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50 Jahre Bundeswehr: Zeit für eine gesellschaftliche Debatte um sie selber

Die Bundeswehr feiert dieses Jahr ihr 50-jähriges Bestehen. Die offiziellen Feiern zu “50 Jahre Bundeswehr” haben bereits begonnen. Bis zum 12. November 2005 finden zahlreiche Gelöbnisse, Zapfensreiche und Militäraustellungen im öffentlichen Raum statt. Sind 50 Jahre Bundeswehr aber ein Anlass zum Feiern? Nein! Sie können eher ein Anlass sein, eine neue Debatte über die Aufgaben dieser Armee zu beginnen, die damit verbundene Verschwendung von Ressourcen, welche zum Beispiel für eine wirksame zivile Konfliktbearbeitung fehlen. 50 Jahre Bundeswehr - ein geeigneter Zeitpunkt, eine gesellschaftliche Debatte um sie selber zu beginnen.

Wir dokumentieren nachfolgend Pressemitteilungen des “Netzwerk Friedenskooperative” und der “Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen” (DFG-VK) zum 50. Jahrestag.


Feierveranstaltungen unangemessen!

50 Jahre Bundeswehr sollte Anlass sein, die Aufgaben und auch die Armee selbst in Frage zu stellen.

Die Bundeswehr feiert in diesem Jahr selbstbewusst, aber nicht gerade selbst-reflexiv, ihr 50jähriges Bestehen. Regierungsamtlich wird durch die pompösen Feiern zur Bundeswehr als “Friedensarmee” erneut das falsche Paradigma der militärischen “Lösung” von Krisen und Konflikten in den Vordergrund gestellt. Mit den zahlreichen geplanten Jubiläumsausstellungen modernster Militärtechnik wie mit Minister Strucks Schwärmerei vom Soldaten der Zukunft “mit Waffe und Laptop” wird Werbung mit der technischen Faszination des Militärhandwerks betrieben und damit verbundener Krieg und Zerstörung ausgeblendet. Mit Zapfenstreichen und Gottesdiensten für die Armee werden preußische Traditionen und Rituale neu belebt, die spätestens seit Wehrmachtszeiten völlig diskreditiert sein sollten.

Der oberste Dienstherr Struck fordert gleichzeitig mehr gesellschaftliche Diskussion um mögliche Kampfaufträge mit toten deutschen Soldaten und die Aufgaben der Bundeswehr bei Friedenserzwingung und “Verteidigung Deutschlands am Hindukusch”. Recht hat er. Diese Diskussion ist nötig. Die Serie der Bundeswehrfeiern bis zum November 2005 wird von Aktionen der Friedensbewegung begleitet werden, die sich gegen Verherrlichung von Militärtechnik wenden, die Rolle der Bundeswehr als Interventionsarmee und das Dogma der “humanitären Intervention” hinterfragen und das Primat ziviler Konfliktbearbeitung einklagen.

Die Bundeswehr steht in ihrem 50sten Jahr auch in einer Legitimationskrise. Nach Wegfall der Landesverteidigung als primäre Aufgabe werden ihre immensen Kosten mit dem militärisch nicht zu gewinnenden “Krieg gegen den Terror”, “friedenserzwingenden Maßnahmen”, also Krieg mit UNO-Mandat, und Waffenstillstandsüberwachungen gerechtfertigt. Dagegen fragen Organisationen aus der Friedensbewegung, ob Bekämpfung des internationalen Terrorismus wie auch von Krisen und Kriegen nicht bei einer Umverteilung von Geld und Ressourcen auf zivile und politische Anstrengungen effektiver und mit weniger zivilen Opfern gelingen könnten. Tatsächlich sollte die gesellschaftliche Diskussion um die Bundeswehr neu beginnen.

Pressemitteilung von Netzwerk Friedenskooperative vom 07.06.2005.


50 Jahre Bundeswehr - Verteidigungsminister Struck rechnet mit Toten - Die DFG-VK antwortet mit Tucholsky

Bodycount - das Zählen von im Einsatz gefallenen Soldaten - ist wieder ein Thema in der gerade 50 Jahre alt gewordenen Bundeswehr.

Rückblick:
Die Bundeswehr gründet sich auf - sagen wir es wohlwollend - “Mythen”. Sie wurde trotz großer politischer und gesellschaftlicher Widerstände der Kriegs- und Kriegsdienstgegner und breiter Bevölkerungsschichten durchgesetzt. Heute ist sie im Bewusstsein der Öffentlichkeit - scheinbar - legitimiert durch den akzeptanzheischenden, gebetsmühlenhaft wiederholten Mythos des “mündigen Staatsbürgers in Uniform”. Von ihrer Gründung bis heute konnte die Bundeswehr ihren sagenumwobenen Auftrag “der Landesverteidigung” auf den gesamten Erdball ausgedehnt immer wieder neu interpretieren. Hier liegt der zweite wesentliche Mythos der uns - ganz im Kleid des Orwellschen Neusprech - die Idee der “weltweiten Landesverteidigung” näher bringen möchte. Doch nicht erst seit den jüngst auch einer größeren Öffentlichkeit bekannt gewordenen Folterskandalen und den out-of-area-Einsätzen in den 90er Jahren wissen wir:

Die Bundeswehr wird durch die Umrüstung zur modernen Kriseninterventionsarmee immer klarer zu dem, was sie von staatlicher Seite bereits seit ihrer Gründung sein sollte: Ein machtpolitisches Werkzeug im “Spiel” um weltpolitische Geltung, um Ressourcen und Märkte in der Welt. Wie Strucks Äußerungen zeigen, ziert sie sich nun immer weniger, ihr “demokratisches” Deckmäntelchen abzulegen. Nach 50 Jahren wird deutlich: Sie ist eine Armee wie jede andere - denn sie beruht auf dem Gewaltprinzip von “Befehl und Gehorsam” und ist als Zwangsveranstaltung zum Wohle der politischen Eliten und zum Schaden der Gesamtgesellschaft aktiv. Gleichwohl: Sie ist keine Armee wie jede andere, denn sie ist mit gefährlichem Tötungsgerät schon wieder ambitioniert in Kriegs- und Krisenregionen der Welt aktiv.

Ausblick:
Allein die Umsetzung der geplanten 110 Mrd. ? Investition in Rüstung und Militär bedroht bereits heute die Zukunftsfähigkeit nicht nur der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Die geplanten Investitionen verhindern die notwendige zivile Bearbeitung von Konfliktursachen und führen geradewegs zu weiteren Krisen und Konflikten. 50 Jahre Bundeswehr - Kein Grund zum Feiern - aber ein Grund, die seit einem halben Jahrhundert ausgegebene Parole “Weiter so” in Frage zu stellen. “Weiter so” führt uns auf direktem Wege in die nächsten anstehenden Kriege um Wasser, Energie und globale Märkte. Ein Paradigmenwechsel wird eingefordert. Die DFG-VK Kampagne “Schritte zur Abrüstung” stellt sich klar gegen diese Politik der militärischen Intervention. Da Struck und Schröder jetzt auch noch den sogenannten “bodycount” für gesellschaftsfähig erklären - also das Zählen von im Einsatz gefallenen Bundeswehr-Soldaten ankündigen - antworten wir hierauf aus gegebenem Anlass mit Kurt Tucholsky:

Die dritte Minute gehört den Jungen!
Euch haben sie nicht in die Jacken gezwungen!
Ihr wart noch frei, Ihr seid heute frei!
Sorgt dafür, dass es immer so sei!
An euch hängt die Hoffnung. An euch das Vertraun
Von Millionen deutschen Männern und Fraun.
I h r sollt nicht stramm stehn. I h r sollt nicht dienen!
Ihr sollt frei sein! Zeigt es ihnen!
Und wenn sie euch kommen und drohn mit Pistolen -:
Geht nicht! Sie sollen euch erst mal holen!
K e i n e Wehrpflicht! K e i n e Soldaten!
K e i n e Monokel-Potentaten! K e i n e Orden!
K e i n e Spaliere! K e i n e Reserveoffiziere!
Ihr seid die Zukunft! Euer das Land!
Schuettelt es ab, das Knechtschaftsband!
Wenn ihr nur wollt!, seid ihr alle frei!
Euer Wille geschehe! Seid nicht mehr dabei!
Wenn ihr nur wollt: bei euch steht der Sieg -!
N i e w i e d e r K r i e g !

Auszug aus “Drei Minuten Gehoer” von Kurt Tucholsky (1890-1935)

Pressemitteilung der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) vom 08.06.2005


Hinweise des Netzwerk Friedenskooperative

Wir sind überzeugt, dass diese selbstbewusste, aber wenig selbst-reflexive Zurschaustellung bei vielen auf Skepsis und Empörung trifft. 50 Jahre Bundeswehr sind für uns eher Anlass, die gesellschaftliche Diskussion um die Aufgaben der (Interventions-) Armee neu zu beginnen, die Umverteilung von Finanzen und Ressourcen zu ziviler Konfliktbearbeitung zu propagieren und die Legitimation der Bundeswehr insgesamt in Frage zu stellen. Wir ermuntern zu Veranstaltungen zum Thema und zu Protestaktionen gegen Waffenschauen, Gelöbnisse und Zapfenstreiche.

“50 Jahre Bundeswehr” gibt außerdem dem Thema Verteidigungs- vs. Friedenspolitik im Bundestagswahlkampf einen besonderen Stellenwert - zumindest können wir das gewaltige regierungsamtliche Brimborium um die “Friedensarmee” dazu nutzen, die außen- bzw. verteidigungspolitischen Positionen der Kandidaten stärker zu hinterfragen. Die örtliche Diskussion, ob ein Stadtrat den Marktplatz für das preußische Ritual Zapfenstreich zur Verfügung stellt, können wir mit der Frage an die Bundestagskandidaten verbinden, wohin sie denn die Bundeswehr zu welchem Zweck zu schicken gedenken.

Lasst uns die Aktionsideeen und Informationen zu Gegenveranstaltungen vernetzen und austauschen! Erste Aktivitäten gibt es in Bochum / Köln / Berlin. Wir sind überzeugt, dass es etliche dutzend werden.

Wir richten auf der website der Friedenskooperative ein Infosystem zu “50 Jahre Bundeswehr” ein - mit Aktionsvorschlägen, Stellungnahmen und Veranstaltungsübersicht. Sendet uns dazu bitte Eure eigenen Ideen, Pläne, Aufrufe/Flugblätter, Aktionstermine möglichst per eMail an: friekoop@bonn.comlink.org . Termine könnt Ihr auch auf unserer website direkt in die Datenbank eintragen: http://www.friedenskooperative.de/50bwterm.htm

Informiert Euch, ob in Eurer Stadt von der Bundeswehr ein “event” zum Jubiläum geplant wird: Terminübersicht der Bundeswehr (Die Infos auf der Bundeswehrseite sind ein bisschen unübersichtlich. Wir werden uns bemühen, bei uns eine klarere Übersicht zu erstellen) Aber selbst wenn nicht: Eine örtliche Diskussionsveranstaltung plant Ihr vielleicht dennoch, oder auch eine Beteiligung an Protestaktionen im Nachbarort.

Veröffentlicht am

09. Juni 2005

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