt werden, und zwar für alle an den kaukasischen Konflikten beteiligten Parteien.

Notwendig sind Initiativen zur politischen Lösung der Konflikte. Stattdessen missbraucht der russische Präsident Putin die Gewalttat von Beslan zur Verschärfung der militärischen Maßnahmen und zur Rücknahme demokratischer Reformen durch Änderungen des Wahlsystems und die Abschaffung der Direktwahl der Gouverneure.

Während die russische Regierung einerseits jede Kritik an ihrer Tschetschenien-Politik als unzulässige Einmischung zurückweist und betont, er sei eine interne Angelegenheit der russischen Föderation, stellt sie andererseits das Verbrechen von Beslan in einen internationalen Zusammenhang und sieht die Tat in einer Reihe mit den Anschlägen von New York und Madrid.

Präsident Putin geht sogar so weit, dass er das Geiseldrama von Beslan zum Vorwand nimmt, den Terroranschlägen in seinem Land jetzt mit weltweiten militärischen “Präventivmaßnahmen” begegnen zu wollen. Militärisch ist der Kampf gegen den Terrorismus aber nicht zu gewinnen - im Gegenteil: Er trifft Unschuldige, verschärft die Spirale der Gewalt und schafft den Terroristen mehr Zulauf.

Es braucht Maßnahmen zur Rückgewinnung politischer Handlungsfreiheit und Initiativen zu Dialogen über eine Lösung der Konflikte, damit diese keiner Seite zur Rechtfertigung ihrer Gewalthandlungen, von Terror und Militärschlägen, dienen können. Deshalb darf die Kritik der politischen Partner Russlands an dessen Tschetschenienpolitik nicht nachlassen. Die Regierungen in der EU -
besonders die deutsche und französische wegen ihrer guten Beziehungen zu Russland - sind aufgefordert, die Menschenrechtsverletzungen in Russland klar anzusprechen und für einen politischen Dialog vor allem zur Tschetschenien-Frage nachdrücklich einzutreten. Ein derartiger Dialog muss einen offenen Austausch über Fragen regionaler Autonomie mit einschließen, wie sie schon vor knapp zehn Jahren vertraglich ins Auge gefasst wurden. Auch sollte versucht werden, Menschenrechtsgruppen an diesem Dialog zu beteiligen und den letzten frei gewählten tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow als Gesprächspartner ins Boot zurück zu holen, statt ihn als Terroristen zu diffamieren.

pax christi fordert die Bundesregierung auf, einen im Rahmen der EU abgestimmten und in die “strategische Partnerschaft” mit Russland eingebetteten kritischen Menschenrechts- und Tschetschenien-Dialog mit Russland zu beginnen, und sich unter Führung von Präsident Chirac und Kanzler Schröder als Vermittlerin im Tschetschenienkonflikt anzubieten - mit dem Ziel einer dauerhaften politischen Lösung.

Bad Vilbel, den 20. September 2004

Veröffentlicht am

20. September 2004

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