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Harry Belafonte fordert Ermittlungen gegen Rumsfeld

Harry Belafonte hat in einem Brief an den Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof, Wolf-Dieter Dietrich, die deutsche Justiz aufgefordert, die Ermittlungen gegen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wieder aufzunehmen.

Betrifft: Strafrechtliche Ermittlungen gegen den Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten Donald Rumsfeld u.a.
AZ: 3 ARP 207/04-2

Sehr geehrter Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof Dietrich,

ich schreibe Ihnen mit der Bitte, Ihre Entscheidung zu überdenken, die Ermittlungen gegen Donald Rumsfeld und andere US-Beamte, die aufgrund von Strafanzeigen irakischer Folteropfer und des Center for Constitutional Rights (CCR) 1 eingeleitet wurden, einzustellen. 2 Wie Sie wissen, engagiere ich mich seit langem für Belange des Friedens und der Gerechtigkeit. Deutschland kenne ich seit Mitte der 50er Jahre und bin dort häufig aufgetreten. Ich habe größten Respekt vor den Positionen, die die deutschen Bürger und ihre Regierung in zentralen außenpolitischen Fragen eingenommen haben, vor allem, wo es ihnen um die friedliche Lösung globaler Konflikte geht.

Als ich die Bilder irakischer Gefangener sah, die von amerikanischen Soldaten gefoltert wurden, war ich zutiefst schockiert und betrübt. Seither gibt es fast jede Woche neue Enthüllungen über das Ausmaß dieser Folterungen - dabei ist zu Tage getreten, dass es sich bei der Misshandlung und Folter von Gefangenen im Irak, Afghanistan und Guantanamo um eine weit verbreitete Praxis handelt. Nachweislich haben sich hochrangige Mitglieder der US-Regierung und des Militärs daran beteiligt. Trotzdem hat sich die US-Regierung geweigert, die eigene Mitverantwortung einschließlich der von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zu untersuchen. Stattdessen werden ausschließlich Soldaten niederen Ranges strafrechtlich verfolgt.

Seit den Schrecken des Zweiten Weltkrieges und ihrer Nachwirkungen müssen unbestritten sämtliche Staaten sicherstellen, dass alle, die sich der Folter und Kriegsverbrechen schuldig machen, vor Gericht gebracht werden. Wenn die betroffenen Staaten dies unterlassen, sind die internationale Staatengemeinschaft und ihre Mitglieder verpflichtet, aktiv zu werden.

Ich war sehr erfreut, als ich erfahren habe, dass das CCR eine 170-seitige Strafanzeige gegen hochrangige US-Beamte bei Ihnen eingereicht hat. Wie mir das CCR erklärt hat, können mutmaßliche Kriegsverbrecher nach dem Völkerrecht und dem internationalen Strafrecht Ihres Landes unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und ihrem Aufenthaltsort strafrechtlich verfolgt werden. Abgesehen davon leben einige der Beschuldigten in Deutschland. Ich unterstütze die Bemühungen des CCR, US-Beamte für ihre mutmaßliche Beteiligung an diesen Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen.

Meines Wissens liegt es in Ihrer Zuständigkeit und in Ihrer Pflicht, solche Ermittlungen einzuleiten. Eine Unterlassung würde zu weiteren Gesetzesbrüchen ermutigen. Ich bitte Sie dringend, eine Ermittlung gemäß des deutschen Rechts, der Genfer Konventionen und der Konvention gegen die Folter einzuleiten. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Maßnahmen ergriffen werden müssen. Keiner, der an Folter und Kriegsverbrechen beteiligt ist, darf weiterhin ungestraft bleiben.

Hochachtungsvoll

Harry Belafonte

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Anmerkungen der Redaktion:

1 Das Center for Constitutional Rights (CCR)ist eine gemeinnützige Anwaltsorganisation in den USA, die sich mit Rechtsverfahren zum Schutz des US-amerikanischen, des Verfassungsrechts und der Menschenrechte beschäftigt. CCR ficht derzeit besonders intensiv die Zivil- und Menschenrechtsverletzungen an, die der “War on Terror” der Bush-Regierung mit sich bringt. Das CCR wurde in den 1960er Jahren von einer Gruppe engagierter Anwälte gegründet, die zur Zeit von Martin Luther King Bürgerrechtler in den Südstaaten verteidigt haben. Seine Gründer verstanden sich als Verteidiger derjenigen, die für einen progressiven sozialen Wandel und gegen die schlimmsten Exzesse der US-Regierung eintraten. Gegen Ende der Bürgerrechtsbewegung, Ende der 1960er Jahre, wurde die Anti-Vietnamkriegsbewegung zum Schwerpunkt der Arbeit des CCR.

2 Die 170-seitige Anklageschrift wurde dem Generalbundesanwalt in Karlsruhe übergeben. Sie stützt sich auf das deutsche Völkersstrafgesetzbuch, nach dem Völkerrechtsverbrechen auch dann von deutschen Behörden verfolgt werden können, wenn daran keine Deutschen beteiligt waren oder die Fälle nicht in Deutschland stattfanden. Am 10. Februar 2005 erklärte jedoch Generalbundesanwalt Kay Nehm, seine Behörde werde kein Verfahren einleiten. Zur Begründung hieß es, nach internationalem Strafrecht seien in erster Linie die Behörden des Tatortstaates oder die Heimatstaaten der Täter und Opfer sowie internationale Gerichtshöfe zuständig. Nur wenn diese unfähig und unwillig seien, Verstöße gegen das Völkerstrafgesetzbuch zu verfolgen, solle diese Lücke durch unbeteiligte Drittstaaten geschlossen werden. Auch der Internationale Strafgerichtshof werde erst dann tätig, wenn Einzelstaaten unwillig oder unfähig zur Strafverfolgung seien.

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Veröffentlicht am

25. Februar 2005

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