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Die Diskriminierung palästinensischer Flüchtlinge im Libanon endlich aufheben

Von Clemens Ronnefeldt

Immer wieder scheiterten Nahost-Friedenspläne in der Vergangenheit unter anderem an der ungelösten Frage der palästinensischen Flüchtlinge vor allem in Jordanien, in Syrien und im Libanon. Während sie sich in Jordanien und Syrien einige wichtige Rechte zur gesellschaftlichen Integration erkämpfen konnten, ist ihre Situation im Libanon weitaus dramatischer.

Die Mehrheit der palästinensischen Flüchtlinge im Libanon, deren Zahl auf bis zu 380.000 geschätzt wird, lebt immer noch in einem der zwölf Lager, die über das Land verteilt angelegt wurden. Seit 1948 wurden manche dieser Lager bis zu viermal zerstört. Die Infrastruktur (Strom, Wasser) stammt zum Teil noch aus den fünfziger Jahren und ist entsprechend oft defekt. Weil die libanesische Regierung, die nach einem konfessionalistischen Proporzsystem zwischen Christen, Sunniten und Schiiten gewählt wird, eine dramatische Verschiebung der Gewichte bei einer gesellschaftlichen Integration der Flüchtlinge befürchtet, hat sie eine ganze Reihe diskriminierender Gesetze und Vorschriften erlassen, die die eh schon äußerst dürftige Lebensqualität von Palästinensern im Laufe der Jahre immer weiter eingeschränkt hat.

Seit 1969 brauchen in Lagern lebende Palästinenser zwar keine spezielle Genehmigung mehr, wenn sie ein Lager verlassen wollen, an den Eingängen der Flüchtlingslager werden allerdings nach wie vor Personenkontrollen durchgeführt. Um offensichtlich den Druck zur Ausreise ins Ausland zu erhöhen, ist es in den inzwischen völlig überfüllten Lagern gesetzlich nicht erlaubt, zweite oder dritte Stockwerke zu errichten. Das fast noch zum Stadtzentrum von Beirut gehörende Lager Sabra und Schatila, das 1982 durch ein Massaker an Lagerbewohnern unter den Augen des damaligen israelischen Verteidigungsministers Ariel Scharon internationale Bekanntheit erlangte, wurde für ursprünglich rund 5.000 Flüchtlinge geplant, heute leben ca. 17.000 Menschen auf immer noch der selben Fläche.

Palästinensischen Flüchtlingen ist es im Gegensatz zu anderen Ausländern verboten, Eigentum im Libanon zu erwerben. Per Gesetz wurde ihnen die Ausübung von 72 Berufen außerhalb der Lager verboten, was wohl die gravierendste Einschränkung der Persönlichkeitsrechte darstellt. Flüchtlinge, die studieren wollen, müssen sich auf die für Ausländer reservierten zehn Prozent aller Studienplätze bewerben - meist ohne Chancen. Die dadurch entstehende Perspektivlosigkeit ist eine wichtige Ursache für zunehmende Gewalt in den Lagern.

Mit rund 75.000 Bewohnern ist “Ein El Hilweh” am Stadtrand von Saida das größte Flüchtlingslager im Libanon. Am Eingang stehen zwar libanesische Soldaten, für die strafrechtliche Verfolgung der zahlreichen politisch motivierten Morde und anderer Gewalttaten, die auf Kämpfe rivalisierender palästinensischer Organisationen in dem Lager zurückzuführen sind, fühlt sich der libanesische Staat nicht zuständig. Für die Sicherheit sollen - auch in den anderen Lagern - eigene palästinensische Volkskomitees sowie bewaffnete Ordnungskräfte sorgen, was auf Grund der erheblichen innerpalästinensischen Konkurrenzkämpfe häufig zu willkürlichen Maßnahmen gegenüber Lagerbewohnern führt.

Das speziell für Gesundheit und Schulbildung der palästinensischen Flüchtlinge zuständige UN-Hilfswerk UNRWA erhält immer weniger Finanzmittel und kann daher seinen Aufgaben kaum noch nachkommen. Immer wieder kommt es vor, dass Flüchtlinge sterben, weil sie in den palästinensischen Gesundheitszentren nicht behandelt werden und sie die Kosten einer Behandlung im libanesischen Gesundheitswesen nicht bezahlen können.

Die Bundesregierung könnte das Leid der sich von aller Welt verlassen fühlenden palästinensischen Flüchtlinge im Libanon mildern, wenn sie die Zahlungen für UNRWA deutlich erhöhen sowie auf die Rückführung palästinensischer Flüchtlinge in den Libanon derzeit verzichten würde.

Sie könnte weiterhin die libanesische Regierung auffordern, diskriminierende Gesetze gegenüber Palästinensern, insbesondere das de facto Arbeitsverbot, aufzuheben. Die Bundesregierung könnte auch die Nachfolgeregelung von Yassir Arafat und die sich daraus neu ergebenden Spielräume nutzen, die in der road map ebenso wie in der Genfer Initiative von Rabbo und Beilin vorgesehene Errichtung eines palästinensischen Staates voranzubringen. Die palästinensischen Flüchtlinge im Libanon ebenso wie in den Nachbarländern Israels brauchen endlich eine Staatsbürgerschaft sowie Klarheit bezüglich einer Entschädigung oder Rückkehr, wobei letztere in den allermeisten Fällen nicht möglich sein wird.

Der Deutsche Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes unterstützt die Arbeit der unabhängigen Flüchtlingshilfsorganisation “Haus der standhaften Kinder” ( “Bait Atfal Assumoud” ) im Libanon, die 1976 gegründet wurde und derzeit rund 1.300 Kinder und Jugendliche in rund 770 Familien betreut. “Beit Atfal Assumoud” unterhält 10 Sozialzentren und eine psychologische Beratungsstelle in palästinensischen Flüchtlingslagern. In 8 Kindergärten werden rund 600 Kinder betreut. Jugendliche erhalten Ausbildungen im Kunst- und Bauhandwerk.

Spendenkonto des Versöhnungsbund e.V.: Kreissparkasse Minden-Lübbecke Konto 400 906 72, BLZ 490 501 01 Stichwort: “Bait Atfal Assumoud”

Clemens Ronnefeldt ist Referent für Friedensfragen beim Internationalen Versöhnungsbund ? Deutscher Zweig. Er hat vor kurzem eine Reise nach Syrien und in den Libanon unternommen. Neben vielen Begegnungen mit Politikern, Menschenrechtsorganisationen und Kirchenvertretern stand die Situation der palästinensischen Flüchtlinge im Libanon im Zentrum der Reise. Er hat eine Diaserie über die Reise zusammengestellt und kann ab März 2005 bei Veranstaltungen zu diesem Thema weitere Informationen geben.

Kontakt und weitere Informationen:

Internationaler Versöhnungsbund - Deutscher Zweig Schwarzer Weg 8 32423 Minden Tel.: 0571-850875 www.versoehnungsbund.de

oder:

Clemens Ronnefeldt
Referent für Friedensfragen
beim Internationalen Versöhnungsbund - Deutscher Zweig

Eichbergweg 6
79183 Waldkirch
Tel. 07681-4 93 97 91
Fax 07681-4 93 97 92

Veröffentlicht am

08. Dezember 2004

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