Aktionsreise (II): ” … in unserer Motivation gestärkt, uns weiter für eine atomwaffenfreie Welt zu engagieren … “Aktionsreise zur Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrag nach New York (II)Von Csilla Morvai, 25, Gammertingen/Tübingen (ebenfalls veröffentlicht im Rundbrief 45, Juni 2005, Lebenshaus Schwäbische Alb) Als ich am 28. April, früh am Morgen nach New York aufbrach, hatte ich eine abwartende Einstellung und dachte: mal sehen was die nächsten zwei Wochen bringen werden. Ich hatte mich entschlossen, trotz anderweitiger Verpflichtungen an der Uni, an der Aktionsreise der Friedenswerkstatt Mutlangen zu der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertages (NPT) teilzunehmen, weil ich in ihr die einmalige Chance sah, in relativ kurzer Zeit sehr viele neue Erfahrungen zu machen und Herausforderungen zu begegnen. Das Zusammensein mit über 30 Leuten aus allen Ecken Deutschlands, die alle ihr Engagement gegen Atomwaffen zusammengeführt hat. Die Aussicht, hautnah einen Einblick in die Arbeit der UNO, der Ländervertretungen und nicht zuletzt der NGOs, der Nichtregierungsorganisationen, zu bekommen. Unsere geplanten Aktionen zu einem guten Gelingen zu führen, und das auch noch in einer Stadt der Superlative wie New York City. Das alles zusammen schien ein großes Abenteuer zu werden. Und wer weiß, vielleicht würden wir unserem Ziel einer atomwaffenfreien Welt hier ein Stück näher kommen. Was mir klar war: Wir hatten viel vor. Bereits in Mutlangen hatten wir verschiedene Aktionen geplant. So hatten wir die zahlreichen bemalten Tücher der Aktion “Mal dir den Frieden” dabei, mit denen wir uns morgens zur Mahnwache vor den Vereinten Nationen aufstellen wollten. Des weiteren: Sonnenblumensamen an Delegierte der Konferenz und auch an ganz normale Menschen verteilen, Gespräche mit Politikern und Delegierten führen. An Workshops und an der Demo am 1. Mai im Central Park teilnehmen. Der Aktion Völkerrecht bei der Präsentation ihres Schutzwalls für das Völkerrecht zu helfen. Und nicht zu vergessen, New York zu erkunden. Die Gruppe kam nach dem achtstündigen Flug und einer einstündigen Fahrt vom Flughafen nach Manhattan erschöpft, aber erwartungsvoll, in unserem Quartier, der West Park Presbyterian Church, an. Reginaldo, der Pastor, und die übrige “Crew” bereiteten uns einen herzlichen Empfang. Der Kontakt zu Reginaldo war über Wolfgang Schlupp-Hauck, genauer gesagt, über den Internationalen Versöhnungsbund, dem beide angehören, zustande gekommen. Auch in der Folgezeit waren alle aus der Kirchengemeinde immer sehr liebenswürdig und hilfsbereit zu uns, und sahen gnädig über den Trubel hinweg, den unsere manchmal recht laute und chaotische Gruppe in der Kirche verursachte. Unsere Schlafplätze waren in der kircheneigenen Turnhalle, und wir konnten auf weichen Turnmatten schlafen. Außerdem liegt die West Park Presbyterian Church sehr zentral und verkehrsgünstig, und das alles hatte zur Folge, dass ich kein Hotel der Welt gegen “unsere” Kirche, wie wir sie bald nannten, hätte tauschen wollen. Ich denke, es ging vielen anderen auch so. Bereits der erste Tag in New York bot “volles Programm”, und auch in der Folgezeit hatten wir immer einen vollen Terminkalender und kaum Zeit, das Erlebte zu verarbeiten. Unsere Gruppe, die sich “NPT YouthAction” nannte, hatte sich schon zu Anfang, wie geplant, in drei Gruppen aufgeteilt, die verschiedene Schwerpunkte hatten. Grob zusammengefasst: Die Lobbygruppe suchte vor Allem das Gespräch mit den Politikern, die Aktionsgruppe führte, wie der Name schon sagt, Aktionen durch, nämlich die tägliche Mahnwache, das Verteilen von Tütchen mit Sonnenblumensamen, oder Sonnenblumenpflanzaktionen. Die Pressegruppe schrieb Pressemeldungen und schickte sie nach Deutschland, sie suchte auch den Kontakt zu Pressevertretern vor Ort. Ich selbst war in der Aktionsgruppe. Der Ralph Bunche Park, in dem wir die Mahnwache hielten, befindet sich direkt gegenüber des UNO-Hochhauses in der 1st Avenue, und deshalb kamen jeden Tag auch viele Diplomaten, Konferenzteilnehmer und UNO-Bedienstete an unseren Transparenten vorbei. Unterstützt wurden wir von buddhistischen Mönchen, die ebenfalls im Park Mahnwache hielten, und laut trommelten. Die Mahnwache war unser täglicher Fixpunkt, darüber hinaus passierte aber jeden Tag noch eine ganze Menge: Die Aktionsgruppe hat z.B. im Central Park, im Bunche Park und auf der Südspitze von Roosevelt Island, in Sichtweite der UNO, Sonnenblumensamen gepflanzt, außerdem verteilten wir die Samen an Passanten auf der Straße wie auch an Diplomaten in der UNO. Am 1. Mai nahmen wir an der “No Nukes, No War”-Demo teil, die vor der UNO startete, und quer durch Manhattan in den Central Park führte. Dabei trugen wir einige unserer Transparente vor uns her, und ich selbst hatte eine peace-Fahne dabei, die mir Katrin aus dem Lebenshaus mitgegeben hatte. Bei der Demo trafen wir Menschen aus aller Herren Länder, vor allem auch viele sehr engagierte Japaner, was angesichts der Geschichte dieses Landes verständlich ist. Die Demonstranten skandierten: “No more Hiroshimas, no more Nagasakis, no more war!” und “What do we want? Peace! When do we want it? Now!” An den folgenden Tagen hatten wir die Gelegenheit, mit Hibakusha, Überlebenden der Bombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, zu sprechen. Ihre Berichte waren sehr erschütternd, und sie machten mich auch wütend, denn diese Männer, die bereits 70 oder 80 Jahre alt sind, werden den Tag, an dem eine Atomwaffenkonvention in Kraft tritt, wohl nicht mehr erleben. Außerdem fand ich es sehr aufschlussreich, einfach mal auf der Zuschauertribüne der General Assembly Hall zu sitzen und den Statements der Delegierten zuzuhören. Erst einmal fiel mir auf, dass das Plenum meist nur halb voll war. Wo waren bloß die anderen geblieben? Die Statements waren oft in einem schwerverdaulichen Diplomatenton gehalten, so daß man sich als Außenstehende fragt, was der Redner mit dem Gesagten eigentlich gemeint hat. Am besten fand ich noch die Rede Joschka Fischers. Unter anderem wies Fischer auf die Gefahr der Aushöhlung des Nichtverbreitungsvertrages hin und sprach sich auch für eine Reduzierung der Atomwaffen in Europa aus. Er wies auch darauf hin, dass die deutsche Öffentlichkeit Abrüstung fordert. Weitere Höhepunkte unseres Aufenthaltes waren das Gespräch mit UN-Botschafter Heinsberg und anderen Diplomaten in der Deutschen Botschaft, die internationale Jugendrede, an der auch einige von uns, darunter Raphael, mitgearbeitet haben, und zu der wir von vielen Seiten beglückwünscht wurden; das Treffen mit den Mayors for Peace, die vielen Begegnungen mit anderen NGO-Vertretern und der Austausch untereinander, die Gespräche mit Diplomaten, und viele kleineren Veranstaltungen, an denen wir teilgenommen haben. Während unseres zweiwöchigen Aufenthaltes ist in der Konferenz selbst außer den Eröffnungsreden übrigens gar nichts passiert. Man hat sich nämlich nicht auf eine Tagesordnung einigen können. Das war für uns alle sehr ernüchternd. Wenn die Delegierten bereit waren, die Hälfte der vier Wochen der Konferenz so zu vertun, was hatten wir dann noch zu erwarten? Wohl wenig. Am letzten Tag unserer Aktionsreise versammelte sich die ganze Gruppe noch einmal, um eine Bilanz unserer Arbeit zu ziehen. Was haben unsere Aktionen gemacht, und was hat unsere Arbeit bewirkt? War die Reise als Erfolg zu bewerten? Hierbei pendelten unsere Einschätzungen zwischen zwei Extremen. Einerseits ist uns klar geworden, dass wir als ein paar Dutzend SchülerInnen und Studierende auf der weltpolitischen Bühne nur wenig bewirken können, dass die Mühlen der Diplomatie quälend langsam mahlen, und dass man sich in ihren Irrgärten leicht verlaufen kann. Gleichzeitig haben wir aber von so vielen verschiedenen Menschen, von Friedensaktivisten bis hin zu Diplomaten, so viel positive Rückmeldung für unsere Arbeit und unsere Aktionen bekommen, so viel erlebt und so viele Erfahrungen gesammelt, dass es für jeden einzelnen von uns klar war: die Reise hat einen riesigen persönlichen Gewinn gebracht, den man nicht missen möchte. Wir haben viel Einblick in die Arbeit der UNO bekommen und dieses verstaubte Haus mit unserer Präsenz manches Mal auch gehörig aufgemischt. Wir sind an unseren Aufgaben gewachsen. Trotz der Aussicht, dass die Konferenz zu keinem Ergebnis führen könnte, sahen wir uns deshalb in unserer Motivation gestärkt, uns weiter für eine atomwaffenfreie Welt zu engagieren. Ich bin sehr froh darüber, dass das Lebenshaus mir mit seinem Stipendium diese Erfahrung ermöglicht hat, und dass ich den Mut hatte, diese einmalige Chance wahrzunehmen. Ein Nachtreffen der Gruppe ist für den Sommer geplant. Die Gruppenmitglieder informieren in Deutschland weiterhin fleißig die Öffentlichkeit über ihre Erfahrungen. Auch die Sonnenblumenaktion geht weiter. Denn eins ist klar, es gibt noch viel zu tun! Tagebuchnotizen von Csilla Morvai28.04.2005: ——- 29.04.2005: ——- 30.04.2005: ——- 01.05.2005: maidemo 02.05.2005: npt youth action trifft joschka ——- 03.05.2005: 10.05.2005: sonnenblumenpflanzaktion auf roosevelt island ——- In verschiedenen Beiträgen berichten einige der jungen Menschen ihre Eindrücke, die sie in New York gewonnen haben. Wir veröffentlichen ebenfalls eine Botschaft der Jugendlichen, in der sie warnen: “Wir könnten eine Welt voller Atomwaffen erben!” Hier das Verzeichnis der einzelnen Berichte/Artikel:
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