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Einige Gedanken zum Akademikerboykott

Von Victoria Buch, April 2005

Ich möchte mit Ihnen einige Gedanken teilen - als jemand, der gegen die Besatzung und israelische Akademikerin ist. Die Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft, durch Akademiker oder andere, ist im Kampf gegen die Besatzung dringend nötig. Die Frage ist natürlich: welche Art von Unterstützung?

Leute, die wie ich gegen die Besatzung sind, werden oft als Anti-Israelis gebrandmarkt. Ich sehe mich nicht als anti-israelisch - ganz im Gegenteil. Unglücklicherweise scheint im Augenblick der schlimmste Feind dieses Landes die eigene, demokratisch gewählte Regierung zu sein. Das oberste Gebot dieser Regierung ist die Siedlungserweiterung, zusammen mit Landenteignung und der Massenverhaftung von Palästinensern. Ich unterstütze voll und ganz Initiativen von US-Aktivisten, die versuchen, den Fluss absurder US-Gelder für die Besatzung zu stoppen - nicht nur um der Palästinenser, sondern auch um meines eigenen Volkes willen, da Sharon die Zukunft beider Völker zerstört. Ich unterstütze auch die Aufrufe für selektives Nicht-Investieren in Gesellschaften, die durch die Besatzung profitieren, und die vom Weltrat der Kirchen und vom Anwalt Shamai Leibowitz formuliert wurden.

Es gibt noch viele Möglichkeiten sinnvollen akademischen Protestes. Man sollte gegen die rassistischen Erklärungen von Haifaer “Spezialisten über demographische Probleme” protestieren, man sollte gegen die akademische Unterstützung des Kollegs von Judäa und Samaria von Bar Ilan sein und gegen die Enteignung und das Schikanieren der Flüchtlinge aus Lifta, die neben der Hebräischen Universität wohnen, protestieren. Außerdem kann ich meinen europäischen Freund verstehen, wenn er sich weigert, eine Einladung für eine offizielle Funktion in einer der israelischen Universitäten anzunehmen; bei dieser Gelegenheit erklärte er seinen Gastgebern, dass er ihre Gleichgültigkeit gegenüber den Palästinensern nicht begreifen kann.

Ich habe auch alle Achtung vor dem berühmten britischen Physiker, der sich entschieden hat, auf den renommierten israelischen Wolf-Preis zu verzichten - der Physiker weigerte sich, an der Feier teilzunehmen, wo er die Hände von israelischen Offiziellen hätte schütteln müssen.

Aber da gibt es eine Reihe akademischer Boykotts, die ich entschieden nicht mit unterstützen kann. Das ist der Boykott israelischer Akademiker wegen des einzigen “Verbrechens”, dass sie Israelis sind. Ich möchte mich da besonders an die US- und britischen Unterstützer dieser Sorte von Boykott wenden: gibt es eine moralische Rechtfertigung für das Boykottieren israelischer Bürger für die kriminelle Politik ihrer Regierung durch Bürger von zwei Ländern, deren augenblickliche Regierungen eine gleichartige kriminelle Politik - ja sogar, in viel größerem Ausmaße - ausführen? Briten und Amerikaner erklären stolz, dass sie kein israelisches Projekt überprüfen oder kein Konzert mit israelischen Musikern besuchen würden. Welches Recht haben sie, anonyme israelische Musiker oder Akademiker zu kritisieren? Das würde eine gleich gute oder eher gleich absurde moralische Basis für die Verweigerung der internationalen Gemeinschaft von Akademikern sein, eure Projekte zu überprüfen oder kulturelle Veranstaltungen eurer Landsleute zu besuchen.

Dieses erstaunliche Gefühl moralischer Überlegenheit scheint auf der Vermutung zu beruhen, dass israelische Akademiker ihre Regierung unterstützen und die US-amerikanischen und britischen nicht. Noch einmal: wer sind Sie, dies zu behaupten? Hunderte von israelischen Akademikern haben Statements unterschrieben, um die Militärverweigerer zu unterstützen. Die israelische Ministerin für Bildung drohte uns rauszuwerfen. Haben Sie je öffentlich Ihre Wehrdienstverweigerer unterstützt? Und wie ist es mit den lukrativen Kontakten zum militärischen Establishment, das oft das Geld für die US- (und vielleicht auch britischen) Universitäten liefert? Und Ihr nächster Kollege, dessen Forschungsgruppe durch eine Armee-Subvention unterstützt wird. Boykottieren Sie ihn? Oder vielleicht begegnen Sie ihm mit einem fröhlichen Guten Morgen im Korridor?

Was den Boykott verängstigter israelischer Bürger betrifft, die eine Gehirnwäsche durchgemacht haben und die deshalb glauben, dass jeder Araber ein potentieller Terrorist ist - haben Sie solche Leute nicht in rauen Mengen im eigenen Land? Boykottieren Sie sie alle? Die israelischen Medien werden von Regierungspropaganda überschwemmt, und es ist sehr schwierig, herauszufinden, was wirklich los ist, bis man sich entscheidet, den Medien gar nicht mehr zu glauben. Nur wenige Leute, einschließlich Akademiker, sind in der Lage, dies zu tun. Ich rechtfertige diese Paranoia nicht. Ich möchte nur auf den Unterschied zwischen einem verängstigten, gehirngewaschenen Bürger und einem Schurken aufmerksam machen. Vielleicht kann man sich in diesem Kontext an die Geschichte im Neuen Testament erinnern, die von Jesus erzählt, der das Steinigen der Sünderin verhindert hat. Ich bin eine jüdische Atheistin - aber aus dieser Geschichte kann jeder etwas lernen ….

Victoria Buch, Dozentin für Chemie an der Hebräischen Universität, Jerusalem und aktiv bei den Machsom Watch-Frauen, die an den Checkpoints - ehrenamtlich - beobachten, dokumentieren, vermitteln >> www.kibush.co.il . (Siehe auch: Lia Nirgad, Winter in Qalandia, Semit-Edition, Melzer Verlag, 2005). Übersetzung: Ellen Rohlfs.

Veröffentlicht am

25. April 2005

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