Nieder die Waffen - Mr. Bush und Herr Schröder!Von Jürgen Grässlin - Redebeitrag zur Friedensdemonstration am 22.02.2005 in Freiburg am Augustinerplatz anlässlich des Besuchs von US-Präsident Bush in Mainz Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, wir haben uns heute in Freiburg versammelt, um gegen den morgen Mittag in Mainz stattfindenden Besuch des US-Präsidenten George W. Bush zu demonstrieren. Als Friedensbewegung haben wir vor einem Krieg gegen den Irak - dem dritten Golfkrieg - gewarnt. Ich selbst habe in einem Beitrag zum Buch “NO WAR” im Dezember 2003, also frühzeitig vor Kriegsbeginn, folgende Thesen formuliert:
Was damals These war, ist heute blutige Realität. Mit dem Krieg gegen den Irak hat sich der amtierende US-Präsident aus unserer Sicht eines schweren Verbrechens schuldig gemacht. Doch das hat den deutschen Bundeskanzler nicht daran gehindert, Herrn Bush für morgen nach Mainz einzuladen. Wir aber sagen in aller Deutlichkeit: Begründet mit der so genannten “Terrorbekämpfung” bedrohen Sie nunmehr den Iran und weitere Staaten, die Sie als die “Achse des Bösen” bezeichnen. Zweifelsohne stellt das Atomprogramm des Iran eine weitere Bedrohung dar - ebenso wie die nordkoreanischen, israelischen, russischen, chinesischen, indischen, pakistanischen, französischen, britischen und US-amerikanischen Atomwaffen den Weltfrieden bedrohen. Unserer Ansicht nach existiert eine ganz andere “Achse des Bösen”. Sie reicht vom Hunger über die Armut, die fehlende Bildung bis hin zur unzureichenden medikamentösen Versorgung für Millionen von Menschen in aller Welt. UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, hat uns vor wenigen Tagen eindringlich vor Augen geführt, wo die Wurzeln des Terrors zu suchen sind: In Uganda sterben jedes Jahr rund 184.000 Kinder, in Äthiopien 506.000 Kinder, im Kongo gar 545.000 Kinder vor Erreichen des fünften Lebensjahrs. Zu Recht hat Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul darauf hingewiesen, dass täglich 30.000 Kinder an Krankheiten sterben, die geheilt werden könnten, wenn genügend Ärzte und Medikamente vor Ort wären. Die Saat des Terrors gedeiht in einer Weltwirtschaftsordnung, deren ungerechte Strukturen dafür sorgen, dass die Schere von Armut und Reichtum immer weiter auseinander klafft. Die “Achse des Bösen” umfasst alle kriegs- und bürgerkriegsführenden Armeen und diejenigen Staaten, die - wie die USA und Deutschland - Waffen an menschenrechtsverletzende Regime exportieren. Zudem trägt die hemmungslose Wirtschafts- und Umweltverschmutzungspolitik der USA massiv dazu bei, dass die Klimakatastrophe wahrscheinlicher wird, dass verstärkt Kriege um Rohstoffe wie Erdöl und Wasser geführt werden, dass riesige Landstriche unbewohnbar und noch mehr Menschen zu Flüchtlingen gemacht werden. Dass Sie, Herr Bush, bisher keinerlei Interesse an der Lösung dieser Menschheitsprobleme gezeigt haben, offenbart sich in der gesamten Ausrichtung Ihrer Außen- und Innenpolitik: von der unglaublichen Ressourcenverschwendung zur Kriegsführung in aller Welt über den permanenten Bruch von Menschrechten, der Folterungen in Abu Ghraib und Guantanamo bis hin zur weltweit zweithöchsten Zahl von Hingerichteten im eigenen Land. Die Opfer Ihrer Politik sind längst nicht mehr zählbar. Aus meiner Sicht muss gegen Sie, Herrn Bush, Anklage vor einem internationalen Strafgericht erhoben werden - wegen der Anordnung schwerster Menschenrechtsverletzungen und des Bruchs des Völkerrechts im Irak-Krieg! Und aus diesem Grund sagen wir auch in Ihrer Sprache: Mir bleibt unerklärlich, weshalb der deutsche Bundeskanzler diesem US-Präsidenten in Mainz einen Empfang bereiten will. Herr Schröder, “Null Toleranz!” darf nicht nur gegenüber Rechtsextremisten gelten, sie muss auch gegenüber Menschenrechtsbrechern und Kriegsverbrechern ihre Gültigkeit haben! Die Schröder-Regierung hat in den vergangenen Jahren häufig Frieden gepredigt und dabei - zumindest indirekt - den Krieg im Irak unterstützt: Herr Schröder, die Politik Ihrer Regierung ist keine Friedenspolitik, sondern aktive Kriegsunterstützungspolitik! Ihre so genannte “Sicherheitspolitik” bringt das Gegenteil dessen, was Sie als Ziel vorgeben. Mit der verstärkten Militär- und Rüstungspräsenz auf der Weltbühne will die Bundesregierung Ihrem Anspruch nach einem Ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat Geltung verschaffen. Wir aber fragen Sie, Herr Schröder: Wie hoch ist der Preis, den Sie bezahlen wollen, um als Ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat über Krieg und Frieden mitentscheiden zu dürfen? Als Friedens-, Frauen-, Menschenrechts-, Dritte-Welt- und globalisierungskritische Bewegung haben wir uns das Ziel einer friedlicheren, sozialeren und gerechteren Welt gesetzt. Den Weg hat uns Bertha von Suttner aufgezeigt, die Begründerin der Deutschen Friedensgesellschaft. Heute ist die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) die älteste und eine der größten deutschen Friedensorganisationen, und wir haben in Freiburg eine aktive Ortsgruppe der DFG-VK, zu deren Gruppentreffen ich Euch gerne einladen möchte. Bertha von Suttner erhielt 1905 als erste Frau den Friedensnobelpreis - also vor genau einhundert Jahren. Ihre Friedensarbeit gipfelte in der Forderung: “Die Waffen nieder!” Herr Schröder, “Die Waffen nieder!” stellt Sie am heutigen Tag vor die Entscheidung: Wollen Sie als Kriegskanzler weiter aufrüsten oder als Friedenskanzler endlich den Prozess der Abrüstung und Entmilitarisierung einleiten?
Für das Jahr 2005 bedeutet Bertha von Suttners “Die Waffen nieder!” zudem:
Für uns Aktive in der sozialen Bewegung, aber auch für Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Glaubensgemeinschaften, als Mitglieder von Parteien und Gewerkschaften bedeutet dies, dass wir den Druck auf die Bundesregierung erhöhen müssen, damit endlich konkrete “Schritte zur Abrüstung” erfolgen. Für junge Männer und Frauen bedeutet das die massenhafte Verweigerung des Kriegsdienstes. Lassen Sie mich enden mit einer Aussage des Pazifisten Albert Einstein aus dem Jahr 1955, der im Einstein-Jubiläumsjahr nicht fehlen darf. Diese Aussage sollte als Mahnung und Zielvorgabe weithin sichtbar als Transparent am Deutschen Bundestag angebracht werden. Albert Einstein erklärte: “Die schlimmste Ausgeburt des Herdenwesens … das mir verhasste Militär…, diesen Schandfleck der Zivilisation, sollte man so schnell wie möglich zum Verschwinden bringen.” 1 Ich schließe in dieses Einstein-Zitat alle Armeen, ausdrücklich auch die US-Army und die Bundeswehr, mit ein. Vielen Dank Jürgen Grässlin, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Anmerkung: 1 Einstein, Albert: “Mein Weltbild”, Ullstein 1955, S. 8. Zitiert nach: Calaprice, Alice (Hrsg.): “Einstein sagt. Zitate, Einfälle, Gedanken”, München 2003, S. 113 Kontakt Veröffentlicht amArtikel ausdruckenWeitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von |
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