Was den Menschen von Hiroshima und Nagasaki Grauenhaftes widerfahren istZeugnisse von Überlebenden der AtombombenabwürfeVon Michael Schmid
Hibakusha, die überlebenden AtombombenopferIm August 1945 richteten das vernichtende Höllenfeuer und die Druckwellen der Atombomben in Hiroshima und Nagasaki verheerende Zerstörungen an. Zigtausende Menschen fanden dadurch den sofortigen Tod. Wer sich in der Nähe des Epizentrums aufgehalten, aber die atomare Apokalypse zunächst überlebt hatte, blieb meist schwer verletzt und hilflos zurück, als Opfer von Verbrennungen und Verstrahlungen. Vor allem die radioaktive Strahlung der Atombomben verursachte ein nie gekanntes Leiden unter jenen Menschen, die nicht sofort tot waren. Die völlig ungewöhnliche Situation, in der sich die überlebenden Opfer der Atombombenabwürfe befanden und heute noch befinden, hat eine besondere Bezeichnung für sie entstehen lassen: “Hibakusha”, was in etwa “Die Bombardierten” oder in direkter japanischer Übersetzung “explosionsgeschädigte Personen” bedeutet. Hunderttausende Hibakusha litten an Verletzungen, sie litten auch an ihrer Heimatlosigkeit und waren und sind auf Jahrzehnte hin von schweren Erkrankungen und seelischen Schmerzen gezeichnet. Und die Kinder der Menschen, die der Strahlung ausgesetzt waren, erkranken oft an den Spätfolgen durch genetische Fehlentwicklungen. Auch heute, 60 Jahre danach, gibt es noch Überlebende der atomaren Angriffe, die an den Verletzungen und Folgekrankheiten durch die Bombenexplosion leiden. Und noch heute sterben Atombombenopfer an Krankheiten wie Karzinomen, chronischen Leberschäden, Knochenmarksentzündungen, Blutkrankheiten? Die Hibakusha haben nicht nur unmittelbar die Schrecken des atomaren Infernos erlebt und erlitten, sondern auch die nachfolgende Ausgrenzung aus dem gesellschaftlichen Leben - aufgrund von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Behinderung und ihrem Sonderstatus als Hibakusha. Japanische Hibakusha waren lange Jahre sich selber überlassen. 1 Erst 1956 wurden medizinische Aufwendungen für Atombombenopfer als Ausgabe des japanischen Staates festgeschrieben. Wer bestimmte Kriterien erfüllte, konnte sich als Atombombenopfer anerkennen lassen. Heute bezahlt der japanische Staat bedürftigen Überlebeden je nach Schwere der Erkrankung 150 bis 550 Euro im Monat. Ein Betrag, mit dem sich in Japan die Unterhaltskosten nicht bestreiten lassen. Noch schlechter ging es aber jenen über Jahrzehnte fast völlig in Vergessenheit geratenen und ausgegrenzten koreanischen Zwangsarbeitern, die ebenfalls Opfer der Atombomben wurden. Koreaner machten zum Zeitpunkt des Atombombenabwurfs vermutlich 10 % der Bevölkerung in Hiroshima aus. Diese koreanischen Hibakusha wurden als Opfer zweiter Klasse marginalisiert und stigmatisiert und erst in den 90er Jahren offiziell anerkannt. 2 Nicht alle Hibakusha haben sich stillschweigend mit ihrer Opferrolle abgefunden. Es ist eine Hibakusha-Bewegung entstanden, ein Zusammenschluss der überlebenden Strahlenopfer. Eine Bewegung der Ausgegrenzten und Geächteten. Eine Reihe Hibakusha haben ihr Leben dem Kampf gegen die Bombe gewidmet: “Nie wieder Opfer von Atombomben” ist das Motto des japanischen Verbandes der Atombombenopfer, Nihon Hidankyo . Auch in Korea haben sich Hibakusha zum Atombombenopferverband Association for the Korean Atomic Bomb Victims zusammengeschlossen. Das Vermächtnis der HibakushaIn seiner ersten Friedensdeklaration als Bürgermeister von Hiroshima hat Dr. Tadatoshi Akiba im August 1999 eindringlich auf das Vermächtnis der Hibakusha hingewiesen. Er nennt drei ihrer wesentlichen Beiträge:
Hibakusha berichten ihre schrecklichen ErlebnisseHibakusha, die angefangen haben, über die erlittenen Schrecken zu reden, versuchen in ihren Berichten das Unvorstellbare in Worte zu fassen. So entsteht ein wenn auch nur unvollkommenes Bild des Grauens. Die Weitergabe der Augenzeugenberichte der überlebenden Opfer des atomaren Infernos ist von besonderer Bedeutung. In einer Welt allemal, die weiter voll gestopft ist mit Atomwaffen - und das in einem Umfang und mit einer Zerstörungswirkung, gegenüber dem die Atombomben von Hiroshima und Nagasaki nur primitivste Anfangsmodelle waren. Erst recht sind die Berichte in einer Welt wichtig, die nach Ansicht vieler Experten mehr den je seit Hiroshima und Nagasaki durch den Einsatz von Atomwaffen bedroht ist. Zum internationalen Jahr des Friedens 1986 beschlossen “Hiroshima Peace Cultural Center” und NHK, die öffentliche Rundfunkanstalt von Japan, Berichte von 100 Hibakusha aufzuzeichnen. Einige sind im Internet unter Voice of Hibakusha nachzulesen. Wir veröffentlichen hier einige davon ins Deutsche übersetzte Zeugenberichte von Hibakusha. Diese Texte mit den Aussagen von überlebenden Opfern der Atombombenabwürfe müss(t)en jedem Menschen zur Kenntnis gebracht werden. Es soll niemand sagen können, nicht gewusst zu haben, was den Menschen in Hiroshima und Nagasaki Grauenhaftes widerfahren ist.
Anmerkungen: 1 Vgl. Hiroshima und Nagasaki. Die Zerstörung der Städte und die Formen der Erinnerung in Japan . Von Wolfgang Schwentker 2 Vgl. “Wie Hunde und Schweine . Zehntausende der Atombombenopfer von Hiroshima und Nagasaki waren Koreaner”. Von Rainer Werning. 3 1999 “Peace Declaration” von Tadatoshi Akiba, Bürgermeister von Hiroshima. Weblinks:
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