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Von Norman Solomon - MediaChannel.org / ZNet 11.08.2005

Vielleicht wird man auf diese Zeit - Mitte August 2005 - einst zurückblicken als auf jenen Moment in der US-Geschichte, in dem Präsident Bush sein Medientrick nicht mehr gelang, dem Tod feierlich das kahle Haupt zu kraulen.

In Zeiten des Kriegs ist Irrealität ein Wesenszug der Medienberichterstattung. Im Krieg geht es in erster Linie um Leid und Tod. Kriegstreiber neigen daher zur Abstraktion. Ihr Medienerfolg hängt von der Verstellung ab.

Präsident Bush hat versucht, die Angehörigen der US-Kriegstoten auf mittlere Distanz zu halten - in milden Schimmer gehüllt - nah genug für die mediale Exploitation, nicht nah genug, um die Person des Oberbefehlshabers Bush aus seiner Isolation zu reißen und in das kriegstrauernde Amerika zu verwickeln.

Was passierte diese Woche in Crawford, vor der Bannmeile jenes Weißen Hauses im Rancho-Stil? Nichts anderes, als dass gefordert wurde, das öffentliche Leben wieder realitätsbezogener zu machen. Cindy Sheehan ist die Frau, die das Drehbuch zum falschen Schattenspiel der Medien durcheinander brachte. Auch andere Angehörige der ultimativ Geopferten (Soldaten) sind nach Texas gepilgert, um an einem heißen, ausgedörrten Straßenrain Mahnwache zu halten. Jetzt sind sie Objekte eines enormen Medieninteresses, denn nur wenige Meilen entfernt genießt Präsident Bush seine Ferien.

Bushs Medien-Spindoctors mühen sich derzeit verzweifelt, Frau Sheehan wieder aus dem Scheinwerferlicht zu rücken. Aber auch die anderen verwaisten Mütter, die nach Crawford kommen, werden wohl kaum zu den Kriegsmythen passen.

Sehen wir uns die Sache einmal aus der Perspektive von Celeste Zappala an, deren ältester Sohn Sherwood Baker (Sergeant in der Pennsylvania National Guard) vor 16 Monaten in Bagdad den Tod fand. Frau Zappala gehört zu den Mitgründerinnen von ‘Gold Star Families for Peace’. Hört man ihr zu, verkrampft sich einem der Magen, und es packt einen die Wut: “George Bush sagt, er interessiere sich für die Soldaten, die im Irak sterben. (Mein Sohn) Sherwood starb am 26. April 2004, als er die Leute beschützte, die nach den Massenvernichtungswaffen suchten. Es geschah einen Monat, nachdem Bush sich über die Suche nach den Massenvernichtungswaffen lustig gemacht hat (am 24. März 2004 auf einem Dinner der ‘Radio and Television Correspondents’). Und jetzt ist mein Sherwood also tot, weil er versuchte, die Leute zu schützen, die nach ihnen (Massenvernichtungswaffen) suchten, weil Bush gesagt hat, es sei so wichtig für die Sicherheit unseres Landes”. Zappala hat keinen Sinn für stillschweigende Übereinkünfte, für das chauvinistische Neusprech, sie sagt: “Ich will nicht, dass noch jemand so etwas durchmachen muss, kein Amerikaner und kein Iraker, niemand. Ich bin eine gläubige Frau, es ist meine feste Überzeugung, dass wir in der Lage sind, bessere Antworten zu finden, um Konflikte zu lösen, als die, die uns Bush angeboten hat. Ich habe versucht, mich mit Rumsfeld im Pentagon zu treffen. Ich wurde von bewaffneten Wächtern weggescheucht. Es ist angebracht, dass sich jeder von uns dafür verantwortlich fühlt, was im Lande vor sich geht. Mir bleibt keine andere Wahl, ich muss nach Crawford und tun, was immer ich kann, um den katastrophalen Kurs zu ändern, auf dem wir uns befinden und um Zeugnis abzulegen von den wahren Kosten des Kriegs.”

Die wahren Kosten - das ist etwas anderes als die Lügen des Verschweigens.

An der Kreuzung von Crawford stießen Kriegspropaganda und Kriegsleid zusammen - und das mitten in einer Farce der Bush-Administration. Diese behauptet, demnächst mit dem Abzug der US-Truppen aus dem Irak zu beginnen. Am Dienstag gab AP die Worte eines Sprechers von Verteidigungsminister Rumsfeld wieder: “Er wisse nicht, wie viele Extratruppen während des Referendums und in der Wahlperiode” Ende des Jahres noch “benötigt werden”. AP weiter: “Laut anderen Offiziellen sei nach der Wahlperiode und nach einem Rückbau der Truppen auf eine Stärke von 138 000 (Soldaten) ein weiterer Abbau in der Größenordnung von 20 000 bis 30 000 für Frühjahr und Sommer denkbar. Sollte der Aufstand sich allerdings intensivieren oder zu wenige der von den Amerikanern trainierten irakischen Sicherheitskräften sich als kampftauglich erweisen, könnte sich dies wieder ändern.”

Wird das Staatsschiff von einem Massenmörder gelenkt - ein Mann, der sich nur ab und zu verneigt, wenn die Bigband “Heil, dem Chief” spielt -, fühlen sich viele im Volk angewidert, aber häufig auch machtlos (Triumph der Medienmanipulation). Für den manipulativen Medienstaat bedeutet Passivität Gesundheit.

Inzwischen sind Cindy Sheehan, Celeste Zappala und die anderen in Crawford zusammengekommen. Sie beharren darauf, der Tod sei kein Argument für noch mehr Tote. Wir sollten den Tod als profunden “Reality-Check” begreifen, so finden sie. Sie flehen uns an, das Leben zu bestätigen und zu verteidigen.

“Wehre dich, wehre dich gegen das Sterben des Lichts”, schrieb einst Dylan Thomas. Schlimm genug, dass alles Leben sterben muss, ohne, dass man es ändern kann - töten hingegen ist inakzeptabel.

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Norman Solomons neues Buch heißt:
‘War Made Easy: How Presidents and Pundits Keep Spinning Us to Death’; Auszüge unter www.WarMadeEasy.com

Quelle: ZNet Deutschland vom 12.08.2005. Übersetzt von: Andrea Noll. Orginalartikel: “Rage”

Veröffentlicht am

14. August 2005

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