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Vorsicht, bissiger Hund!

Die Europäer und die Russen versuchen, den Weg von Bush zu blockieren. Er ist gerade im Begriffe, in der EU und der Nato Staatsbesuche abzustatten und versucht, sie mit sanften Tönen einerseits und Drohungen andererseits davon zu überzeugen, sich seinen Kriegsabenteuern anzuschließen.

Vorsicht, bissiger Hund!

Von Uri Avnery

Es ist nicht sehr schmeichelhaft, wie ein Rottweiler an der Leine zur Schau gestellt zu werden, dessen Herr droht, ihn auf seine Feinde los zu lassen. Aber genau in dieser Situation befinden wir uns. Vizepräsident Dick Cheney drohte vor ein paar Wochen damit, falls der Iran seine nuklearen Fähigkeiten weiter entwickle, dann würde Israel ihn angreifen.

In dieser Woche wiederholte George Bush diese Drohung. Wenn er der Ministerpräsident von Israel wäre - so sagte er - dann würde er sich vom Iran bedroht fühlen. Er erinnert jene daran, die etwas langsam begreifen, die USA habe sich verpflichtet, Israel zu verteidigen, wenn es eine Bedrohung seiner Sicherheit gebe.

Dies läuft auf eine klare Warnung hinaus: falls der Iran sich nicht den Ordern der USA unterwirft (und vielleicht sogar, obwohl er dies tut), wird Israel ihn mit Hilfe der USA angreifen, genau wie Israel den irakischen Reaktor vor 24 Jahren angegriffen hat.

In derselben Woche geschah etwas ganz Unerwartetes: Ariel Sharon sandte seinen Generalstabschef, Moshe Ya’alon, in Pension. Sein Nachfolger wird höchstwahrscheinlich General Dan Halutz. Halutz ist natürlich ein Pilot, der eine Rolle beim Angriff auf den irakischen Reaktor 1981 gespielt hat. Wenn er Ya’alon folgt, wird es das erste Mal in den Annalen der israelischen Armee sein, dass ein General der Luftwaffe zum Generalstabschef ernannt wird.

Das ist ziemlich seltsam. Im kommenden Jahr ist die Armee dazu aufgerufen, eine äußerst schwierige Operation, die Evakuierung der Siedlungen im Gazastreifen, durchzuführen. Die Ernennung eines Luftwaffengenerals als Generalstabschef mag darauf hindeuten, dass noch etwas Bedeutenderes in der Luft liegt.

(Zwischenakt: Keiner wird eine Träne vergießen, wenn Ya’alon abgesetzt wird. Als Generalstabschef trägt er die Verantwortung für alle schrecklichen Dinge, die sich in der Armee während der letzten drei Jahre abgespielt haben, wie das “bestätigte Töten” 1 des 13-jährigen Mädchens oder die “Nachbar-Praxis”, bei der ein Palästinenser gezwungen war, den Soldaten vorauszugehen, wenn sie unterwegs waren, einen Militanten zu töten. Aber wenn Ya’alon durch Halutz ersetzt wird, so bestätigt dies nur das pessimistische Sprichwort, “jedem abgesetzten schlechten Mann kann ein noch schlechterer folgen”.

Für die, die es vergessen haben: Halutz (“Pionier” auf hebräisch) hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, als die Luftwaffe eine 1 t-Bombe auf das Haus eines Hamas Führers fallen ließ und ihn zusammen mit 15 Zivilisten, einschließlich neun Kindern, umbrachte. Als er gefragt wurde, was er beim Abwerfen so einer Bombe fühle, sagte er nur: “einen kleinen Schlag am Flügel” - und später fügte er hinzu, dass er (nach solch einer Aktion) gut schläft 2 . Bei derselben Gelegenheit beschimpfte er aber Gush Shalom für seine Aktionen gegen Kriegsverbrechen und verlangte, dass wir wegen Verrats vor Gericht gebracht werden sollten.)

Zurück zu Bush-Cheney und dem Rottweiler. Als Bush das erste Mal an die Macht kam, legten die Neo-Konservativen einen eindeutigen Plan zur Ausdehnung des amerikanischen Empires im Nahen Osten vor. Er enthielt drei Kapitel:

  1. Den Irak erobern, um die Kontrolle für seine immensen Ölreserven unter Kontrolle zu bekommen und eine US-amerikanische Garnison am entscheidenden Schnittpunkt zwischen den Ölfeldern des Kaspischen Meeres und den arabischen Saud-Ressourcen einzurichten.
  2. Das iranische Regime zu brechen und den Iran zum amerikanischen Block zurückzuführen.
  3. Dasselbe mit Syrien und dem Libanon erreichen. Noch war nicht entschieden, wer zuerst dran käme. Ob zuerst der Iran und dann Syrien - oder umgekehrt.

Eigentlich möchte man vermuten, dass nach den schlechten Erfahrungen des amerikanischen Abenteuers im Irak die nächsten Kapitel gestrichen würden. Die Iraker haben die Besatzungsarmee nicht mit Blumen empfangen. Der Vorwand für die Invasion - Saddams Massenvernichtungswaffen - war als eklatante Lüge entlarvt worden. Der bewaffnete Aufstand geht weiter. Die Zukunft des irakischen Staates hängt auch nach den Wahlen noch in der Luft. Möglicherweise zerfällt das Land in drei Teile und löst so eine Schockwelle durch den ganzen Nahen Osten aus.

Naive Leute glauben, dass nach diesem Fiasko Bush keine weiteren Abenteuer riskieren werde. Aber das ist ein Irrtum. Zunächst weil eine so primitive und eingebildete Person wie er niemals einen Fehlschlag zugeben wird. Wenn solch einem Mann ein Abenteuer misslingt, dann treibt ihn genau dies sogar in noch größere Abenteuer.

Zweitens: der Fehlschlag kostet zwar eine Menge Menschenleben und zerstört die Infrastruktur des Lebens im Irak. Aber das ist den Operationsplanern völlig gleichgültig. Das Hauptziel, eine dauernde Garnison im Lande aufzubauen, ist erreicht worden. Außerhalb des Irak verlangt niemand, dass die US-Soldaten das Land verlassen sollen. Auch wenn es jede Art von Sabotageakten gibt, das irakische Öl ist unter Kontrolle der USA. Die Ölbarone, die der Bush-Familie als Förderer dienten, können zufrieden sein.

Die Europäer und die Russen versuchen, Bush’s Weg zu blockieren. Er ist gerade im Begriff, in der EU und der Nato Staatsbesuche abzustatten, und versucht, sie mit sanften Tönen einerseits und Drohungen andererseits davon zu überzeugen, sich seinen Kriegsabenteuern anzuschließen.

Deshalb muss man Bush und Cheneys Drohungen, den Rottweiler loszulassen, ernst nehmen. In dem Augenblick, in dem sie glauben, der Weg sei frei, werden sie Sharon ein Zeichen geben. Sharon wird seine Pflicht tun, um eine amerikanische Übereinkunft zu erhalten, die ihm erlaubt, wieder ein paar Stücke Land der palästinensischen Gebiete zu verschlingen.

Wird die militärische Aktion das Regime der Ayatollas stürzen? Ich bezweifle es. Es ist tatsächlich ein widerwärtiges Regime. Aber mit einem Angriff von außerhalb, besonders mit “Kreuzfahrern und Zionisten” konfrontiert, wird sich das iranische Volk vereinigt hinter sein Regime stellen. Ein so stolzes Volk mit ruhmreicher Geschichte wie die Iraner wird nicht so leicht zu brechen sein.

Syrien ist ein anderes Ziel. Es hat nicht wie der Irak und der Iran Ölreserven. Aber ohne Syrien wird das amerikanische Empire nicht kontinuierlich und weiterhin ein Hindernis für Israel sein.
Im Krieg von 1967 hatte Israel die Golanhöhen erobert, die bis dahin in Israel “die syrischen Höhen” genannt wurden. Anstelle von Dutzenden syrischer Dörfer, die vom Erdboden verschwunden sind, stehen jetzt israelische Siedlungen. Die Syrer haben nie aufgegeben, zu versuchen, ihr Land zurückzubekommen. 1973 versuchten sie es mit einem Krieg, wurden aber trotz des anfänglichen Sieges in die Flucht geschlagen. Seitdem hat sich das militärische Ungleichgewicht noch mehr zu Gunsten Israels geneigt. Deshalb versucht Syrien nun eine andere Methode: Israel durch Stellvertreter zu schikanieren, durch Unterstützung der Hisbollah und der radikalen palästinensischen Organisationen, deren Führer in Damaskus leben.

Um dauernde Souveränität über die Golanhöhen zu erreichen, muss Israel Syriens Widerstand brechen. Die Neo-Konservativen in Washington - welch eine Überraschung! - haben dasselbe Ziel. Der Vorwand: die Tatsache, dass Syrien im Libanon Soldaten stationiert hat.

Historisch betrachtet, ist der Libanon ein Teil Syriens. Damaskus hat sich nie mit der Errichtung eines getrennten Libanons in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die französischen Kolonialherren abgefunden. Es akzeptiert den Libanon höchstens als syrisches Protektorat.

Die syrische Armee marschierte 1976 auf der Höhe des Bürgerkrieges in den Libanon ein. Die Muslime und die Drusen waren mit Hilfe der PLO im Begriff, die christlichen Gebiete zu erobern. Es waren die Christen (!!), die die Syrer zu Hilfe riefen, um sie zu retten. Viele Libanesen glauben, dass ihr Abzug den Bürgerkrieg wieder zum Ausbruch bringen würde.
Seitdem sind die Syrer dort.

1982 versuchte Israel, sie zu verdrängen. Das war das Hauptziel der israelischen Armee (im Unterschied zum damaligen Verteidigungsminister Arik Sharon, dessen Hauptziel es war, die Palästinenser zu vertreiben). Aber die Invasion erreichte nicht ihr Ziel. Am Ende wurden die Israelis hinausgetrieben, und die Syrer blieben.

In dieser Woche wurde der muslimische Führer Fariq al-Hariri, der sich vor kurzem der Opposition anschloss, in Beirut ermordet. Noch weiß man nicht, wer es tat. Die große amerikanische Propagandamaschine, die die israelischen Medien einschließt, wies auf die Syrer hin. Wenn sie tatsächlich schuldig sein sollten, war dieser Akt eine ganz große Dummheit, da es offensichtlich den Amerikanern helfen würde, eine libanesische Opposition aufzubauen und einen Sturm antisyrischer Gefühle zu wecken. Es geschah exakt im richtigen Augenblick für jemanden, der daran interessiert ist, eine Kampagne gegen Syrien zu beginnen, und zwar unter dem Slogan: “Schluss mit der syrischen Besatzung!”

Diese Forderung ist jedoch recht seltsam; sie kommt von zwei Besatzungsmächten: den Amerikanern im Irak und den Israelis in Palästina. Aber Rottweiler sind nicht wegen ihres Humors bekannt, auch die nicht, die sie an der Leine führen.

Anmerkungen:

1 Zusätzliche Schüsse, die den Tod sicherstellen.

2 Halutz war bei diesem Angriff selbst nicht beteiligt

Quelle: www.uri-avnery.de vom 19.02.2005. Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert.

Veröffentlicht am

21. Februar 2005

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