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Vorschlag zur Wiedereinführung der Wehrpflicht in den USA

Tom Friedmans Lösungsvorschlag

Von Mike Whitney - ZNet 19.06.2005

Wenn Amerikas wichtigster Politguru und Sprecher des mächtigen CFR (Council on Foreign Relations), Tom Friedman 1 , verkündet, es sei Zeit, die Wehrpflicht wiedereinzuführen, sollte man aufhorchen. Ein diesbezüglicher Kommentar Friedmans ist in seiner Kolumne vom 15. Juni erschienen. Darin prophezeit er zum wiederholten Male, der Irakkrieg sei “noch zu gewinnen”, falls “wir es nur richtig anfangen”. Dazu brauche es, so Friedman “die doppelte Anzahl Kampfstiefel vor Ort und eine Verdopplung der diplomatischen Bemühungen, um die Sunniten ins Boot zu holen”.

“Die doppelte Anzahl Kampfstiefel vor Ort?”

Klingt für mich wie der Ruf nach Wiedereinführung der Wehrpflicht.

Tom ist kein Dummkopf. Er weiß, dass er jene Amerikaner, die genug haben von diesem Krieg, nicht umpolen kann. Laut einer kürzlichen Gallup-Umfrage haben mittlerweile beeindruckende 59% der Amerikaner die Nase voll vom Irak und wollen den Truppenabzug. Friedmans Botschaft richtet sich folglich nicht an diese Gruppe sondern an jene kleine Minderheit von 10%, die, laut Gallup, für noch mehr Soldaten im Irak plädieren. Zu diesen 10% dürfte die Gruppe der “hartgesottenen” Bush-Anhänger zählen, deren Zahl weiter schwindet - plus jene Nullkommaeinsprozent-Elite, von der Amerika (hinter der Maske einer demokratischen Regierung) in Wirklichkeit regiert wird.

Friedmans Lösungsvorschlag kommt daher dem Ruf nach Wiedereinführung der Wehrpflicht gleich - ganz direkt. Ihm ist klar, dass der Irak ohne den massiven Einsatz amerikanischer Truppen nicht zu “befrieden” ist. Seine Logik stützt die Schlussfolgerungen General Shinsekis - der seinen Job verlor, weil er dem Kongress mitteilte, Amerika benötige “mehrere hunderttausend Soldaten” zur Sicherung des Irak. Friedmans Logik ist allerdings ein Fehdehandschuh an die Adresse des uneinsichtigen Rumsfeld - der seine Fehler nicht eingesteht und zu einer Fortsetzung der bisherigen Politik, unabhängig von deren katastrophalen Folgen, entschlossen ist. Denn, würde man dem Vorschlag, die Wehrpflicht wiedereinzuführen zustimmen, käme dies einer Bankrotterklärung gleich. Rumsfelds leicht zu kränkende Eitelkeit würde ein Eingeständnis des Scheiterns aber nie zulassen. Die Perspektive ist: Die Moral wird weiter sinken, es gibt große Schwierigkeiten bei der Rekrutierung und zunehmend Anzeichen dafür, dass unser Militär sich (in seinen Aufgaben) überdehnt und zerfasert.

Und wem gibt Friedman die Schuld an unseren Problemen im Irak? Jedem, der auch nur vage mit dem Fiasko in Verbindung zu bringen ist. Die Republikaner seien schuld, weil sie glaubten, es reiche, “zu applaudieren, egal, was das Bush-Team tut”. Die Demokraten seien schuld, weil sie “nicht wollen, dass das Bush-Team Erfolge aufweisen kann”. Die Iraker seien schuld, denn “sie haben nicht begriffen, welche gigantische Chance sich (ihnen) eröffnet” - und weil sie keinen so starken und unabhängigen Führer vorweisen können wie (kein Witz) “Hamid Karsai”. Die größte Schuld liege, so Friedman, bei Donald Rumsfeld. Friedman sieht die Sache so: “Das Kernproblem im Irak ist, dass Rumsfeld entschied, auf die billige Tour in den Irak einzumarschieren”. Mit anderen Worten: Friedman hat moralisch nichts gegen den Krieg, sondern kritisiert lediglich, dass der Einmarsch im Sinne der imperialen Ziele nicht effektiv genug verlief.

Verteidigungsminister Rumsfeld habe haarscharf zu wenig Truppen reingeschickt “sodass wir verlieren”. “Rumsfeld-Doktrin” nennt Friedman das. Kein Wort verliert Friedman jedoch über jene Zehntausende unschuldigen Iraker, die diesem sinnlosen Akt der Aggression bislang zum Opfer fielen und kein Wort über jene rund 1700 Militärangehörigen, die sterben mussten, damit die Petrokratie der Bushs im Mittleren Osten einen Brückenkopf errichten kann. Das Einzige, was ihn zu interessieren scheint, ist die Frage, ob es gelingt, ein paar kindische Ziele der globalen Eliten einigermaßen erfolgreich umzusetzen.

Friedman verweist in seinem Artikel auf die Risse und Spalten, die mittlerweile in den Zitadellen der US-Macht aufgetreten sind. Offensichtlich glauben viele Leute im Regierungsestablishment inzwischen nicht mehr, dass der plündernde Bush-Clan im Irak noch siegen kann. Friedman allerdings gibt die Hoffnung nicht auf. Stattdessen offeriert er eine letzte verzweifelte Kur, um die ganze Sache, das ganze Debakel, aus der Sackgasse zu bringen: die Wehrpflicht.

Der Konflikt wird weiter an Amerikas Ressourcen zehren - folglich darf man auf das weitere Genörgele der Powerbroker gespannt sein - Genörgele von Leuten, die normalerweise lieber hinter den Kulissen agieren. Die plötzliche Flut an Leitartikeln, in denen unsere Kriegsführung kritisiert wird und das große Angebot an Artikel über das sogenannte Downing-Street-Memo 2 legen den Schluss nahe, dass einige aus der Gruppe der Eliten plötzlich nervös werden - angesichts der massiven Inkompetenz des Verteidigungsministeriums - und einen Führungswechsel wünschen. Tom Friedman ist die Stimme einer aufkeimenden Gruppe frustrierter Bosse.

Bislang scheint der Streit zwischen den Eliten allerdings im Großen und Ganzen noch oberflächlicher Natur zu sein - so, wie auch die Auseinandersetzung Rumsfeld/Friedman. Die Forderung nach weiteren Soldaten ist eine reine Strategiefrage, die das Grundprinzip einer Kolonialherrschaft unangetastet lässt. Trotz wachsender Unzufriedenheit mit der in den Sand gesetzten Okkupation ist die Unterstützung für eine dauerhafte Präsenz in dieser Region nach wie vor ungebrochen. Es müsste viel (nämlich direkt Bedrohliches für die Männer an der Spitze der Politpyramide) passieren, ehe wir mit einem Politikwechsel rechnen dürfen.

Anmerkungen der Übersetzerin:

1 Thomas Friedman ist Pulitzerpreisträger und Kolumnist der New York Times

2 Siehe www.downingstreetmemo.com und entsprechende interessante Hinweise in unserem Forum

Quelle: ZNet Deutschland vom 22.06.2005. Übersetzt von: Andrea Noll. Orginalartikel: The Friedman Solution: Reinstate the draft

Veröffentlicht am

22. Juni 2005

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