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“Helft uns Israels Mauer friedlich zu stoppen!”

Von Mohammed Khatib aus Bilin - International Herald Tribune, 12.7.2005

Bilin, Westbank: Während die internationalen Medien auf Israels geplanten Abzug aus Gaza starren, passiert in meinem Dorf Bilin, in der Nähe der Westbank-Stadt Ramallah, eine genauso wichtige, aber übersehene Geschichte. Während israelische Truppen den Abzug aus Gaza planen, bauen sie gleichzeitig die Siedlungen in der Westbank weiter aus. Auf dem Boden unseres Dorfes baut Israel eine neue Siedlung und baut fünf andere aus. Diese Siedlungen werden eine Stadt bilden, die Modiin Illit heißt, mit Zehntausenden von Siedlern, ein Vielfaches derjenigen, die aus Gaza evakuiert werden. Diese Siedler verbrauchen das meiste unsres Wassers aus der Region. Überall in der Westbank geht der Bau von Siedlungen und der Mauer, gehen Verhaftungen, Tötungen und Besatzung weiter.

Vor einem Jahr hat der Internationale Gerichtshof ein Gutachten verabschiedet, das den israelischen Mauerbau als völkerrechtswidrig einstuft. Heute kämpfen die Palästinenser in Dörfern wie dem unsrigen für die Umsetzung der Gerichtshof-Entscheidung und für den Stopp des Baus mit gewaltfreien Mitteln. Aber die Welt hat nicht viel getan, um uns zu unterstützen.

Bilin wird durch Israels Mauer stranguliert. Obwohl unser Dorf zwei und eine halbe Meile von der Grünen Linie entfernt liegt, nimmt Israel etwa 60% unseres Landes von 1000 Morgen, um die Siedlungen zu annektieren und die Mauer um sie herum zu bauen. Das Land ist Kapital für uns - wir bebauen es. Bilins 1600 Einwohner leben von der Landwirtschaft und die Olivenernte ist unsere Lebensgrundlage. Die Mauer wird Bilin in ein Open-air-Gefängnis verwandeln wie Gaza.

Nachdem israelische Gerichte unsere Forderungen, die Mauer zu verhindern, zurückwiesen, begannen wir, zusammen mit Israelis und Menschen aus der ganzen Welt, friedlich gegen die Beschlagnahme unseres Bodens zu protestieren. Wir entschieden, gewaltfrei Widerstand zu leisten, weil wir friedliebende Menschen sind, die Opfer der Besatzung sind. Wir haben unsere Häuser für die Israelis geöffnet, die uns begleiten. Sie sind unsere Partner im Kampf geworden. Zusammen senden wir eine starke Botschaft aus: dass wir in Frieden und Sicherheit gemeinsam leben können. Wir heißen jeden willkommen, der zu uns als Gast kommt und mit uns arbeitet für Frieden und Gerechtigkeit für beide Völker, aber wir widerstehen jedem, der als Besatzer zu uns kommt.

Seit Februar haben wir mehr als 50 gewaltfreie Demonstrationen durchgeführt. Wir haben aus der Erfahrung und den Ratschlägen von Budrus und Biddu gelernt, die dem Mauerbau gewaltfrei widerstanden. Palästinenser anderer Regionen nennen uns von Bilin nun “Palästinensische Gandhis”. Unsere Demonstrationen zielten darauf, die Bulldozer bei der Zerstörung unseres Landes zu stoppen und eine Botschaft über die Folgen der Mauer auszusenden. Wir haben uns an die Olivenbäume gekettet, um zu zeigen, dass das Leben der Olivenbäume unser Leben ist. Wir haben die Soldaten in Briefen aufgefordert, zu denken, bevor sie auf uns schießen und erklärten ihnen, dass wir nicht gegen das israelische Volk, sondern gegen den Mauerbau auf unserem Boden sind. Wir weigerten uns, uns schweigend von der Mauer strangulieren zu lassen. In einer berühmten palästinensischen Kurzgeschichte “Menschen in der Sonne” ersticken palästinensische Arbeiter in einem Tankwagen. Als der Fahrer sie entdeckte, schrie er: “Warum schlagt ihr nicht an die Wände?” Wir schlagen und wir schreien.

Angesichts unseres friedlichen Widerstands griffen uns israelische Soldaten mit Tränengas, Gummiknüppeln, gummiummantelten Geschossen und scharfer Munition an, sie verletzten mehr als 100 Dorfbewohner. Sie drangen nachts ins Dorf ein, trieben die Familien hinaus und verhafteten Menschen. Bei einem friedlichen Protest am 17. Juni verhafteten Soldaten die Brüder Abdullah und Rateb Abu Rahme, zwei Führer des Dorfes. Soldaten behaupteten, sie hätten Steine geworfen. Ein israelischer Militärrichter befahl kürzlich die Freilassung der beiden, da Videoaufnahmen zeigten, dass die Aussagen der Soldaten falsch waren.

Das palästinensische Volk hat einen Waffenstillstand ausgerufen und eine Botschaft des Friedens durch die neu gewählte Führung. Aber ein Jahr nach der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs geht der Mauerbau auf palästinensischem Boden weiter. Hinter der Nebelwand des Rückzugs aus Gaza ist die wahre Geschichte der Versuch Israels, die Westbank durch den illegalen Mauer- und Siedlungsbau zu kontrollieren, was Dutzende von Dörfern wie Bilin und jede Hoffnung auf Frieden zu zerstören droht.

Bilin schlägt Alarm, Bilin schreit. Bitte helft uns dabei, dass wir den Frieden mit friedlichen Mitteln erreichen können.

Mohammed Khatib ist ein führendes Mitglied von Bilins Dorfkomitee gegen den Mauerbau und Geschäftsführer des Ortschaftsrats.

Übersetzung von Ingrid Rumpf

Veröffentlicht am

15. Juli 2005

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