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Unter Rot-Grün hat der Flüchtlingsschutz ein Verfallsdatum

20. Juni: Internationaler Tag des Flüchtlings

Schilys Flüchtlingsbehörde widerruft Flüchtlingsstatus in Tausenden von Fällen. PRO ASYL: kurzsichtig, inhuman und völkerrechtswidrig

Von Bernd Mesovic

Keine konservative Regierung hätte es effizienter machen können: Gegen Ende der zweiten Amtsperiode der rot-grünen Bundesregierung ist der Flüchtlingsschutz in Deutschland am Ende. Mit den wenigen Asylsuchenden, die Deutschland noch erreichen, wird rabiater umgesprungen als je zuvor. In gerade noch 2.067 Fällen wurde im Jahr 2004 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Flüchtlingsstatus zuerkannt. Im selben Zeitraum widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei 14.972 Menschen, die oftmals seit längerem anerkannt waren, den Flüchtlingsstatus. Betroffen sind vor allem Flüchtlinge aus dem Irak und aus dem Kosovo. Kein anderer Staat in Europa kennt diese Praxis der Massenwiderrufe. Deutschland setzt sich im europäischen Vergleich an die Spitze der Inhumanität.

Auf der Strecke bei der Fließbandarbeit im Bundesamt bleibt die individuelle Prüfung, ob ein Flüchtling, bei dem früher in einem individuellen Verfahren Schutzbedürftigkeit festgestellt worden ist, heute bei einer Rückkehr keiner Gefahr mehr ausgesetzt wäre. Ebenso wenig wird geprüft, ob ihm diese Rückkehr nach den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention zugemutet werden kann.

Die Versuche von PRO ASYL und anderen Menschenrechtsorganisationen, das Bundesamt zu einer Korrektur seines Vorgehens zu bewegen, sind ergebnislos geblieben. Auch die vom Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) vorgetragene Besorgnis über diese Praxis findet dort keine Resonanz.

Ein großer Teil der Widerrufe erfolgt unter Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Nach Artikel 1 C (5) der Genfer Flüchtlingskonvention ist ein Widerruf möglich, wenn die Umstände, die zuvor zur Anerkennung eines Flüchtlings geführt haben, weggefallen sind. Voraussetzung ist eine grundlegende Veränderung der Situation im Herkunftsland, die fundamental und dauerhaft sein muss. Die Betroffenen müssen bei einer Rückkehr von den Behörden ihres Herkunftslandes wirksam geschützt werden können. Das setzt eine funktionierende Regierung und grundlegende Verwaltungsstrukturen voraus. Bei Flüchtlingen, die zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe haben, nicht in den Verfolgerstaat zurückzukehren, soll der Status nicht widerrufen werden. All das wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei der Einleitung von Widerrufsverfahren nicht oder völlig unzureichend geprüft. Es liegt bei Flüchtlingen aus dem Irak und bei vielen Flüchtlingen aus dem Kosovo auf der Hand, dass die Veränderungen in ihrem Herkunftsland nicht dauerhaft sind.

Was das Bundesamt bei Widerrufen an Sorgfalt und individueller Betrachtung vermissen lässt, hat seine Entsprechung in der Anerkennungspraxis derselben Behörde. Auch hier prallen die Einzelschicksale von Flüchtlingen überwiegend an routinierten Textbausteinen ab. Das Ergebnis ist, dass die Zahl der Widerrufe inzwischen diejenige der Anerkennungen um ein Vielfaches übersteigt. Mit der Menschenrechtssituation in den Flüchtlingsherkunftsstaaten lässt sich das kaum erklären - die ist fast nirgendwo besser geworden in den letzten Jahren.

Mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes haben sich die gesetzlichen Grundlagen des Widerrufs nochmals verschärft. Nach Ablauf von drei Jahren ist nunmehr die Überprüfung des Flüchtlingsstatus obligatorisch. Dies ist die Einführung eines Verfallsdatums für den Flüchtlingsschutz.

Kurzsichtig, inhuman und völkerrechtswidrig: Anders lässt sich diese Politik nicht bezeichnen. Trotz aller Zuwanderungslyrik ist sie auf Abwehr und Abschottung eingestellt. Was unter einer konservativen Regierung begann, der Versuch, den Flüchtlingsschutz auf Null zu bringen und in andere Weltregionen zu verlagern, scheint unter Rot-Grün vollendet zu werden. Nach Irakern und Kosovoflüchtlingen geraten künftig auch Flüchtlinge aus Afghanistan und der Türkei ins Visier der Widerrufsspezialisten. Mit jedem Einzelfall widerruft die Bundesregierung auch eins: ihre Verpflichtung, mit einer humanen Flüchtlingspolitik die Lehren aus deutscher und europäischer Vergangenheit zu ziehen.


Quelle: PRO ASYL - Presseerklärung vom 19.06.2005.

Veröffentlicht am

21. Juni 2005

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